Frankfurt und New York begraben Börsenfusion:Verspekuliert

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Die Fusion der Deutschen Börse mit der New Yorker Nyse Euronext schien unausweichlich. Die beiden Konzerne müssten sich zusammenschließen, sonst stehe ihr Überleben auf dem Spiel, hieß es aus den Chefetagen. Nun ist das neun Milliarden Dollar schwere Geschäft geplatzt und die Enttäuschung auf beiden Seiten ist groß - von einem drohenden Kollaps aber will niemand mehr etwas wissen.

Markus Zydra

Den wahren Wert einer geplanten Fusion erkennt man erst, wenn das Geschäft in letzter Sekunde doch noch platzt. Wie war das noch? Die Deutsche Börse und die New Yorker Nyse Euronext wollten nicht nur - nein - sie mussten nach eigenem Bekunden fusionieren. Das Überleben der beiden Konzerne hinge davon ab, so durfte man die großen Worte der beiden Chefs vor einem Jahr interpretieren, als der Zusammenschluss präsentiert wurde.

Die geplatzte Börsenfusion sorgt in Frankfurt und New York für Enttäuschung, von einem drohenden Kollaps kann dagegen keine Rede sein. (Foto: Bloomberg)

Das neun Milliarden Dollar schwere Geschäft hätte die größte Börse der Welt hervorgebracht. Die Achse Frankfurt - Wall Street als Bollwerk gegen die asiatische Konkurrenz, so war das gedacht. Alle hätten profitieren sollen, die Mitarbeiter, die Kunden, der Standort Frankfurt. Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionäre waren sicher: Klar, es muss sein.

Doch am Mittwoch sagte die EU-Kommission als zuständige Kartellbehörde: Es darf nicht sein. Und nun? Droht der Deutschen Börse oder dem New Yorker Konkurrenten nach dem Verbot der betriebswirtschaftliche Kollaps?

Die beiden Vorstandschefs Reto Francioni und Duncan Niederauer - denen die transatlantische Ehe doch so am Herzen lag - mögen enttäuscht sein, aber ihre Reaktion strotzt vor Trotz und Kraft: Fusion vom Tisch? Macht nichts, wir schaffen das auch alleine sehr gut.

Ach so, denkt man da, und warum dann überhaupt der ganze Aufwand der letzten Monate mit Vorbereitung, Lobbyarbeit und Werbekampagnen? Waren die Egos zweier Manager wieder mal größer als der zu erwartende Ertrag? Man erinnert sich an Daimler-Chrysler, eine transatlantische Traumhochzeit, die in einer teuren Scheidung endete. Das zumindest bleibt der Deutschen Börse nun erspart.

Dafür sind andere Kosten angefallen, denn schon in der Planung sind Fusionen ein teures Geschäft. Anwälte, Investmentbanker und Marketingexperten fordern hohe Honorare. Es geht ja um etwas. Die Deutsche Börse hat in der Vorbereitungsphase dafür immerhin rund 80 Millionen Euro ausgegeben.

Einerseits ist diese Summe für einen Milliardenkonzern überschaubar. Andererseits hat Konzernchef Francioni seine Mitarbeiter seit 2010 förmlich ausgequetscht, um 150 Millionen Euro an Kosten zu sparen - ein Großteil davon wurde nun nutzlos verbraucht. Allein an diesem Umstand lässt sich ablesen, dass die Fusionspläne bei der Belegschaft ungeliebt waren, und ohne die Zustimmung der Mitarbeiter kann ein Firmenzusammenschluss ohnehin nicht aufgehen.

Aber auch die hessische Landesregierung hatte große Vorbehalte. Das Wirtschaftsministerium hätte das Recht gehabt, diese Fusion der Deutschen Börse zu untersagen. Die Frankfurter Wertpapierbörse gilt als schützenswertes öffentliches Gut, und Hessens Politiker befürchteten wohl zu Recht, dass New York künftig das Sagen gehabt hätte, zum Schaden des Finanzplatzes Frankfurt.

Selbst wenn die EU-Kommission ihren Segen gegeben hätte, es wäre dann den hessischen Regionalpolitikern vorbehalten geblieben, die unter schlechtem Stern stehende Fusion zu verbieten.

Die Deutsche Börse hat den Gegenwind unterschätzt. Die Kritik der Landespolitiker war seit Spätsommer 2011 bekannt. Der Konzern jedoch nahm sie nicht ernst genug. Die Bedenken der EU-Kommission lagen seit Herbst 2011 auf dem Vorstandstisch.

Die neue Großbörse hätte auf dem europäischen Derivate-Markt eine Marktkontrolle von 90 Prozent gehabt. Das ist der Grund für die Ablehnung des Geschäfts in Brüssel. Die Argumentationsstrategie der Deutschen Börse, diesen Marktanteil durch Berücksichtigung außerbörslicher Geschäfte kleinzurechnen, ging nicht auf. Damit ist nach 2008 bereits der zweite Fusionsplan zwischen Frankfurt und New York gescheitert. Die Deutsche Börse sollte ihre Lust auf Größe künftig zügeln.

© SZ vom 02.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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