Android-Lizenzentzug:Was Huawei-Nutzer jetzt wissen müssen

Lesezeit: 4 min

Weniger Möglichkeiten dank Donald Trump: Viele Huawei-Smartphones können bald nur noch eingeschränkt aktualisiert werden. (Foto: REUTERS)

Google beugt sich Trump und liefert keine Software mehr an Huawei. Bleiben aktuelle Geräte funktionsfähig? Welche Android-Updates erhalten sie? Antworten auf die drängendsten Fragen.

Von Simon Hurtz

Google hat Huawei die Android-Lizenz entzogen und fast alle Geschäftsbeziehungen mit dem chinesischen Unternehmen eingestellt. Der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt verliert damit den Zugriff auf wichtige Teile des größten mobilen Betriebssystems. Der Schritt könnte beiden Unternehmen nachhaltig schaden und die Existenz der gesamten Android-Plattform in Frage stellen. Auch Besitzer von Huawei-Handys werden Nachteile in Kauf nehmen müssen.

Update, 21. Mai, 8.54 Uhr: Die USA haben die strengen Maßnahmen gegen den chinesischen Huawei-Konzern für die nächsten 90 Tage gelockert. Das US-Handelsministerium stellt dem chinesischen Konzern eine Lizenz aus, die es ihm erlaubt, seine Geräte bis zum 19. August mit Updates zu versorgen. Der US-Handelsminister Wilbur Ross erklärte, damit sei auch sichergestellt, dass die Breitbandversorgung in ländlichen Gebieten der USA zunächst ohne Probleme weiter gehen kann.

Die wichtigsten Antworten im Überblick:

China und die USA
:Trumps Dekret kann Huawei richtig gefährlich werden

Der US-Präsident holt zum Schlag gegen den chinesischen Konzern aus und könnte ihn vom Zugang zu US-Technik abschneiden. Ein anderes Beispiel zeigt, wie brenzlig es für den Netzwerkausrüster werden könnte.

Von Christoph Giesen, Peking, Helmut Martin-Jung und Georg Mascolo

Was ist passiert?

Vergangene Woche hatte US-Präsident Donald Trump den Telekommunikations-Notstand ausgerufen. Amerikanische Unternehmen dürfen nun nur noch mit Sondererlaubnis Geschäfte mit Huawei machen. Darauf reagierte Google am Sonntag: Huawei erhält keine Hardware und keine Software von dem US-Unternehmen mehr. Reuters hatte zuerst darüber berichtet. Auf das quelloffene Android Open Source Project (AOSP) kann Huawei weiterhin zugreifen. Darin bündelt Google einige grundlegende Android-Bestandteile, die jeder verwenden kann, um ein eigenes Betriebssystem aufzubauen. Das AOSP ist jedoch nicht vollständig und benötigt weitere Software und Treiber.

Wie wirkt sich das aus?

Huawei wird aus dem Play Store und von allen Google-Play-Diensten ausgesperrt. Damit funktionieren Googles eigene Apps nicht mehr, und andere Apps lassen sich nicht mehr über den Play Store aktualisieren. Normalerweise liefern Entwickler ihre Updates auf diesem Weg aus. Huawei kann auch keine Android-Aktualisierungen mit neuen Funktionen mehr verteilen. Die Einschränkungen betreffen Huawei und die Tochterfirma Honor. In Deutschland kommen sie gemeinsam auf mehr als 25 Prozent Marktanteil bei Smartphones.

Was heißt das für Huawei-Nutzer?

Google und Huawei haben versichert, dass alle aktuellen Huawei-Handys voll funktionsfähig bleiben. Das gilt für bereits verkaufte Geräte und für solche, die im Lager liegen. Unklar ist, wo genau die Grenze gezogen wird: Gelten die Einschränkungen für Smartphones, die morgen produziert werden? Sind nur neu entwickelte Modellreihen betroffen, die Huawei erst noch vorstellen wird? Wer bereits ein Huawei-Handy besitzt, kann aber auf jeden Fall auf Google-Apps- und Google-Dienste zugreifen und Aktualisierungen über den Play Store beziehen. Huawei- und Honor-Geräte sollen im Rahmen des AOSP weiter monatliche Sicherheitsupdates erhalten und behalten den Malware-Schutz über Googles Dienst Play Protect. Allerdings kann Huawei keine neuen Android-Versionen mehr anbieten, etwa das kommende Update auf Android Q. Kunden des Herstellers müssen auf dessen neue Features verzichten. Das gilt auch für bereits verkaufte Smartphones.

Haben Huawei-Käufer ein Rückgaberecht?

Das ist unwahrscheinlich. "Huawei wird weiterhin Sicherheitsupdates und Services für alle bestehenden Huawei und Honor Smartphones sowie Tablets zur Verfügung stellen", teilt das Unternehmen mit. Damit würde Huawei seine Update-Versprechen einhalten. Solange sich in Huawei-Geräten keine Sicherheitslücken auftun und alle Funktionen erhalten bleiben, besteht kein Anspruch auf Ersatz oder Entschädigung.

