Glasfaser-Doppelausbau:Telekom kommt mit blauem Auge davon

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Boden auf, Glasfaser rein, schnelles Internet. Es könnte so einfach sein - ist es aber nicht. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Bundesnetzagentur hat ihren lang erwarteten Bericht zum Glasfaser-Doppelausbau veröffentlicht. Sie kritisiert die Telekom - aber nur ganz leise. Die Wettbewerber sind empört.

Von Vivien Timmler, Berlin

Mit den Erwartungen ist das so eine Sache. Wenn sie viel Zeit haben, zu wachsen, sich zu entwickeln, sich gar aufzubauschen, dann geht damit immer auch eine Gefahr einher. Die, dass am Ende doch alles anders kommt. Genau so ist es nun mit den Erwartungen der deutschen Netzanbieter an die Bundesnetzagentur und ihren Bericht zum Doppelausbau von Glasfasernetzen passiert.

Die Konkurrenten der Deutschen Telekom sind überzeugt, dass der Ex-Monopolist beim Glasfaser-Ausbau seine Marktmacht ausnutzt. Dass er gezielt dort Kabel verlegt oder es ankündigt, wo Wettbewerber das eigentlich planen oder es schon getan haben, die Netze der Konkurrenz also "strategisch überbaut", wie es heißt - und so deren Geschäft torpediert. Die Bundesnetzagentur hat das nun monatelang untersucht und Fälle gesammelt, in denen es genau so gewesen sein soll. Mit dem vorläufigen Ergebnis, dass "eine fundierte wettbewerbliche Bewertung" bislang "nicht möglich" sei. "Es besteht weiterhin ein hoher Informationsbedarf", sagt der Chef der Behörde, Klaus Müller.

Der am Donnerstag veröffentlichte Zwischenbericht umfasst 427 Fälle, in denen es zu einem Überbau (auch Doppelausbau genannt) gekommen sein soll. Etwa die Hälfte der Fälle sei von der Telekom eingereicht worden, die andere Hälfte von deren Wettbewerbern. Es habe sich gezeigt, dass die Telekom "häufiger kurzfristig auf den Vertriebsstart eines zuerst aktiven Wettbewerbers reagiert oder nur lukrative Kerngebiete erschließt", heißt es seitens der Bundesnetzagentur. Gleichzeitig betont die Behörde, dass sich die Angaben nicht verifizieren ließen - und keine Rückschlüsse auf die Motive und Strategien der beteiligten Unternehmen zuließen. Sprich: Es gibt nun einen Bericht, aber der heißt eigentlich noch gar nichts.

Gegensätzliche Interpretationen

Dementsprechend verärgert sind die Verbände, die die Konkurrenten der Telekom vertreten und seit Wochen auf die Veröffentlichung des Papiers drängen. "Die Bundesnetzagentur stellt der Telekom ein verheerendes Zeugnis aus", erklären der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) und der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) in einer gemeinsamen Stellungnahme. "Statt aus den ihr vorliegenden Fakten aber die richtigen Schlüsse zu ziehen, übt sich die Behörde - wie offenbar von der Bundesregierung gewünscht - in Zurückhaltung und spielt weiter auf Zeit." Die Verbände werfen dem Bundesdigitalministerium (BMDV) und der Bundesnetzagentur vor, die Interessen der Telekom zu schützen, an der der Bund mit etwa 30 Prozent beteiligt ist.

Sie sind auch deswegen empört, weil sie das Gefühl nicht loswerden, dass der Telekom seitens des BMDV ermöglicht wurde, den Bericht noch einmal im eigenen Sinne zu optimieren. Die Bundesnetzagentur hatte bereits Ende Januar einen ersten Entwurf des Zwischenberichts an das BMDV versandt. Dieser umfasste damals etwa 300 Fälle. Doch anstatt dass das Ministerium diesen veröffentlichte, häuften sich plötzlich neue Telekom-Meldungen auf dem Portal der Bundesnetzagentur, mehr als 100 gingen binnen zweier Monate ein. Nun halten sich Telekom-Meldungen und Netzbetreiber-Meldungen in etwa die Waage. Die Konkurrenten werfen dem Ministerium vor, der Telekom "eine Nachspielzeit" verschafft zu haben, um das Ergebnis im eigenen Interesse zu frisieren.

Die Telekom interpretiert den Bericht der Behörde gänzlich anders. "Die Überbau-Vorwürfe brechen ein wie ein Kartenhaus", sagte ein Sprecher am Donnerstag. "Erstens sind die Fallzahlen angesichts von 11 000 Kommunen in Deutschland niedrig, zweitens wird in der Hälfte der Fälle die Telekom überbaut." Sie sieht sich durch den Zwischenbericht der Bundesnetzagentur entlastet.

"Eine Farce"

Die Behörde will nun in einem nächsten Schritt "nähere Auskünfte" über die Ausbau- und Planungsaktivitäten der Telekom einholen. Genau diese vertiefende Analyse war eigentlich schon für Ende 2023 angekündigt. Ein Durchgreifen des Staates, etwa in Form einer Verpflichtung, die eigenen Ausbaupläne mit einem angemessenen Vorlauf offenzulegen, bleibt dem Konzern jedenfalls erst einmal erspart. Eine solche Berichtspflicht fordern die Telekom-Konkurrenten seit Langem. Sie bezeichnen das Verhalten der Bundesregierung als "eine Farce". Sie werfen ihr vor, durch die Unterlassung weiterer Maßnahmen den Glasfaser-Ausbau in Deutschland aufs Spiel zu setzen.

Tatsächlich gilt der Doppelausbau als durchaus problematisch für das gesamte Glasfaser-System, nicht nur für die "überbauten" Unternehmen. Das liegt einerseits daran, dass die Kapazitäten der Bauindustrie äußerst knapp sind, aus Sicht aller Marktteilnehmer und auch der Bundesregierung vorrangig also dort gebaut werden sollte, wo noch keine Kabel liegen. Des Weiteren verlegt die Telekom häufig nur im lukrativen Ortskern - im Gegensatz zu den Konkurrenten, die in den meisten Fällen auch ländlichere Gegenden erschließen wollen. Das wiederum lohnt sich nur, wenn die vergleichsweise geringen Kosten pro Anschluss in enger bebauten Ortskernen mit einer großen Anzahl potenzieller Kunden die Kosten für die Anbindung entlegenerer Ortsteile ausgleichen. Und ist notwendig, damit die Bundesregierung ihr Ziel, bis 2030 alle Haushalte in Deutschland mit Glasfaser auszustatten, erreichen kann.

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