Geldwäsche:Mit vereinten Kräften gegen Geldwäsche

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Bis zu 3000 Euro vom Arbeitgeber empfiehlt die Regierung als Inflationsprämie. Viele Menschen könnten das Geld gut gebrauchen. (Foto: Michael Bihlmayer/Imago)

Seit Jahren gilt Deutschland als Paradies für schmutziges Geld. Nach Plänen von Finanzminister Lindner soll nun eine neue Zentralbehörde den Kampf aufnehmen. Derweil droht Deutschland eine schlechte Note auf dem Gebiet der Geldwäsche-Abwehr.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Wie wichtig der FDP der Kampf gegen Geldwäsche ist, kann man rückblickend ihrem Parteiprogramm zur Bundestagswahl 2021 entnehmen: Die Begriffe Geldwäsche und Finanzkriminalität tauchen in dem Text gar nicht auf. Doch nun verspricht Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), er wolle das schmutzige Geld jagen. "Wir müssen der Spur des Geldes konsequent folgen, anstatt uns mit der Aufdeckung einer Straftat, die mit Geldwäsche in Zusammenhang steht, zufriedenzugeben", sagte Lindner dem Spiegel. Dazu will er eine neue Bundesoberbehörde ins Leben rufen, die die zersplitterten Kompetenzen bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität an zentraler Stelle bündelt.

Groben Schätzungen zufolge waschen Verbrecher hierzulande jährlich rund 100 Milliarden Euro ihrer schmutzigen Umsätze aus Prostitution, Drogen- und Waffenhandel. Darüber hinaus entgehen der Staatskasse jedes Jahr 14 Milliarden Euro durch illegale Umsatzsteuerkarusselle. Der kumulierte Schaden liegt im Billionenbereich. Die Summe entspricht in etwa der deutschen Staatsverschuldung. Führende italienische Anti-Mafia-Staatsanwälte warnen die hiesigen Politiker und Behörden schon seit einem Jahrzehnt, dass die organisierte Kriminalität Deutschland als Geldwäschezentrum nutze, etwa durch den Kauf von Firmen und Immobilien.

Nun schlägt Lindner einen "Paradigmenwechsel" vor. Den Grund für seinen Eifer darf man auch im aktuellen Deutschland-Bericht des internationalen Anti-Geldwäsche-Gremiums Financial Action Task Force (FATF) verorten. Der Bericht wird am Donnerstag vorgelegt. Darin dürfte es massive Kritik an der hiesigen Geldwäschebekämpfung hageln. Bereits im Jahr 2010 kam die FATF in ihrem ersten Deutschland-Bericht zu einem vernichtenden Ergebnis. Die FATF macht Vorgaben, wie die Bekämpfung der Finanzkriminalität verbessert werden soll.

Tausende Verdachtsmeldungen verschwinden in einem schwarzen Loch

Lindners Ministerium schlägt in einem Eckpunktepapier vor, die Arbeit der sogenannten Financial Intelligence Unit (FIU) zu verbessern. Bei dieser Behörde müssen sich Banken und Vertreter aus dem Nichtfinanzsektor wie etwa Immobilienmakler melden, wenn ihnen eine Überweisung oder Barzahlung verdächtig vorkommt. Ob die Immobilienmakler, Notare, Juweliere und Autohändler ihrer Meldepflicht aber überhaupt nachkommen, dafür sind Behörden der Bundesländer zuständig. Doch diese Behörden sind unterbesetzt. Im Schnitt muss ein Verpflichteter alle 200 Jahre mit einer Kontrolle rechnen, so der Bundesrechnungshof in einem von der Bundesregierung geheim gehaltenen Bericht von 2020. Auch steht die FIU seit Jahren in der Kritik: Der Umstand, dass dort Tausende von Verdachtsmeldungen ohne weitere Verfolgung einfach verschwinden, war sogar schon Gegenstand von Satire. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat zudem ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Der Bundesrechnungshof kam in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass die FIU, "die in sie gesetzten Erwartungen nur unzureichend erfüllen" könne.

"Die Vorschläge von Christian Lindner gehen in die richtige Richtung, bleiben aber an wichtigen Stellen vage oder springen zu kurz", sagt Konrad Duffy, Referent Finanzkriminalität bei dem Thinktank Finanzwende: Eine stärker zentralisierte Geldwäscheaufsicht sei angesichts des bisherigen Durcheinanders und unklarer Zuständigkeiten auf Länderebene ein großer Fortschritt. "Hier gilt es allerdings, nicht auf halber Strecke stehen zu bleiben und wirklich für eine komplette Zentralisierung zu sorgen."

Eine Behörde nach italienischem Vorbild

Experten wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei im Zoll, Frank Buckenhofer, fordern schon lange den Aufbau einer Finanzpolizei nach italienischem Vorbild. Diese Behörde ist schon ohne einen strafprozessualen Anfangsverdacht in der Lage, verdächtige Vermögen aufzuspüren und im Zweifel auch einzuziehen. Ob es so kommt? Bundesfinanzminister Lindner will an diesem Mittwoch die Details zu seinen Vorschlägen präsentieren.

"Die Idee, Kompetenzen zur Geldwäschebekämpfung zu konzentrieren, ist richtig. Das war es aber bei der FIU auch. Nur die Ausgestaltung war und ist katastrophal", meint Thomas Seidel, Geldwäscheexperte und Gründer von Antifinancialcrime.org. Ein Paradigmenwechsel werde es erst, wenn den beteiligten Stellen die notwendigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen an die Hand gegeben würden. "Sonst bleibt es einfach eine weitere administrative Behörde ohne echten Mehrwert in der Sache", so Seidel.

"Wir sind sehr gespannt auf die genaue Ausgestaltung der Strukturen, denn die Probleme mit der 2017 neu aufgestellten FIU zeigen, dass diese institutionellen Fragen umfassend durchdacht sein müssen", sagt auch Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency International Deutschland. Bisher sei die Sicherheitsarchitektur des Bundes und der Länder viel zu zersplittert, um schlagkräftig gegen internationale Akteure vorzugehen. "Die neue Behörde muss unter anderem über die nötigen Befugnisse verfügen, um verdächtiges Vermögen, dessen Herkunft verschleiert wird, konfiszieren zu können", so Mertens. Für den früheren Geldwäschebeauftragten der Deutschen Bank und der britischen Bank HSBC, Ulrich Göres, besteht die Herausforderung nun darin, die Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Bundesbehörden wie dem Bundeskriminalamt und dem Zoll effizient zu regeln.

Die neue Bundesbehörde soll die Kernkompetenzen für die Bekämpfung von Finanzkriminalität und Durchsetzung von Sanktionen unter einem Dach bündeln. Darunter vorgesehen sind ein neues Bundesfinanzkriminalamt, die FIU und eine noch zu gründende Zentralstelle für die Überwachung des Nichtfinanzsektors. Die Details sind offen. Manche Ermittler befürchten hernach ein Zuständigkeitswirrwarr. Motto: Für jede Straftat eine Bundesbehörde.

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