Funktioniert Android auch ohne Google-Dienste?

Android-Smartphones lassen sich unabhängig von Google betreiben. Das ist allerdings mit zahlreichen Einschränkungen verbunden. Nutzer müssen auf Google-Apps wie Gmail, den Chrome-Browser und den Kartendienst Google Maps verzichten. Noch schwerer wiegt der Verlust des Zugangs zum Play Store: Die Plattform ist die mit großem Abstand wichtigste Bezugsquelle für Apps. Es gibt Alternativen wie F-Droid, dort fehlen aber zahlreiche beliebte Apps. Das bedeutet weniger Komfort für den Kunden, hat aber auch einen Vorteil: Ein Google-freies Handy sammelt weniger Daten und schützt die Privatsphäre.

Was bedeutet das für Huawei?

Die Nachricht trifft die Chinesen hart. Im ersten Quartal 2019 hat das Unternehmen fast 60 Millionen Smartphones verkauft und war drauf und dran, Samsung als wichtigsten Handy-Hersteller abzulösen. Für chinesische Nutzer ändert sich wenig, in ihrem Land kommen ohnehin keine Google-Dienste zum Einsatz, weil einheimische Unternehmen und App-Stores den Markt dominieren. Doch in Europa und den USA dürften sich Huawei-Geräte deutlich schlechter verkaufen - sofern sie überhaupt noch produziert werden können: Neben Google haben mehrere Zulieferer die Geschäftsbeziehungen mit Huawei eingestellt, darunter Intel, Qualcomm und Broadcom.

Ohne Chips von Intel und Qualcomm fehlt Huawei wichtige Hardware, die es kurzfristig nicht selbst herstellen kann. Das könnte die weitere Smartphone-Produktion einschränken oder sogar unmöglich machen. Bloomberg zufolge hat sich Huawei seit Mitte 2018 auf ein solches Szenario vorbereitet. Demnach besitze das Unternehmen ausreichend Prozessoren und Smartphone-Bestandteile, um drei Monate lang weiter liefern zu können.

Was bedeutet das für Google?

Google ist weniger abhängig von Huawei als andersherum. Aus Googles Stellungnahme lässt sich jedoch auch herauslesen, dass es keine Entscheidung war, die das Unternehmen freiwillig oder aus Überzeugung getroffen hat. Gleich zweimal in einem Tweet verweist Google auf die Vorgaben der US-Regierung, denen man sich habe beugen müssen. Huawei ist für Google ein wichtiger Partner: Hunderte Millionen Menschen besitzen Huawei-Geräte und nutzen darüber Dienste von Google.

Was bedeutet das für Android?

85 Prozent der Smartphones laufen mit Android. Was den Marktanteil angeht, kann Apples mobiles Betriebssystem iOS nicht ansatzweise mithalten. Daran würde sich auch ohne Huawei nichts ändern: Weniger als jeder fünfte Android-Nutzer besitzt ein Huawei-Gerät. Mittelfristig birgt eine Aufspaltung aber große Risiken: Huawei hat mehrfach gesagt, dass es ein eigenes Betriebssystem entwickelt habe - " einen Plan B".

Auch Samsung, das mit Tizen bereits seit Jahren ein alternatives System in der Hinterhand hält, könnte sich theoretisch von Android oder zumindest von Google-Diensten lossagen. Gemeinsam kommen die beiden Unternehmen aus Asien auf 40 Prozent Marktanteil unter Android-Nutzern. Weitere chinesische Hersteller wie Xiaomi, Oppo und Vivo verkaufen in China bereits Smartphones ohne Google-Dienste. Theoretisch wäre das auch in anderen Ländern möglich.

Bislang haben die Hersteller kein Interesse an einem Konflikt mit Google. Beide Seiten profitieren von der Kooperation. Google kann seine Dienste für Milliarden Menschen bereitstellen und wertvolle Daten sammeln, die anderen Unternehmen können ihren Käufern bewährte Software und Dienste bieten. Doch das Verhältnis ist spannungsgeladen: Google hätte gern mehr Kontrolle über die Android-Plattform, will Herstellern striktere Vorgaben machen und Updates schneller ausliefern. Eine Eskalation ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen.

Wie geht es weiter?

Mit seiner Handelspolitik will Trump amerikanische Interessen durchsetzen. Die Entscheidung, Huawei auf die schwarze Liste zu setzen, könnte das Gegenteil bewirken. Zahlreiche große US-Konzerne beliefern Huawei, und immer mehr US-Amerikaner kaufen Smartphones der Chinesen. Ein dauerhaftes Handelsverbot würde den USA, China und vor allem Millionen Handy-Käufern schaden. Deshalb müssten beide Seiten eigentlich großes Interesse haben, sich zu einigen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Google Pixel 3a
:Die beste Smartphone-Kamera, die es für 400 Euro gibt

Das neue Google-Telefon kostet nur halb so viel wie Luxus-Handys - bietet in vielen Bereichen aber dieselbe Leistung. Ein Preisvergleich lohnt sich trotzdem.

Von Simon Hurtz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: