Krypto-Messengerdienst:Encrochat Verurteilung: Bundesverfassungsgericht äußert sich

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Eine Frau hält ein Smartphone mit dem Logo des Krypto-Messengerdienstes Encrochat (gestellte Szene). (Foto: Sebastian Kahnert/dpa/Archivbild)

Es geht um Crystal Meth und Kokain, Millionendeals und Rockerbanden sowie um internationale Ermittlungen und geknackte Kryptohandys: Seit Fahndern in Frankreich ein Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelang, laufen auch in Deutschland viele Prozesse. Doch ist das okay?

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Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht äußert sich am Dienstag zu strafrechtlichen Urteilen nach der Auswertung von Daten, die französische Ermittler auf Mobiltelefonen des Anbieters Encrochat gefunden haben. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe hat mehrere Verfassungsbeschwerden von Menschen vorliegen, die zum Beispiel wegen Drogendelikten verurteilt wurden. Maßgeblich dafür seien die gefundenen Daten aus dem Krypto-Messengerdienst Encrochat gewesen.

Die französischen Ermittlungsbehörden hatten die Daten im Zuge der internationalen Rechtshilfe ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen übermittelt. Die Kläger sind der Ansicht, der Europäische Gerichtshof (EuGH) hätte klären müssen, ob die Erhebung und Weitergabe rechtmäßig waren. Das Verfassungsgericht will seine Entscheidung am Vormittag (9.30 Uhr) im Internet veröffentlichen. (Az. 2 BvR 558/22)

Zugrunde liegt ein Fall des Landgerichts Rostock. Im vergangenen Jahr hatte der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten verworfen. Er sah die aus der Überwachung der Kommunikation über Encrochat gewonnenen Erkenntnisse „als im Strafverfahren verwertbar an“.

Encrochat ist ein verschlüsseltes Kommunikationssystem gewesen, mit dem Kriminelle Straftaten planten und organisierten. Den Nutzern hatte Encrochat perfekte Anonymität garantiert, die Telefone sollten nicht abzuhören und nicht zu verfolgen sein.

Nachdem französische und später auch niederländische Behörden das System geknackt hatten und das Kriminellen-Netzwerk vor drei Jahren zerschlugen, kamen Tausende Ermittlungsverfahren in Gang - viele mit Bezug zu Deutschland. Ende Juni hatte die Ermittlungsbehörde Europol berichtet, in der Folge seien bisher mehr als 6500 Menschen festgenommen und fast 900 Millionen Euro beschlagnahmt worden.

Der Ermittlungserfolg habe eine Schockwelle im organisierten Verbrechen in Europa und darüber hinaus ausgelöst, hieß es. Bisher wurden laut Europol mehr als 115 Millionen Gespräche von etwa 60.000 Nutzern geknackt und analysiert. Mordanschläge, Überfälle, Korruption, Drogenhandel und Geldwäsche seien verhindert worden.

Nach jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) aus dem Jahr 2021 dazu wurden hierzulande 187 Ermittlungsverfahren zur organisierten Kriminalität im Zusammenhang mit Encrochat eingeleitet. Dabei ging es um 1348 Tatverdächtige. 25-mal sei es auch um Rocker- oder rockerähnliche Gruppierungen gegangen sowie in 3 Fällen um Gruppierungen der Clankriminalität.

Das BKA sieht zudem ein hohes Gefahren- und Bedrohungspotenzial durch die Beschuldigten rund um Encrochat-Verbrechen: In 87 Verfahren hätten Ermittler 191 bewaffnete Tatverdächtige festgestellt - im Schnitt also mindestens 2 pro Fall. Verglichen mit allen Verfahren zu organisierter Kriminalität sei der Anteil auffallend hoch.

© dpa-infocom, dpa:230904-99-73909/3

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