Geldpolitik:Draghi kommt zu spät

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Mario Draghi, Präsident der europäischen Zentralbank. (Foto: AFP)

Die Europäische Zentralbank hat richtig gehandelt, als sie in der Krise die Wirtschaft gestützt hat. Jetzt reduziert sie ihr Programm - zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Von Nikolaus Piper

Die abgelaufene Woche war für den Euro, ebenso wie für die Europäische Zentralbank, von historischer Bedeutung. Erstens hat der Europäische Gerichtshof am Dienstag die Praxis der EZB für rechtens erklärt, in großem Stil Staatsanleihen zu kaufen, um dadurch Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Die Notenbank bleibt dank des Spruchs des EuGH also voll handlungsfähig. Am Donnerstag hat, zweitens, der EZB-Rat beschlossen, das Anleihenprogramm - genannt "Quantitative Easing" - am Jahreswechsel zu beenden. Es ist zwar nur ein kleiner Schritt zurück zur Normalität in der Geldpolitik, denn die EZB will fällig werdende Anleihen in ihrer Bilanz weiterhin durch neue ersetzen, der Bestand von 2,6 Billionen Euro wird sich daher zunächst einmal nicht verändern. Aber er wird auch nicht weiter steigen. Das ist ein erster Schritt, immerhin.

Das Anleihenprogramm war und ist heftig umstritten, besonders in Deutschland. Die Deutsche Bundesbank lehnt es ab, es stärkte außerdem die Populisten von der AfD, weil die Anleihenkäufe zu noch niedrigeren Zinsen führten und dies viele Sparer in ihrem Gefühl bestärkte, sie würden von der Politik enteignet. Deshalb ist es wichtig, am Ende dieser Woche festzustellen: Mario Draghi hatte recht. Quantative Easing war ein Erfolg, in der Euro-Zone ebenso wie in den Vereinigten Staaten, wo die Federal Reserve ein paar Jahre davor mit dem Programm begonnen hatte. Nach der Finanzkrise wurde die Konjunktur stabilisiert, die Notenbanken trugen ihren Teil dazu bei, dass die USA und Europa einen der längsten Aufschwünge der Nachkriegszeit erlebten.

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Die Frage ist: Hat Draghi irgendwann aufgehört, recht zu haben? Hat die EZB, anders ausgerückt, zu lange an dem Programm festgehalten? Und wenn man die Frage mit Ja beantwortet, wofür einiges spricht: Gibt man dafür dann Draghi die Schuld oder den Strukturschwächen der Euro-Zone? Die Antwort kann heute niemand guten Gewissens geben.

Unbestreitbar allerdings ist, dass das Ende des Anleihenprogramms der EZB jetzt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kommt. In den vergangenen Wochen ist die Konjunktur in Deutschland und in Europa schwächer geworden. In den Vereinigten Staaten sind zuletzt die langfristigen Zinsen gesunken, obwohl die Fed die kurzfristigen Zinsen erhöhte. Wer in Amerika heute sein Geld auf zehn Jahre festlegt, verdient kaum mehr, als wenn er dies nur für ein Jahr tut. Das Phänomen, genannt "flache Zinskurve", gilt als Warnsignal vor einer drohenden Konjunkturschwäche. Es gibt hohe politische Risiken, die schlimmsten sind die Präsidentschaft Donald Trumps und der schwelende Handelskonflikt zwischen Amerika und China. Sollte es im kommenden Jahr zu einem ausgeprägten Abschwung kommen, hätte die EZB keine scharfen Waffen mehr, um gegenzuhalten. Die Bilanzsumme der EZB entspricht, dank der Anleihekäufe, 40 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Euro-Zone (in den USA sind es 20 Prozent). Mehr ist schwer vorstellbar. Die Einlagezinsen für Banken sind bereits negativ. Sie können nicht viel negativer werden.

Wahrscheinlich wagte die EZB nicht, früher aus Quantitative Easing auszusteigen, vor allem wegen der immer noch angespannten Lage in den Mittelmeerländern der EU. Auf jeden Fall kommen EZB und Euro jetzt in eine Phase erhöhter Unsicherheit.

Eine Illusion wäre es, zu glauben, dass die Zeit der extrem niedrigen Zinsen bald vorbei ist. In den USA könnte die Fed im kommenden Jahr ihre geplanten Zinserhöhungen hinauszögern, in Europa könnte die EZB wegen der schwachen Konjunktur gar nicht mehr dazu kommen, über höhere Zinsen zu entscheiden.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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