Oster-Lockdown:Beschlüsse für den Handel "eine Katastrophe"

Lesezeit: 3 min

An fünf Tagen an Ostern soll das öffentliche Leben möglichst vollständig heruntergefahren werden. Der Einzelhandel ist fassungslos. (Foto: Arnulf Hettrich/imago images)

Einzelhändler erwarten nach den neuen Corona-Beschlüssen einen Kundenansturm vor Gründonnerstag und am Karsamstag. Der Ton der Kritik wird schärfer.

Von Michael Kläsgen, München

So hart wie jetzt hat es den Einzelhandel bislang seit Beginn der Pandemie nicht getroffen, auch nicht im ersten Lockdown vor einem Jahr. In diesem Jahr werden die Geschäfte und - anders als zuvor - an manchen Tagen auch Supermärkte und Lebensmitteldiscounter geschlossen bleiben. Die Werktage am 1. und am 3. April haben Bund und Länder in der Nacht zum Dienstag zu sogenannten "Ruhetagen" erklärt. An diesen Tagen müssen die Geschäfte wie an Feiertagen schließen.

Am Karsamstag darf jedoch immerhin der Lebensmitteleinzelhandel öffnen. Bereiche in den Läden mit Non-Food wie Bekleidung oder Baumarktzubehör sollen an dem Tag nicht zugänglich sein. Auch der Abholservice von Gastronomen soll am Karsamstag aufrechterhalten bleiben. Am Gründonnerstag muss allerdings auch der Lebensmitteleinzelhandel komplett dichtmachen.

SZ PlusWasserknappheit
:Bis zum letzten Tropfen

Der Klimawandel sorgt für Hitze und Trockenheit. Das lässt den Verbrauch von Wasser steigen - doch das wird auch in Deutschland immer knapper. Nun fürchten die Mineralwasserhersteller um ihr Geschäft.

Von Uwe Ritzer

An insgesamt fünf Tagen an Ostern soll nach den Beschlüssen das öffentliche Leben möglichst vollständig heruntergefahren werden, um die rasant steigenden Infektionszahlen mit Corona-Mutanten zu stoppen. Der kurze, harte Oster-Lockdown soll vom 1. bis 5. April dauern. Den bereits geltenden Lockdown verlängerte die Bund-Länder-Konferenz bis zum 18. April. Mögliche Lockerungen werden damit auf die Zeit nach Ostern verschoben.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte die angekündigten Maßnahmen scharf. Nach wie vor konzentriere sich die Corona-Politik ausschließlich auf die Inzidenzen und honoriere nicht ausreichend, dass die Ansteckungsgefahren im Einzelhandel auch von Experten als niedrig beurteilt werden, teilte der Verband mit. Es sei deshalb höchste Zeit, die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und alle Geschäfte unter Einhaltung strikter Hygienekonzepte wieder zu öffnen.

Mehr als die Hälfte der Modehändler sehen sich in Insolvenzgefahr

Nach einer Umfrage des HDE vom vergangenen Wochenende würden sich nach fast 100 Tagen Lockdown 54 Prozent der Bekleidungshändler in Insolvenzgefahr sehen. Der HDE hofft, dass einzelne Bundesländer die Beschlüsse wie zuvor bei der Umsetzung aufweichen könnten.

Der Fachverband Textil- und Schuhhandel zeigte sich "fassungslos" über die Beschlüsse. "Einkaufen auf Termin hat in vielen Modegeschäften recht gut funktioniert", sagte ein Sprecher, "die Frequenzen in den Einkaufszonen lagen trotzdem deutlich unter denen von 2019." Mindestens drei Wochen weitere Schließungen würden viele Geschäfte nicht überleben, da sie die Einnahmen brauchen, um die Rechnungen für die Frühjahrsware bezahlen zu können.

