Erhöhung der Ökoumlage:Streit um teuren Strom

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In den vergangenen fünf Jahren ist der durchschnittliche Strompreis um ein Viertel gestiegen. Nun droht wegen der Energiewende erneut ein deutlicher Anstieg. Aber wer ist Schuld? Darüber gibt es einen harten Deutungskampf.

Oliver Hollenstein

Wenn am kommenden Montag die Bundesnetzagentur bekanntgibt, wie hoch im kommenden Jahr die Ökostromumlage liegt, wird es einen Aufschrei geben. Von 3,6 Cent auf wohl 5,27 Cent pro Kilowattstunde wird die Umlage für den grünen Strom wohl steigen, erwarten die Experten. Bis zu 90 Euro mehr muss dann ein Vier-Personen-Haushalt im kommenden Jahr für Strom zahlen.

Und auch wenn Umweltminister Peter Altmaier nun eine Reform der Ökostromförderung angekündigt hat, die schon tobende Debatte wird weiter gehen. Die Frage ist: Wer ist schuld an den hohen Strompreisen? Die Energiewende und die Ökoumlage machten Energie unbezahlbar, sagen die einen. Würde es keine Sonderregeln für die Industrie geben, dann wären die Preise viel niedriger, die anderen. Süddeutsche.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema:

Was ist die Ökostrom-Umlage?

Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wird der Ausbau von Windenergie, Photovoltaik und Co. gefördert. Baut ein Investor eine Windenergie-Anlage oder schraubt sich Photovoltaikzellen aufs Dach, erhält er 20 Jahre einen festen Abnahmepreis, der deutlich über dem derzeitigen Marktpreis liegt. Das soll die Investition attraktiver machen. Zahlen sollen diese Subvention alle Verbraucher über eine Umlage in der Stromrechnung: die sogenannte EEG- oder Ökostrom-Umlage. 16,8 Milliarden Euro haben die Verbraucher so im vergangenen Jahr an die Ökostrom-Produzenten gezahlt.

Warum steigt sie?

Je mehr erneuerbare Energie in Deutschland erzeugt wird, desto höher die Umlage. Allein 7500 Megawatt Photovoltaikanlagen wurden im vergangenen Jahr installiert - neuer Rekord. Dank der Energiewende werden auch Windkraftanlagen, Biogas und Co. ausgebaut. Für all diese und alle älteren Anlagen müssen die Verbraucher nun die Differenz zwischen Marktpreis und garantiertem Abnahmepreis zahlen.

Dabei erhöht sich die Umlage paradoxerweise auch, weil die erneuerbaren Energien so erfolgreich sind. Die Einkaufspreise für kurzfristig verfügbaren Strom an der Leipziger Strombörse sind im vergangenen Jahr um bis zu 20 Prozent gefallen. Ein Grund: Zu Spitzenlastzeiten am Mittag drückt der Solarstrom die Preise. Die Folge ist aber, dass die Differenz zwischen Marktpreis und garantiertem Preis steigt - und somit die Ökostrom-Umlage.

Bis Anfang September haben die für die Umlage zuständigen Netzbetreiber 2,6 Milliarden Euro mehr an die Ökostrom-Produzenten ausgezahlt, als durch die Umlage von den Verbrauchern eingenommen. Bis zum Jahresende könnten es vier Milliarden Euro werden. Um das auszugleichen, muss die EEG-Umlage im kommenden Jahr deutlich erhöht werden.

Obwohl die Förderung zuletzt zurückgefahren wurde, dürfte die fortschreitende Energiewende in Zukunft die EEG-Umlage noch weiter steigen lassen: EU-Energiekommentar Günther Oettinger erwartet in den kommenden Jahren einen Anstieg auf sechs oder sieben Cent.

Was bedeutet die Erhöhung konkret für die Stromrechnung?

Eine Beispielrechnung für den momentan erwarteten Anstieg von 3,6 auf 5,27 Cent. Weil das Gesetz vorsieht, dass auf die Erhöhung auch noch Mehrwertsteuer aufgeschlagen wird, wird ein Plus von etwa zwei Cent angenommen.

[] Single-Haushalt, 1700 Kilowattstunden im Jahr: Stromrechnung steigt um 34 Euro, an Ökoumlage werden ohne Mehrwertsteuer insgesamt 90 Euro fällig.

