Computer:Wie Indien technologisch unabhängig werden will

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Wurde gefeiert wie ein Popstar: Apple-Chef Tim Cook bei der Eröffnung eines neuen Ladens in Neu-Delhi im April dieses Jahres. (Foto: Kabir Jhangiani/Imago)

Der Subkontinent braucht viele Laptops und Tablets, doch die sollten möglichst in Indien hergestellt werden, wünscht sich die Regierung. So schnell wird das nicht funktionieren.

Von Helmut Martin-Jung

Die Aufregung war groß, aber sie währte nur kurz. Nachdem Indiens Regierung am vergangenen Donnerstag ohne Vorankündigung erklärt hatte, Hersteller von Computern und ähnlichen Geräten bräuchten ab sofort eine Einfuhrlizenz, musste sie schon am nächsten Tag mit nahezu voller Kraft zurückrudern. Große Elektronikkonzerne wie Apple, HP oder Samsung hatten prompt ihre Lieferungen eingefroren - die Folge wäre eine Knappheit von Computern und Tablets gewesen.

Genau das könnte Indien überhaupt nicht brauchen, denn der Subkontinent mit seinen bald 1,4 Milliarden Menschen hat einen riesigen Bedarf an Computern und Tablets. Also räumte die Regierung einen Tag nach dem Überraschungscoup mit den Lizenzen den ausländischen Lieferanten eine dreimonatige Frist ein, um sie zu beantragen, außerdem, hieß es, werde es meist nicht länger als einen Tag dauern, eine solche zu erhalten.

Die Hersteller waren von der Ankündigung aus Delhi überrascht worden. Zwar versucht Indien schon länger, in Sachen Hochtechnologie unabhängiger zu werden. Dass aber die Bedingungen von einem Tag auf den anderen geändert werden könnten, damit hatte keiner gerechnet. Nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, versuchten die Hersteller sofort, Kontakt zur indischen Regierung herzustellen, um die Sache aufzuklären.

In Indien steht der Schulanfang bevor, dazu das Diwali-Fest. Das hinduistische Lichterfest am 12. November gilt als das Weihnachten Indiens und ist mittlerweile ähnlich kommerzialisiert wie Weihnachten in den westlichen Ländern. Es ist daher auch wichtig für die Elektronikgiganten. Die sahen die möglichen Geschäfte durch den Lizenzzwang bereits gefährdet.

Modi will Hersteller ins Land locken

Diese Gefahr ist nun vorerst gebannt, die Firmen haben nun bis zum 31. Oktober Zeit, sich um Lizenzen zu kümmern. Diese sollen, so versprach es zumindest Indiens Außenhandelsbehörde, auch schnell und unbürokratisch ausgestellt werden. Alles andere wäre realistisch betrachtet auch ein Schuss ins eigene Knie, denn zwar strebt Indien an, unabhängiger von der Lieferung kritischer Güter aus dem Ausland zu werden. Doch ein Programm, bei dem mit umgerechnet etwa zwei Milliarden Euro Hersteller von Laptops, Tablets und anderer Hardware ins Land gelockt werden sollen, ist gerade erst angelaufen. Premierminister Narendra Modi hofft, dass es gelingt, Herstellern sein Land schmackhaft zu machen - vor dem Hintergrund, dass einige bemüht sind, ihrerseits ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

Der iPhone-Hersteller Apple hat das bereits getan und lässt mittlerweile auch in Indien produzieren. Der Fertigungsspezialist Foxconn, der auch für Apple arbeitet, hat vergangene Woche ebenfalls eine 600-Millionen-Dollar-Investition in Indien angekündigt.

Indiens Digitalminister Rajeev Chandrasekhar machte auf dem Kurznachrichtendienst X, früher Twitter, klar, dass es nicht nur darum gehe, Indien unabhängiger von ausländischen Produkten zu machen. Die Regulierung solle auch dafür sorgen, dass die Computer und Systeme vertrauenswürdig und überprüfbar seien. Damit solle sichergestellt werden, dass die Tech-Branche nur vertrauenswürdige und geprüfte Geräte verwende. Die schnelle Digitalisierung und der Trend zur Cloud treibe den Bedarf an IT nach oben.

Doch bis in Indien wirklich massenhaft Geräte vom Band laufen, wird es noch dauern. Indien bleibt also noch für längere Zeit abhängig von den Lieferungen vor allem aus den USA und Südkorea. Wie klug daher die quasi über Nacht angekündigte Lizenzpflicht ist, muss sich zeigen. Sie könnte auch dazu führen, so befürchtet es zumindest Tarun Pathak, Analyst bei Counterpoint Research, dass Laptops und Tablets teurer würden, wie er dem US-Sender CNBC sagte.

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