Konjunktur:Wo die deutsche Wirtschaft besonders leidet

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Kräne am Hamburger Hafen: Die deutschen Exporte gehen deutlich zurück. (Foto: Axel Heimken/dpa)
  • Die deutsche Wirtschaft schwächelt, das anvisierte, ohnehin schon mickrige Wachstum von 0,5 Prozent ist gefährdet.
  • Das liegt vor allem an deutlich gesunkenen Exporten.
  • Neue Rechnungen des IW zeigen jedoch überraschenderweise: Den größten Ausfall gibt es nicht im Verhältnis zu den USA oder Großbritannien - sondern zu den Niederlanden.

Von Alexander Hagelüken, München

Seitdem die deutsche Wirtschaft im zweiten Vierteljahr von April bis Juli schrumpfte, kommen auch Optimisten ins Grübeln: Wie stark fällt der Abschwung aus? 2018 war die Volkswirtschaft noch um 1,5 Prozent gewachsen. Nun rätselt mancher, ob das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr überhaupt noch um das anvisierte halbe Prozent zunimmt - ohnehin ein flauer Wert.

Schuld an der wirtschaftlichen Schwäche sind die für Deutschland so wichtigen Exporte. Wo es bei den Ausfuhren im Vergleich zu 2018 besonders hapert, zeigen nun Rechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), die der SZ vorliegen. Bei den Ländern, mit denen die Unternehmen ein Problem haben, gibt es Überraschungen.

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Dass die deutsche Wirtschaft plötzlich vor dem Abschwung steht, liegt auch an der aggressiven Handelspolitik des US-Präsidenten. Doch das größte Problem ist hausgemacht.

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Viele Bürger spüren den Abschwung kaum. Der Arbeitsmarkt wirkt stabil, die Konsumenten kaufen ein. Es ist der negative Außenbeitrag, der die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal ins Minus drückte. Die Exporte sanken gegenüber dem Vorquartal deutlich. Ohne diese Störung wäre die Volkswirtschaft sogar um fast einen halben Prozentpunkt gewachsen. Doch die Störung ist manifest: Die Zollattacken der USA auf China, das Risiko eines Brexits ohne Vertrag, Verwerfungen in Italien. Das Weltwirtschaftsklima des Münchner Ifo-Instituts fällt so schlecht aus wie zu schlimmsten Zeiten der Euro-Krise.

Den größten Ausfall gab es bei Exporten in die Niederlande

Nahmen die deutschen Exporte in der ersten Hälfte 2018 noch um vier Prozent zu, stiegen sie in der ersten Jahreshälfte 2019 nur um ein halbes Prozentchen. Wären die Exporte ebenso gewachsen wie im ersten Halbjahr 2018, hätten deutsche Unternehmen Waren im Umfang von 22 Milliarden Euro mehr verkauft - das übersteigt den Jahresumsatz großer Unternehmen wie Henkel, Boehringer Ingelheim oder Bertelsmann. Überraschend dabei: Den größten Ausfall gibt es nicht im Verhältnis zur USA oder Großbritannien - sondern zu den Niederlanden. Die waren 2018 viertwichtigster Exportpartner der Bundesrepublik. Was auch daran liegt, dass viele Ausfuhren für den Weltmarkt über den Hafen Rotterdam laufen, so IW-Forscher Jürgen Matthes. So steht das Minus für die abgeflaute globale Konjunktur: Zusätzliche Produkte für fünf Milliarden Euro hätten deutsche Firmen in die Niederlande verkauft, wenn die Exporte so zugenommen hätten wie in der ersten Hälfte 2018.

Vergleichsweise undramatisch ist der Ausfall von unter einer Milliarde Euro zu Großbritannien. Das liegt daran, dass die Verkäufe auf die Insel wegen des nahenden EU-Austritts bereits vergangenes Jahr schrumpften. Bemerkenswert dagegen, wie stark sich die Politik der populistischen italienischen Regierung auswirkt, die inzwischen auseinanderfiel. Weil Italiens Wirtschaft dieses Jahr stagnieren dürfte, entgehen deutschen Firmen Exporte von gut drei Milliarden Euro, die sie bei einer ähnlichen Entwicklung wie 2018 verbucht hätten.

Darüber hinaus leidet die deutsche Wirtschaft unter der Abschwächung in China, die mit dem von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelsstreit zusammenhängt. Die Exporte nahmen weniger als halb so stark zu. Allerdings wuchsen sie mit vier Prozent immer noch deutlich .

Ein ähnliches Plus gab es gegenüber den USA - und das, nachdem die Exporte hier in der ersten Jahreshälfte 2018 stagniert hatten. Das werden die deutschen Unternehmen als größeren Erfolg werten. Noch läuft die amerikanische Wirtschaft gut. Doch falls Donald Trump wie angedroht deutsche Autos mit Strafzöllen belegt, wird die Bilanz ins Tiefrote rutschen.

*In der Desktopversion der Grafik sind die beiden Werte für Großbritannien unter den jeweiligen Balken vertauscht: Die deutschen Exporte nach Großbritannien gingen 2019 um 4,3 Prozent und 2018 um 2,5 Prozent zurück.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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