G-7-Gipfel in Kanada:Die Anti-Trumps

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Politische Männerliebe: Justin Trudeau (links) begrüßt Emmanuel Macron in Ottawa. (Foto: Justin Tang/AP)

Emmanuel Macron und Justin Trudeau treten demonstrativ als dynamische Weltverbesserer auf. Doch wird das den Gipfel retten?

Von Stefan Kornelius und Nadia Pantel

Justin Trudeau, der kanadische Premierminister, mag der Liebling der Liberalen und der Fotografen in aller Welt sein. Zu Hause aber ist ihm nach drei Regierungsjahren die Glückssträhne abhandengekommen. Nach einer missglückten Indienreise in seltsamen Kostümen inklusive eines Mini-Skandals und einer deftigen innerkanadischen Auseinandersetzung um Öl und Umweltschutz muss der Premier ohnmächtig mit ansehen, wie der große Nachbar USA gerade Wohlstand und Liberalität in Kanada mithilfe von Sanktionen und fiesen Worten ins Wanken bringt.

Der G-7-Gipfel kommt für Trudeau zur Unzeit, obwohl er das progressive Kanada im besten Licht präsentieren wollte. Die Zeiten sind aber nicht nach Progressivität, weshalb der Gipfelort La Malbaie zum Schauplatz eines hässlichen Spektakels zu werden verspricht. Klar ist, dass Trudeau am Ende nicht mehr als strahlender Gastgeber auftreten kann. Noch ehe die Hubschrauber die Gipfelteilnehmer in die Hotelburg am Sankt-Lorenz-Strom gebracht hatten, war nämlich die Frage aller Fragen bereits gestellt und auch gleich beantwortet: Wie relevant ist dieser G-7-Club überhaupt noch?

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US-Präsident Donald Trump hat es übernommen, dem einst trauten Bündnis der westlichen Wirtschaftsmächte seine Geringschätzung mitzuteilen: Erstens sollte Russland wieder aufgenommen werden - ein klarer Affront gegen die seit Jahren etablierte Russland-Linie der G 7, die eng mit der Ukraine-Sanktionspolitik und der Missachtung des Minsk-Friedensabkommens durch Moskau verknüpft ist. Zweitens kein Firlefanz - also weg mit Trudeaus Lieblingsthemen Umwelt, Klima, Plastik und Frauenrechten. An einem Kommuniqué, so hieß es aus dem Weißen Haus, sei man nicht interessiert. Und drittens droht der offene Handelskrieg.

Wie viel von G 7 übrig geblieben ist, dokumentierte umgehend der neue italienische Premier Giuseppe Conte, ein bekennender Putin-Fan: Natürlich müsse Russland wieder aufgenommen werden, sekundierte er.

Trudeau hatte diese Konfrontation kommen sehen und sich seit Tagen bereits in Stellung gebracht - mit Hilfe eines Politikers, der ihm habituell und auch inhaltlich besonders nahesteht: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch umgekehrt fügt sich diese Allianz prima: Für Macron ist Trudeau in der Gipfelkonstellation der naheliegende Freund. Beide Männer treten als dynamische Weltverbesserer auf, setzten sich offensiv für Frauenrechte ein und gegen die Ausgrenzung von Minderheiten. Als Macron und Trudeau sich vor einem Jahr das erste Mal begegneten, auf dem G-7-Gipfel auf Sizilien, meldete CNN sofort eine neue politische "Bromance", eine Männerliebe also.

Dass Macron sich in der Folge lieber mit Trump als mit Trudeau fotografieren ließ, belegt in erster Linie seinen Machtinstinkt: Nirgendwo hätte es mehr außenpolitischen Ruhm gegeben, als wenn ihm die Zähmung des Polit-Vandalen Trump gelungen wäre. Diese Ambition musste Macron nun aufgeben. Nach einem Jahr Männerfreundschaft mit Donald Trump dürfte Frankreichs Präsident zwei Dinge gelernt haben. Erstens: Alles, was knallt und glitzert - wie die Militärparade auf den Champs-Élysées- gefällt dem US-Präsidenten ausgezeichnet. Daraus ergibt sich jedoch zweitens: nichts.

Macron und Trump hatten beim Besuch des Franzosen in Washington im April so ausdauernd aneinander herumgeklopft und -gewischt, dass Körpersprache-Experten als politische Analysten gefragt waren. Was damals aber schon zu vermuten war, ist nun offiziell: Es ist egal, wie lange die beiden Präsidenten einander umarmt haben. Wenn Trump "America first" sagt, dann meint er "America first".

Macron reiste bereits am Donnerstag nach Kanada. Er nutzte seinen Antrittsbesuch bei Trudeau, um Trumps Handelspolitik in klaren Worten anzugreifen. "Unter befreundeten und verbündeten Ländern ist es unangemessen, Strafzölle mit Fragen nationaler Sicherheit zu begründen", sagte er. Und: "Isolationismus ist schlecht für das amerikanische Volk. Ich denke, dass Präsident Trump das weiß." Wohl wissend, dass Trump vom Gegenteil überzeugt ist und die USA aus Handelsverträgen lösen möchte, schob Macron an die Adresse des Präsidenten in Washington hinterher: "Kein Herrscher ist ewig."

Der Amerikaner jammert auf Twitter über unfaire Behandlung durch die Europäer

Das ist natürlich eine besonders forsche Ansage. Staatspräsidenten wünschen sich in der Regel nicht gegenseitig aus dem Amt. Spätestens mit dem Zitat aber war klar, Macron hat seine Strategie gegenüber Trump grundlegend geändert: schubsen statt umarmen. In Washington wird von einem Telefonat der Präsidenten erzählt, das völlig aus dem Ruder gelaufen sei - Trump war offenbar zutiefst erstaunt, mit welcher Brutalität er von Macron angegangen wurde. So etwas gibt es im Weißen Haus nämlich nicht. Der Rest der verblassten Romanze wird auf Twitter nachzulesen sein: "Die Europäische Union behandelt uns sehr unfair", jammerte der Amerikaner. Macron und Trudeau keilten zurück: "Lachhaft" seien die Zölle.

"Unsere 6 Länder stehen für Werte." Eine, die sich an den Scharmützeln nicht beteiligt hat, verweigerte auch nach der Landung in Kanada jeden Kommentar: Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hat dem Parlament mitgeteilt, was es zu sagen gibt: Wenn man kein Kommuniqué erarbeite in Kanada, dann werde man auch keines verabschieden. Merkel, die noch an die Bedeutung von Gipfelpapieren glaubt, ließ in den Worten der alten Diplomatie wissen, man werde nicht "hinter die Sprache von Taormina" zurückfallen. Übersetzung: Taormina war der letzte Gipfelort, und dort wurden Formulierungen zu den Themen Umwelt oder Handel gefunden, die man nun so stehen lasse.

In Kanada wollten sich die "Sherpas", die solche Gipfel vorbereiten, in der Nacht auf Samstag noch einmal über das Gipfeldokument beugen in der Hoffnung auf einen Konsens. Möglicherweise hatten sie nicht bemerkt, dass die Botschaft schon längst geschrieben war.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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