Die Mitarbeiter von SNCF können demonstrieren und streiken, so viel sie wollen. Emmanuel Macron hat die grundlegende Reform der französischen Staatsbahn, an der vor ihm andere Präsidenten gescheitert waren, einfach durchgezogen. Und das so kompromisslos und schnell, dass Frankreichs Medien gar das unschöne deutsche Wort vom "Blitzkrieg" bemühen. Am Donnerstag wurde die Reform kaum vier Monate nach ihrer Ankündigung vom Parlament verabschiedet. Die kampferprobten Bahn-Gewerkschaften halten ihren Streikaufruf zwar aufrecht, doch sie haben die Machtprobe mit Macron verloren.
Der Präsident zieht schon weiter - auf die nächsten konfliktträchtigen Felder, auf denen er seinen wirtschaftspolitischen Veränderungseifer ausleben kann: Am Mittwoch leitete Macrons Regierung den Verkauf von Staatsbeteiligungen ein; der Präsident selbst skizzierte eine Modernisierung des französischen Sozialsystems, das er als "ineffizient" kritisiert. Nichts hasst Macron mehr als Ineffizienz.
"Wir stecken irre viel Kohle in Sozialleistungen", sagt der Staatschef flapsig in einem Onlinevideo. "Aber die Leute bleiben trotzdem arm, kommen da nicht raus." Dabei schwingt noch eine Botschaft mit: Der "Präsident der Reichen", wie seine Kritiker von links und ganz rechts ihn schmähen, hält unbeirrbar fest an seinem moderat-liberalen Kurs, der Frankreich auf etwas weniger Staat und etwas mehr Markt ausrichtet. Nach der Reform ist vor der Reform. Widerstand zwecklos.
Das erste Amtsjahr des jungen Präsidenten war geprägt von der umstrittenen Lockerung des Arbeitsrechts und von Steuererleichterungen besonders für Vermögende. Doch den Status als wahrhaftiger Großreformer, der aller Welt die oft bezweifelte Modernisierungsfähigkeit seines Landes beweist, soll ihm jetzt der symbolstarke Sieg gegen die Bahn-Gewerkschaften verschaffen. Denn die zählen zu den mächtigsten Interessengruppen Frankreichs. Dass es ihnen in diesem Konflikt nicht gelang, die Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen, dürfte Macron als Ermutigung zu weiteren Reformen ansehen.
Der beamtenähnliche Status der Bahner soll abgeschafft werden
Ohne Mühe setzte seine Regierung den Plan durch, der SNCF wettbewerbsfähiger machen soll: Nach Vorbild der deutschen Bahnreform in den Neunzigern nimmt der Staat dem Unternehmen einerseits einen Großteil der Schulden ab - sage und schreibe 35 Milliarden Euro. Zugleich verspricht die Regierung eine Erhöhung der Investitionen, besonders in den maroden Nahverkehr. Erst am Mittwoch legte eine Riesenpanne wieder einmal den Betrieb in einem Pariser Bahnhof lahm. Auf der anderen Seite verordnet Macron die Umwandlung von SNCF in eine staatlich beherrschte Kapitalgesellschaft. Außerdem erhalten neu eingestellte Mitarbeiter von 2020 an nicht mehr den beamtenähnlichen Bahner-Status, der etwa eine Vorzugsrente beinhaltet.
Und vor allem: Frankreich beugt sich nach langer Verzögerungstaktik dem europarechtlichen Zwang, seinen Schienenmarkt für SNCF-Wettbewerber zu öffnen. Zwar wird sich die Liberalisierung in manchen Regionen bis ins Jahr 2033 hinziehen. In anderen Gegenden, wie der Grenzregion zu Deutschland und der Côte d'Azur, soll der Wettbewerb schon 2020 starten. Das schafft Chancen für SNCF-Rivalen - etwa für die Deutsche Bahn und deren Auslandstochter Arriva.