Die Europäische Zentralbank belässt die Leitzinsen zum dritten Mal in Folge unverändert. "Es ist noch zu früh, um über Zinssenkungen zu sprechen", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag nach der Entscheidung des Notenbankrats. Damit bleibt der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bei 4,5 Prozent. Der sogenannte Einlagensatz, mit dem die Notenbank Überschussgelder der Geschäftsbanken verzinst, notiert weiterhin bei vier Prozent - das ist der höchste Stand in der Geschichte der Währungsunion.
Die EZB hatte im Kampf gegen die hohe Inflation seit Sommer 2022 zehnmal in Serie die Zinsen angehoben, zuletzt geschah dies im September. Mit einer ersten Zinssenkung wird frühestens im Juni gerechnet.
Dabei steigen die Preise schon lange nicht mehr so stark wie 2022, als die Inflation zeitweise über zehn Prozent notierte. Im Dezember 2023 lag die Rate bei 2,9 Prozent - nach 2,4 Prozent im November. Die Notenbank strebt mittelfristig eine Inflationsrate von exakt zwei Prozent an. "Die Inflation fällt zurzeit vor allem deshalb, weil der Kostenschub bei Energie und Nahrungsmitteln und die Materialengpässe abebben. Aber solange die Löhne so stark steigen wie zuletzt, ist das Inflationsproblem noch nicht gelöst", sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank.
Gleichzeitig entfalten die hohen Leitzinsen inzwischen Wirkung. Banken vergeben weniger Kredite, Firmen und Konsumenten scheuen die hohen Zinskosten. Die Immobilienmärkte haben sich abgekühlt. Deutschland leidet am stärksten. "Die deutsche Wirtschaft steckt in der Rezession fest", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Donnerstag. Auch die Euro-Zone verzeichnet rückläufiges Wachstum, doch die Arbeitsmärkte sind davon unbeeindruckt. Die Arbeitslosenrate liegt mit 6,4 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit Bestehen der Euro-Zone. Das ist angesichts des starken Zinsanstiegs ungewöhnlich.
Einige Ökonomen nennen als einen möglichen Grund das "Horten von Arbeitskräften": Firmen zögern mit Entlassungen, weil sie einen späteren Personalengpass befürchten. In diesem Umfeld können Gewerkschaften zum Teil kräftige Lohnerhöhungen durchsetzen. Doch die Produktivität hält nicht Schritt, und Firmen geben höhere Lohnkosten an die Konsumenten weiter. Beides erhöht die Gefahr einer zweiten Inflationswelle. Die EZB möchte daher die weitere Lohnentwicklung abwarten, bevor sie die Zinsen verändert.
Abgeordnete kritisieren, dass die Banken zu sehr profitieren
Die hohen Leitzinsen der EZB beschäftigen inzwischen auch Abgeordnete des Europäischen Parlaments. In einem offenen Brief an die EZB, der am Donnerstag bekannt wurde, kritisieren 13 Unterzeichner, dass die Banken in der Euro-Zone zu stark von den hohen Leitzinsen profitieren würden. Die Notenbank müsse darauf reagieren, sonst riskiere sie die Akzeptanz der Bevölkerung.
Durch den Einlagenzins von derzeit vier Prozent streichen die Banken risikofreie Gewinne in Höhe von 140 Milliarden Euro ein, heißt es in dem Schreiben weiter. Unternehmen und Kunden der Banken bekämen indes oftmals deutlich weniger Zinsen, beispielsweise auf ihr Tages- oder Festgeldkonto. "Daher profitieren Privathaushalte nicht von den hohen Zinssätzen der EZB, während sie trotzdem die Kosten der höheren Kreditzinsen und Hypotheken tragen müssen", heißt es in dem Brief.
Die Experten sprechen sich dafür aus, die sogenannte Mindestreserve für Banken im Euro-Raum zu erhöhen. Die Geldhäuser sind verpflichtet, einen bestimmten Betrag der Kundeneinlagen auf ihrem Girokonto bei der Notenbank zu halten - sie erhalten dafür keine Zinsen. Käme es zu einer Anhebung der Mindestreservepflicht, müssten Banken einen größeren Teil ihrer Zentralbankguthaben von dem verzinsten Konto auf das unverzinste "Girokonto" umschichten.