Berlin (dpa) - Auf Gaskunden in Deutschland kommt eine Preiswelle zu.Die Bundesnetzagentur und Experten rechnen damit, dass sich dieAbschläge bei der Heizkostenabrechnung stark erhöhen. Hintergrund isteine Preisexplosion auf den Energiemärkten. Eine Entspannung istnicht in Sicht.
„Bei denen, die jetzt ihre Heizkostenabrechnung bekommen, verdoppelnsich die Abschläge bereits - und da sind die Folgen desUkraine-Krieges noch gar nicht berücksichtigt“, sagte der Präsidentder Bundesnetzagentur, Klaus Müller, dem RedaktionsnetzwerkDeutschland. „Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine Verdreifachungder Abschläge einstellen, mindestens.“
Zusatzkosten von 1000 bis 2000 Euro möglich
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen rechnet damit, dass einHaushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000Kilowattstunden Gas schon jetzt für dieses Jahr mit Zusatzkosten von1000 bis 2000 Euro rechnen muss. „Dieser Betrag kann sich nochdeutlich erhöhen, insbesondere dann, wenn die stark steigendenGasbörsenpreise direkt an die privaten Haushalte durchgereichtwürden“, sagte der Energieexperte Thomas Engelke.
Thorsten Storck, Energieexperte vom Vergleichsportal Verivox,erklärte, noch seien die Gaspreise nicht oder nur teilweise beiHaushalten angekommen. „Allerdings ist aufgrund der aktuellenMarktentwicklung eine Verdopplung oder sogar Verdreifachung derGasrechnung im Vergleich zum Vorjahr absolut realistisch.“
Müller sagte auf die Frage, wer derzeit 1500 Euro im Jahr bezahle,liege künftig also bei 4500 Euro: „Oder sogar noch ein bisschendarüber, das halte ich für absolut realistisch.“ An den Börsen hättensich die Preise zum Teil versiebenfacht. „Das kommt nicht allessofort und nicht in vollem Umfang bei den Verbrauchern an, aberirgendwann muss es bezahlt werden.“
Die meisten Haushalte noch ohne Jahresabrechnung
Verivox berichtete unter Verweis auf repräsentative Umfragen, dassbisher erst jeder dritte Haushalt eine Jahresabrechnung für Gaserhalten habe. Gut die Hälfte davon habe eine Nachzahlung vondurchschnittlich 227 Euro leisten müssen. Bei insgesamt gut jedemdritten Haushalt mit Gasheizung seien die Abschläge für die kommendeHeizsaison erhöht worden, um durchschnittlich 52 Euro pro Monat. FürNeukunden mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden hättensich die Preise im Vorjahresvergleich um durchschnittlich 159 Prozentoder 1963 Euro pro Jahr erhöht.
Aufgrund der Börsenpreise sei der Druck auf die Gaspreise sehr groß,erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. „DieVersorger tun im Rahmen ihrer Beschaffungsstrategien zwar alles, umdie Belastungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu dämpfen.Die historisch hohen Preise im Großhandel werden sich dennoch starkauf die Endkundenpreise auswirken.“ Es gelte, Energie einzusparen, umdie Kosten zu dämpfen.
Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt ein Versorger eingekauft habe, falleauch der Endkundenpreis aus, sagte ein Sprecher desStadtwerkeverbands VKU. „Grundsätzlich muss man von steigendenPreisen ausgehen: für Stadtwerke, für Endkunden.“
Freiwillig den Abschlag erhöhen
Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie beim VergleichsportalCheck24, sagte, die Energiepreise würden mit Verzögerung voll beiprivaten Gaskunden ankommen. Wenn die vor der Krise beschafftenMengen der Versorger verbraucht seien, müssten sie zu den aktuellenRekordpreisen an der Börse einkaufen. „Die Jahresrechnung und damitauch die Abschläge könnten dann um das Drei- bis Fünffache steigen.“Müller empfahl Gaskunden, freiwillig den Abschlag zu erhöhen. DerBDEW erklärte: „Damit kann die erwartbar steigende Kostenbelastungüber mehrere Monate gestreckt werden.“
Die Gaspreise waren bereits vor dem Ukraine-Krieg gestiegen. Seitdemhat es einen kräftigen Schub gegeben. Unter Verweis auf technischeProbleme hatte Russland Lieferungen durch die Gaspipeline Nord Stream1 gedrosselt. Im Moment fließt wegen einer Wartung kein Gas mehrdurch Pipeline. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung,die in der Regel bis zu zehn Tage dauert, den Hahn nicht wiederaufdreht. Das könnte die Lage verschärfen und die Preise steigenlassen.
Energieversorger wie Uniper sind bereits unter Druck geraten. DerKonzern verhandelt mit der Bundesregierung über ein Rettungspaket.Uniper muss Gas auf dem Markt zukaufen. Die deutlich höheren Kostendafür kann der Konzern bislang nicht an seine Kunden weitergeben. Dasführt zu Liquiditätsproblemen. Denkbar ist, dass die Bundesregierunges ermöglicht, dass die Preissprünge über eine Umlage an alle Kundenweitergeben werden.
Die Verbraucherzentralen forderten die Bundesregierung auf, eindrittes Entlastungspaket vorzubereiten. „Preisschocks für Haushaltemit geringem Einkommen müssen verhindert werden“, sagte Engelke.
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