Inflation:Die Fed handelt, während die EZB noch zaudert

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Muss eine undankbare Abwägung vornehmen: Fed-Chef Powell. (Foto: AP)

Dem Kampf gegen die Inflation weicht die US-Notenbank nicht aus. Die Entscheidung der Fed ist mutig und richtig - und birgt doch Gefahren.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

US-Notenbankchef Jerome Powell hat diese Woche gleich zwei Dinge eingestanden, die mancher Zeitgenosse noch immer nicht wahrhaben mag. Erstens: Die Nach-Corona-Welt wird eine andere sein als die Zeit vor der Pandemie. Und zweitens: Niemand weiß, wie diese neue Welt genau aussehen wird. Das ist misslich, denn es bedeutet, dass Politiker und Notenbanker, Bürger und Manager derzeit Zukunftsentscheidungen treffen müssen, ohne eine halbwegs klare Vorstellung von eben dieser Zukunft zu haben. Powell und seine Fed-Kollegen haben genau das jetzt getan und beschlossen, ihren Kurs der bedingungslosen Konjunkturstützung schrittweise aufzugeben und sich stärker dem Kampf gegen die Inflation zu widmen. Dafür gebührt ihnen Respekt, denn sie sind damit weiter als beispielsweise die Europäische Zentralbank, die nach wie vor zaudert.

Der immense Preisdruck in vielen Ländern gehört zu jenen Phänomenen der neuen Zeit, die jüngere Ökonomen bisher nur aus dem Lehrbuch kannten. Das mag ein Grund dafür sein, dass manche Volkswirte die Gefahr immer noch nicht ernst nehmen - Ignoranz aus Mangel an Erfahrung gewissermaßen. Auch Powell hofft weiterhin, dass die Teuerungswelle abebbt, sobald die pandemiebedingten globalen Lieferengpässe überwunden sind. Er räumte am Mittwoch jedoch auch ein, dass derzeit niemand wisse, ob und wann das der Fall sein wird. Vor diesem Hintergrund ist der Beschluss der Fed, ihr Anleihekaufprogramm schrittweise einzustellen, ein deutliches Signal: Obwohl auch die mächtigste Notenbank der Welt nicht in die Zukunft schauen kann, macht sie klar, dass sie ein weiteres Ausufern der Inflation nicht tatenlos hinnehmen wird.

Das ist auch deshalb bedeutsam, weil es neben den Corona-Preistreibern eine ganze Reihe struktureller Faktoren gibt, die die Inflation mittelfristig spürbar befeuern könnten. Da ist etwa der Mangel an Fachkräften in alternden Gesellschaften wie der deutschen, der Lohnkosten und Sozialbeiträge in die Höhe treiben wird. Hinzu kommen der ökologische Umbau der Volkswirtschaften, die Ballung von Marktmacht in den Händen weniger Konzerne, der Trend zu mehr Protektionismus sowie der deutliche Anstieg der Gehälter in bisherigen Billiglohnländern.

Die Fed könnte noch mutiger sein, ohne der Wirtschaft zu schaden

Das alles heißt natürlich nicht, dass es sinnvoll wäre, die Geldpolitik aus purer Angst vor der Zukunft zu straffen und die Konjunktur damit ohne Not abzuwürgen. Genau das aber tut die Fed auch nicht. Im Gegenteil: Sie lässt ihr Sonderprogramm zur Senkung der Langfristzinsen nicht abrupt, sondern über eine Spanne von voraussichtlich acht Monaten auslaufen. Erst danach könnte auch eine erste Anhebung des Leitzinses folgen. Dabei wäre sogar ein rascheres Vorgehen möglich, ohne dass die Wirtschaft Schaden nähme, schließlich ist das Niveau der Leitzinsen in den USA wie auch in Europa mit null Prozent seit Langem unnatürlich niedrig. Lägen die Sätze ein, zwei Prozentpunkte höher, wirkten sie mitnichten wachstumshemmend, sondern weiter konjunkturbelebend oder zumindest -neutral. Zugleich könnten die Notenbanken so ihre Instrumentenkammer wieder auffüllen.

Nun hat Powell in seiner Pressekonferenz am Mittwoch zu Recht darauf verwiesen, dass der Fed neben der Sicherung der Preisstabilität eine zweite, gleichwertige Aufgabe obliegt: die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Das soll nicht kleingeredet werden, Fakt ist aber auch, dass die Erwerbslosenquote in den USA in den vergangenen Monaten bereits deutlich gesunken ist. Die Währungshüter stehen damit vor der wahrlich undankbaren Abwägung, wem sie in dieser Situation mehr verpflichtet sind: den vergleichsweise wenigen, die immer noch auf Jobsuche sind, oder den vielen, die zunehmend unter den horrenden Preisen für Benzin, Gas oder Lebensmittel leiden.

Das gilt umso mehr, als der Fed-Chef ja selbst einräumt, dass die Beschäftigtenzahl das Vorkrisenniveau auch deshalb noch nicht wieder erreicht hat, weil manche Bürgerinnen und Bürger derzeit gar nicht arbeiten können oder wollen - weil sie etwa Kinder betreuen müssen oder weiter Angst vor einer Infektion am Arbeitsplatz haben. Dagegen aber kann keine Notenbank der Welt etwas ausrichten.

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