Johannes Huber, Geschäftsführer des Modehauses Garhammer im niederbayerischen Waldkirchen, in der besonders stark von der Pandemie betroffenen Grenzregion zu Tschechien, sagte: "Die Verlängerung des Lockdowns ohne Perspektive raubt den Familien, dem Einzelhandel und sämtlichen anderen nach wie vor zwangsgeschlossenen Branchen die letzte Hoffnung und jeden Mut. Wenn sich die Marschrichtung der Politik nicht ändert, dann wird der Lockdown bis weit in den Sommer hinein dauern, das wird unzähligen Unternehmen in unserer Branche endgültig das Genick brechen. Das birgt enormen sozialen Sprengstoff", sagte Huber.

In Ostbayern haben sich mehrere konkurrierende Modehändler verbündet. Die Verzweiflung ist groß. "Die Politiker haben ihren Bezug zu den Menschen völlig verloren", klagt Huber, "der Großteil der Bevölkerung schüttelt nur noch entfremdet den Kopf über das Krisenmanagement der Regierung und hält sich nicht mehr an die Regeln. Die psychische Belastung für die Menschen ist nicht mehr zu ertragen."

"Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte wird der komplexen Lage nicht gerecht."

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth kritisierte die Schließung auch der Lebensmittelhändler am Gründonnerstag, da sie zu längeren Schlangen vor und zu mehr Gedränge in den Geschäften an den Tagen davor und danach führe. Aldi Süd beklagte eine zu erwartende "Verdichtung der Einkäufe in der ersten Wochenhälfte sowie am Ostersamstag". Der Kritik schlossen sich die Drogisten Rossmann und Müller an. "Die Folgen dieser Schließungen sind dem Pandemiegeschehen nicht zu-, sondern abträglich", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der Baumärkte-Verband zeigte sich entsetzt über das "Verordnungschaos". Es müsse mehr geimpft werden, und zwar auch an Wochenenden und Feiertagen.

Bund und Länder agierten nur noch im Tunnelmodus, sagte Genth. "Die alleinige Fixierung auf die Corona-Inzidenzwerte wird der komplexen Lage nicht gerecht. Die Maßnahmen müssen sich an den wissenschaftlichen Fakten orientieren, und die zeigen, dass die Infektionsgefahr beim Einkaufen niedrig ist", so der Verbandschef.

Nils Busch-Petersen, Chef des Handelsverbandes in Berlin-Brandenburg, ergänzte auf Twitter: "Wer Kunden nicht versteht, versteht Wähler auch nicht mehr. Künstlich erhöhte Frequenzen vor, mitten und nach der geplanten 5-Tage-Blockade dienen sicher nicht dem angestrebten Ziel der Pandemiebekämpfung", sagte er und appellierte: "Politik: raus aus dem Tunnel!"

Bernd Ohlmann vom bayerischen Handelsverband Bayern sagte, die Beschlüsse seien "eine Katastrophe". Der Gründonnerstag sei einer der umsatzstärksten Tage im Jahr. "Wir sind kein Pandemietreiber", beteuerte er und wies darauf hin, dass Tankstellen an Ostern sehr wohl geöffnet blieben und dort Waren des Einzelhandels verkauft würden. Hier bestehe eine Ungleichbehandlung. An die Bevölkerung appellierte er, wie vor Weihnachten entzerrt einzukaufen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder räumte ein, dass das Infektionsgeschehen im Einzelhandel "überschaubar" sei. Fragen gebe es hingegen in Supermärkten und anderen Lebensmittelmärkten. Hier müsse für mehr Sorgfalt bei der Umsetzung der Hygieneregeln gesorgt werden. Das Einkaufen mit vorher vereinbartem Termin, "Click and meet", habe hingegen relativ gut funktioniert. Bei einer Inzidenz von unter 100 soll der Einzelhandel in Bayern nach Ostern daher öffnen dürfen. Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 200 soll "Click and meet" möglich sein, allerdings mit größeren Abstandsgeboten und voraussichtlich einer Testpflicht.

Der HDE hatte vor der Bund-Länder-Konferenz in einem Brief an die Kanzlerin davor gewarnt, 120 000 Geschäfte könnten der Corona-Politik zum Opfer fallen. Bis heute kam nicht mal eine Antwort.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: