Autoindustrie:EU-Staaten einigen sich auf verwässerte Abgas-Regeln

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Auspuff eines VW Golf TDI 2.0: Der Straßenverkehr ist nach wie vor eine der größten Quellen gesundheitsschädlicher Stoffe in der Atemluft. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Wie viele Schadstoffe darf ein Auto ausstoßen? Die Mitgliedstaaten beschließen neue Grenzwerte. Die sind wenig ambitioniert - und die Bundesregierung zeigt sich enttäuscht.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Der Streit um das Ende des Verbrennungsmotors war noch offen, da schwelte in Brüssel schon der nächste Auto-Konflikt. Die Europäische Kommission hatte im Herbst strengere Abgasstandards für Kraftfahrzeuge vorgeschlagen. Schon das war umstritten: Die EU falle vor der Autoindustrie auf die Knie, kritisierten Umweltaktivisten. Die neue Schadstoffnorm gehe viel zu weit, bemängelte dagegen die Autoindustrie. Sie verweist bis heute auf die Schwierigkeit, Milliarden in die Elektromobilität zu investieren und zugleich den Verbrennungsmotor weiter optimieren zu müssen - und auf das nun beschlossene Ende für neu verkaufte Autos, die Benzin und Diesel verbrennen, im Jahr 2035. Da brauche es keine neuen Vorgaben mehr.

Das sah eine Mehrheit der Mitgliedstaaten genauso. Am Montag einigten sich die zuständigen Ressortchefs im Ministerrat auf einen Kompromisstext, der vom Vorschlag der Kommission nicht viel übriglässt. Von härteren Vorgaben für den Schadstoffausstoß von Autos sowie von Bussen und LKW ist keine Rede mehr. Für kleinere Fahrzeuge, also PKW, Vans und Lieferwagen, soll es bei den Vorgaben der Norm Euro 6e bleiben, die bald in Kraft tritt. Für schwere Nutzfahrzeuge und Busse bliebe es nach dem Wunsch der Mitgliedstaaten bei Euro 6. Auch die Testvorschriften sollen für alle Fahrzeugkategorien gleich bleiben. Neu eingeführt werden Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb, die dann auch für Elektroautos gälten.

Die Vertreter der spanischen Ratspräsidentschaft hatten sich zuletzt auf jene acht Länder zubewegt, die schon früh angedeutet hatten, strengere Vorschriften zu blockieren. Zu der Allianz gehörten unter anderem Frankreich, Italien und Tschechien. Ihr Stimmgewicht hätte genügt, um eine qualifizierte Mehrheit im Rat zu verhindern. Die ist erreicht, wenn mindestens 15 von der 27 Mitgliedstaaten zustimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Bevor die Euro-7-Norm Gesetz wird, müssen sich der Rat noch mit Vertretern des EU-Parlaments und der Kommission einigen. Das Parlament ist in der Sache zerstritten, das Gesetz steckt auf Ausschuss-Ebene fest.

Für Deutschland enden die Ratsverhandlungen enttäuschend. Als Vertreter von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stimmte Staatssekretär Sven Giegold gegen den Vorschlag. "Die Testbedingungen und Grenzwerte für alle Fahrzeugklassen sind unambitioniert und quasi wieder auf dem Stand der Euro 6", kritisierte Giegold am Montagmorgen. "Das Ambitionsniveau liegt damit unter dem aktuellen Stand der Technik."

Die Bundesregierung hatte sich erst nach der Sommerpause auf eine gemeinsame Position zu der Verordnung geeinigt: Einerseits wollte sie strengere Vorgaben für Emissionen und Tests, andererseits verlangte sie auf Betreiben des FDP-geführten Verkehrsministeriums, einen Artikel zu E-Fuels aufzunehmen. Dies sollte eine Rechtsgrundlage für PKW schaffen, die ausschließlich mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden.

Die EU hat die Schadstoff-Grenzwerte seit der Einführung von Euro 1 im Jahr 1992 regelmäßig weiter abgesenkt. Nach wie vor ist der Straßenverkehr eine der größten Quellen für giftige Stoffe in der Atemluft, darunter Stickoxide und Feinstaub. Zum Euro-7-Vorschlag hatte die damals zuständige Kommissarin Margrethe Vestager gesagt, es sei inakzeptabel, dass "jährlich allein in der EU mehr als 300 000 vorzeitige Todesfälle der Belastung durch Luftverschmutzung zuzurechnen sind". Im Rat waren am Ende die Sorgen vor einer Überforderung der Autoindustrie größer. Vor 2027 werden die neuen Vorschriften voraussichtlich nicht bindend.

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