[] Zwei-Personen-Hauhsalt, 2900 Kilowattstunden im Jahr: Stromrechnung steig um 58 Euro, an Ökoumlage werden ohne Mehrwertsteuer insgesamt 153 Euro fällig.

[] Familie mit zwei Kindern, 4500 Kilowattstunden im Jahr: Stromrechnung steigt um 90 Euro, an Ökoumlage werden ohne Mehrwertsteuer insgesamt 237 Euro fällig.

Zahlen alle Stromverbraucher die erhöhte Umlage?

Nein. Industrieunternehmen mit besonders energieintensiver Produktion sind von der Umlage befreit und genießen weitere Vergünstigungen. Der Grund, den die Politiker dafür nennen: Die ohnehin schon hohen Energiekosten von zehn Cent pro Kilowattstunde für Industrieunternehmen sollen nicht die Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Die Strompreise seien schon heute doppelt so hoch wie in den USA, schreibt etwa der VIK, der Interessenverband der energieintensiven Industrien in Deutschland.

Kritiker wie Umweltverbände, Grüne und Verbraucherschützer bemängeln aber, dass die nicht gezahlte Umlage der Industrie die restlichen Verbraucher übernehmen müssen. Eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Grünen kommt zu dem Schluss, dass die Umlage ohne die Industrieprivilegien derzeit nur bei 2,7 Cent statt bei 3,6 Cent liegen würde. 3,6 Milliarden Euro betrage die Entlastung für die Unternehmen derzeit im Jahr, nach der Erhöhung könnte sie auf 5,3 Milliarden steigen. Im kommenden Jahr würden die Verbraucher dann 1,6 Cent der Umlage nur zahlen, weil es die Vergünstigungen gibt - also fast so viel, wie die jetzt diskutierte Erhöhung.

Ist die Ökostrom-Umlage der einzige Grund für die steigenden Preise der vergangenen Jahre?

Nein. Nach Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist der Strompreis eines Durchschnittshaushalts seit dem Jahr 2000 von 13,94 Cent auf 25,74 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Allerdings ist weniger als ein Drittel dieses Anstiegs mit der Ökostrom-Umlage zu erklären.

Wie schon an der EEG-Umlage klar wird, ist der Strompreis politisch beeinflusst. Um sich die Entwicklung zu verdeutlichen, muss man genauer betrachten, aus welchen Komponenten sich der Preis zusammensetzt. Zurzeit sind das Stromerzeugung (macht rund 35 Prozent des Strompreises aus), Stromtransport (rund 20 Prozent) sowie Steuern und Abgaben (rund 45 Prozent).

Wie haben sich die Preise für die Stromerzeugung entwickelt?

Die Preise an der Leipziger Strombörse sind gesunken, trotzdem steigen die Preise für die Stromerzeugung bei den Verbrauchern. Kritiker werfen den Stromkonzernen daher Abzocke vor. Energieberater Gunnar Harms hat für die Grünen ausgerechnet, dass der Verbraucherpreis zwei Cent niedriger liegen könnte. Während bei Industriekunden die Preise sänken, würden die Versorger die Preise für die Energiewende den Privatverbrauchern aufhalsen. Der Verband der Energiewirtschaft bezweifelt Harms Berechnungen: Er habe viel zu niedrige Einkaufspreise für die Energieunternehmen angesetzt.

Wie haben sich die Preise für den Stromtransport entwickelt?

Seit der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 werden die Netze von den Netzbetreibern verwaltet, die als Monopolisten jeweils für die Netze in einer Region zuständig sind. Für Betrieb, Erhalt und Ausbau erhalten sie ein Netzentgelt, das die Verbraucher ebenfalls als Aufschlag auf den Kilowattstundenpreis zahlen. Wie viel die Unternehmen verlangen dürfen, berechnet sich aus den tatsächlichen Netzkosten plus einer festgelegten maximalen Gewinnmarge. Diese Berechnungen werden von der Bundesnetzagentur beaufsichtigt.

Derzeit liegen die Netzentgelte etwa zwischen fünf und sechs Cent pro Kilowattstunde. Insgesamt sind die Kosten der Privathaushalte für Stromerzeugung und -transport, die der BDEW nur gemeinsam aufweist, von 8,62 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2000 über 11,22 Cent 2005 auf 14,05 Cent gestiegen. Weil die Netze im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien erweitert werden müssen, ist damit zu rechnen, dass die Preise für den Stromtransport auch weiterhin steigen.

