E-Mobilität:"Nicht die gleichen Fehler wiederholen wie beim Ausbau der Erneuerbaren"

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Strom für hundert Kilometer in fünf Minuten: An immer mehr Schnellladesäulen in Deutschland ist das möglich. (Foto: Claus Schunk)

Der Energiekonzern EnBW hat die meisten Schnellladeparks für E-Autos in Deutschland installiert. Es ginge noch mehr, sagt Vorstandschef Frank Mastiaux. Wenn da nicht so viele Regeln wären.

Von Max Hägler und Christina Kunkel

Es ist eine gewaltige Stromtankstelle, die da gerade am Kamener Autobahnkreuz entsteht, einem großen Verkehrsknotenpunkt in Nordrhein-Westfalen: 52 Schnelllader baut der Energiekonzern EnBW dort auf. Bis zu 300 Kilowatt Leistung schafft jede der Steckdosen, die mit dicken Kabeln an die Elektroautos angeschlossen werden - je nachdem wie viele Wagen dort gerade gleichzeitig laden. In nur fünf Minuten können manche Modelle so hundert Kilometer Reichweite nachladen. Es ist wahrscheinlich der größte Hochgeschwindigkeits-Ladepark in Europa. Ein Vorzeigeprojekt, über das EnBW-Chef Frank Mastiaux froh sein könnte: Sein Unternehmen ist sowieso Marktführer in diesem Feld mit derzeit bundesweit 650 Schnelllade-Standorten - wobei beinahe jeden Tag ein weiterer eröffnet wird. Zum Vergleich: Tesla und Ionity sind mit jeweils rund hundert Standorten aktuell deutlich schlechter aufgestellt. Im Jahr 2025 will EnBW bundesweit an 2500 Orten schnelle Stromtankmöglichkeiten zur Verfügung stellen, bis zu 100 Millionen Euro werden dazu jährlich investiert.

Und doch ist die Freude bei Mastiaux nicht ungetrübt. Die Mobilitätswende sei in Bedeutung und Größenordnung mit der Energiewende vergleichbar, die jedoch auch stockt - etwa beim Bau von Windrädern oder Stromleitungen, was der Energiekonzern schon seit Jahren spürt. "Deshalb dürfen wir beim Aufbau der Ladeinfrastruktur nicht die gleichen Fehler wiederholen wie beim Ausbau der Erneuerbaren, der durch komplizierte bürokratische Prozesse gebremst wird." Mastiaux wird diese Anliegen an diesem Donnerstag detailliert in die Politik einspeisen: Für diesen Tag hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann wieder einmal zum Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg geladen. Dabei sind die Konzernchefs von Daimler und Porsche und des Zulieferers ZF. Und eben auch die EnBW, die überwiegend sowieso dem Land Baden-Württemberg gehört sowie diversen Landkreisen im Südwesten.

Bei den Neuzulassungen überholten E-Autos zuletzt sogar den Diesel

Im Blick hat Frank Mastiaux vor allem die Schnellladepunkte, die immer mehr an "Dominanz" gewinnen für die Elektromobilität. Derzeit gebe es ein Verhältnis von einem Schnellladepunkt auf 70 E-Autos, da sei man "gut unterwegs", auch ein Ladepunkt auf hundert E-Autos sei ein vernünftiges Maß. Doch müssten sich die Voraussetzungen dafür verbessern, dass der Aufbau der Ladeinfrastruktur wirklich überall im Land stattfinde und mithalte mit dem immer größeren und schneller wachsenden E-Auto-Fahrzeugpark - der besteht mittlerweile aus rund einer halben Million Wagen, im September überholten elektrifizierte Autos erstmals Dieselfahrzeuge bei den Neuzulassungen.

"Wie in der Entwicklung von Elektroautos ist auch beim Aufbau der Ladeinfrastruktur das Engagement bei vielen Anbietern groß", sagt der EnBW-Konzernchef im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, "die regulatorischen Rahmenbedingungen sind in Teilen allerdings gerade nicht hilfreich."

So seien im vergangenen Jahr etwa 13 000 Ladepunkte vom Staat gefördert worden - in Betrieb genommen wurden jedoch nur 3000. Das sei weniger unzureichenden technischen Möglichkeiten geschuldet als vielmehr der Bürokratie. "Ein verpflichtender Einbau von Kreditkartenterminals ist zum Beispiel einfach kontraproduktiv und rückwärtsgewandt, da längst modernere, digitale Bezahlmethoden zur Verfügung stehen", sagt Mastiaux. Auch beim Eichrecht komme man kaum voran: Wie lässt sich wirklich rechtssicher Strom an der Ladesäule messen?

Aber auch die Frage, was nun ein Schnellladepark leisten soll, ist nach Meinung von EnBW überreguliert. So hat das Bundesverkehrsministerium in der Ausschreibung für sein "Deutschlandnetz" definiert, bei dem bis Ende 2023 mehr als 8000 Ladepunkte entstehen sollen, dass alle Anschlüsse gleichzeitig mindestens 200 Kilowatt Dauerleistung bieten müssen - und zwar rund um die Uhr. Der Standort Kamener Kreuz etwa wäre so gar nicht möglich gewesen, weil diese Gesamtleistung nur über eine neue Zuleitung machbar gewesen wäre - was die Standortkosten beinahe verdoppelt hätte.

Dabei sind die Förderungen ohnehin schon kompliziert - zwei Milliarden Euro hat allein der Bund zur Verfügung gestellt, um den Aufbau der anfangs meist unrentablen Standorte voranzutreiben. Doch die Zuteilung der Gelder dauert. So hat die EnBW vor zwei Jahren bereits 1000 Standorte vorgeschlagen im Zuge des Programms "Deutschlandnetz". Doch mit den ersten Bescheiden ist wohl frühestens Ende 2023 zu rechnen. Würde der Energiekonzern darauf warten, anstatt komplett eigenständig zu bauen, gäbe es vor dem Jahr 2025 so gut wie keinen Standort.

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