Wirtschaftskriminalität:Gefährliche Tipps aus London

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Die Skyline des Londoner Finanzviertels Canary Wharf. (Foto: Hannah Mckay/REUTERS)

Ein früherer Verlagsmanager verdiente mutmaßlich mit Insiderinformationen viele Millionen. Nun steht er vor Gericht. Die Anklage erhebt schwere Vorwürfe.

Von Meike Schreiber

Die Beträge, um die es an diesem Mittwoch vor der 12. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt geht, machen schwindelig. Insgesamt 24 Millionen Euro soll der frühere Verlagsmanager Andreas T. von 2017 bis 2021 dank Insiderinformationen zu Unternehmensübernahmen mit Aktiengeschäften eingenommen haben. Nach Abzug von Steuern und anderen Kosten soll ihm immer noch ein Gewinn von rund 14 Millionen Euro geblieben sein - ein Profit, der für gewöhnliche Kleinanleger ohne Zugang zu unveröffentlichten Übernahmeplänen wohl nur schwer am Aktienmarkt zu erwirtschaften wäre, noch dazu in so kurzer Zeit.

So sieht es zumindest die Frankfurter Staatsanwaltschaft, die dem Angeklagten am Mittwoch zum Prozessauftakt unter anderem in zwanzig Fällen Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot vorwarf. "Er verfügte über Informationen, die weit konkreter waren als in den Medien bekannt, er konnte die Kurseffekte daher leicht kalkulieren", sagte Markus Weimann, Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Hessen. Mehr als eine Stunde lang verlasen Weimann und seine Kollegen die Anklageschrift, während der Angeklagte offensichtlich aufmerksam und interessiert zuhörte - in Kürze will er sich dazu äußern. Der 48-Jährige saß zuletzt sogar in Untersuchungshaft, weil die Staatsanwaltschaft eine Fluchtgefahr unterstellt hatte.

Der Banker gab Informationen offenbar seit vielen Jahren weiter

Der Prozess dürfte in vielen Banken und Unternehmen verfolgt werden. Schließlich ist er einer der spektakulärsten Fälle von Insiderhandel in Deutschland, schon allein wegen der hohen Summen, die im Raum stehen, aber auch wegen der Frage, welche Rolle ein inzwischen verstorbener Investmentbanker der aufstrebenden Beratungsboutique Perella Weinberg in London als Tippgeber gespielt haben könnte. Zudem geht es um die rechtliche Frage, ab wann fortlaufende strategische Überlegungen in Unternehmen in die Kategorie Insiderinformationen fallen, deren Weitergabe und Einsatz für Aktienhandel verboten sind.

Von Insiderhandel spricht man, wenn jemand vorab über Informationen verfügt, die Börsenkurse bewegen, und sie nutzt, um Geld zu verdienen. Unternehmensübernahmen sind ein klassisches Beispiel: Gibt ein Konkurrent ein Übernahmeangebot ab, steigt der Aktienkurs des Unternehmens oft sprunghaft an. Wer vorher davon weiß und sich etwa mit Optionsscheinen eindeckt, kann ordentlich Kasse machen. Wer erwischt wird, muss indes mit Gefängnis von bis zu fünf Jahren rechnen. Im aktuellen Fall soll der Angeklagte Informationen zu prominenten Unternehmensübernahmen genutzt haben, konkret beim Energiekonzern Uniper, dem Chemieunternehmen Covestro, der früheren Eon-Tochter Innogy, dem Leuchtmittelhersteller Osram, dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen sowie dem Industriedienstleister Bilfinger. Die Investmentbank Perella Weinberg hat nach Erkenntnis der Anklage in fast allen Fällen "entweder die Zielgesellschaft oder den Übernehmer" beraten.

Der Beschuldigte soll seine Informationen demnach von einem Banker von Perella Weinberg in London erhalten haben, der im Gegenzug sogar die Beteiligung an einem Start-up bekommen haben soll. Der Banker soll kursrelevante Informationen bereits seit 2006 weitergeben haben, als er noch bei der Deutschen Bank tätig war, was aber verjährt ist. Vergangenes Jahr nahm er sich kurz nach einer Razzia in London das Leben. Ob er die Informationen ohne Hintergedanken oder zum Zweck des Insiderhandels weitergegeben hat, ist unklar. Der Beschuldigte Andreas T. wiederum soll seine Schwester, seinen Vater und eine weitere Person eingebunden haben und auch versucht haben, die Transaktionen zu verschleiern. Während seine Verwandten nicht mehr im Fokus der Ermittlungen stehen, wird ein weiterer Geschäftspartner in Kürze ebenfalls vor Gericht geladen.

Am Finanzplatz Frankfurt gab es in jüngster Zeit zwar einige Ermittlungserfolge gegen Insiderhandel. In einem Verfahren mussten sich etwa ein Top-Fondsmanager von Union Investment verantworten. Das Delikt aber ist generell schwer nachzuweisen. Die Behörden müssen Beschuldigten zweifelsfrei nachweisen, zum Zeitpunkt der Börsendeals jeweils Insider gewesen zu sein und die Informationen illegal ausgenutzt zu haben. Noch dazu dürfen Ermittler beim Verdacht auf Insiderhandel keine Telefone abhören. Ausgelöst worden waren die aktuellen Ermittlungen durch eine Anzeige der Finanzaufsicht Bafin, der die Transaktionen aufgefallen war und die den Verdacht mithilfe der Handelsüberwachungsstelle der Börse erhärten konnte. Die Staatsanwaltschaft, das Bundeskriminalamt und die Bafin durchsuchten daraufhin vor einem Jahr mehrere Gebäude in Frankfurt, München sowie im Münchner Umland und nahmen den Hauptverdächtigen fest.

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