Wie haben sich die Abgaben und Steuern entwickelt?

Der dritte Kostenblock sind die Abgaben und Steuern, die insgesamt rund 45 Prozent des Strompreises ausmachen, wie die Kritiker immer wieder betonen. Sie bestehen wiederum aus verschiedenen Komponenten.

Zunächst wird auf den Grundpreis die Stromsteuer von 2,05 Cent je Kilowattstunde sowie die EEG-Umlage von derzeit noch 3,6 Cent addiert. Außerdem steckt im Strompreis noch eine Konzessionsabgabe, die Städte und Gemeinden von den Netzbetreibern erhalten, weil der Strom über ihr Gebiet geleitet wird. Sie bewegt sich abhängig von der Größe der Gemeinde und Netzauslastung zwischen zwischen 0,6 und 2,4 Cent. Am Ende wird für den Gesamtbetrag noch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent fällig.

Neben der Erhöhung der EEG-Umlage von 0,69 Cent im Jahr 2005 auf 3,6 Cent aktuell war vor allem die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent im Jahr 2007 ein Grund für die steigenden Strompreise. Laut BDEW hat sich der Anteil der Mehrwertsteuer am Strompreis von 2,57 Cent im Jahr 2005 auf 4,11 Cent aktuell erhöht.

Welche Überlegungen zur Änderung gibt es nun?

Zwischen eher industrienahen und eher umweltfreundlichen Verbänden und Politikern tobt derzeit ein Deutungskampf über die immer weiter steigenden Strompreise.

Die Industrieverbände machen vor allem die gestiegene Abgabenlast für die hohen Preise verantwortlich. Der BDEW rechnet vor, dass die Preise für Stromerzeugung und -transport seit 1998 nur um neun Prozent gestiegen seien, während die staatlichen Abgaben sich fast verdreifachten.

In diese Richtung gehen nun auch mehrere Reformvorschläge: Die FDP hat vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer für die Stromsteuer zu erlassen. Da die Stromsteuer derzeit etwa zwei Cent des Preises ausmacht, würde das den Verbraucher um 0,4 Cent pro Kilowattstunde entlasten. Auch wurden wieder Stimmen laut, die Ökostrom-Umlage abzuschaffen oder zumindest zu reformieren.

In diese Richtung geht auch der Vorschlag von Altmaier. Er will die Förderung nun langsam auslaufen lassen - und dafür Zielgrößen für alle Arten erneuerbarer Energien festlegen. Die steigenden Preise löst dieser Vorschlag allerdings nicht. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die Änderungen noch in dieser Legislaturperiode durchgebracht werden, sagte Altmaier. Erst einmal soll jetzt mit Wirtschaft, Umweltverbänden und Politik diskutiert werden.

Die Grünen und mehrere Umwelt- und Verbraucherverbände werfen dagegen den Stromkonzernen vor, die Preise für die Verbraucher nach oben zu treiben. In einer Studie rechnen sie vor, dass die Konzerne angesichts der aktuellen Preise an der Strombörse rund zwei Cent zu viel kassierten. Eine andere Berechnung der Grünen kommt zu dem Ergebnis, dass auch die Rabatte der Stromkonzerne den derzeitigen Strompreis um einen Cent nach oben treiben.

Die Grünen sehen daher in der Debatte um die Strompreise vor allem einen Kampf der Industrie gegen die Energiewende. Dabei sei die Ökostrom-Umlage nur eine transparente Form der Subvention dieser Energieform. Eine Studie im Auftrag von Greenpeace kommt zu dem Ergebnis, dass die Subvention für konventionelle Energie pro Kilowattstunde rund 10,2 Cent betrage. Dies werde aber über den Staatshaushalt abgerechnet und sei daher deutlich weniger transparent.

Was kann ich als Verbraucher gegen die steigenden Preise tun?

Hier sind sich interessanterweise beide Seiten einig: Die Preise genau anschauen und gegebenenfalls den Anbieter wechseln. Und Umweltminister Peter Altmaier rät den Deutschen noch zu einer anderen Maßnahme: Strom sparen.

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