Konjunktur:Was die Wirtschaft jetzt braucht

Containerterminal Tollerort

Ein Containerschiff wird im Hamburger Hafen entladen. Zuletzt hatte vor allem der schwächelnde Export der Deutschen Wirtschaft zu schaffen gemacht.

(Foto: Christian Charisius/dpa)

Deutschland entgeht knapp der Rezession. Jetzt muss die Bundesregierung für Wachstum sorgen - durch Entlastungen für die breite Masse und für Unternehmen.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Deutschland entgeht der ersten Rezession seit 2012 knapp. Nachdem die Wirtschaft im Frühjahr schrumpfte, wuchs sie im Sommer wieder - um gerade mal 0,1 Prozent. Dass schon dieses Aufschwünglein erleichterte Mienen bewirkt, zeigt, wie ernst die Zeiten sind. In so einem Moment kommt es sehr auf die Regierung an. Ausgerechnet auf jene Koalition aus SPD und Union, die nicht weiß, ob sie noch eine sein will.

Immerhin: So wie sich die Koalition zuletzt durch Klimapaket und Grundrente stabilisierte, festigt sich auch die Konjunktur. Seit einigen Wochen schauen Firmen zuversichtlicher in die Zukunft. Erholt sich sogar der Export, die traditionelle Stärke? Zu viel Optimismus führt aber in die Irre. Die Lage bleibt mau.

Nach einer Dekade scheinbar endlosen Booms wächst die Wirtschaft dieses Jahr kaum. Nächstes wird es nicht besser. "Mehr" verschwindet aus dem Wortschatz. Immer vollere Staatskassen, dickere Gewinne, ein größeres Arbeitsplätzeangebot, damit ist es vorbei. Dabei hatten sich Bürger und Politiker so daran gewöhnt. Nun wird das Leben unbequemer, weil Lieblingskunden wie China das Geld ausgeht und die alte Allianz mit den USA zerbrochen ist. Dass deutsche Autofirmen den Weg in die Elektro-Zukunft erst suchen, ist dabei noch gar nicht erwähnt.

Schädliche Unsicherheit

Bisher zieht vor allem der Sog der Weltwirtschaft nach unten. Die deutsche Industrie, für das Land immer noch zentraler als für andere Nationen, schrumpft seit einem Jahr. Deutsche Manager überlegten lange Zeit nur, ob ihr Geschäft in China ein- oder zweistellig zunehmen würde. Vorbei. Diese Schwäche musste in einer jungen Industrienation irgendwann kommen, einerseits. Andererseits verstärkt US-Präsident Donald Trump den Abwärtstrend durch seinen Handelskrieg. Dabei schaden sowohl die Strafzölle selbst als auch die Unsicherheit, was Trump noch alles einfallen könnte. Deshalb erscheint zuviel Optimismus gefährlich. Die neue Zuversicht deutscher Firmen gründet sich auf die Anzeichen, dass Trump milde wird und der Brexit weich. Beides kann schnell umschlagen.

In dieser Situation sollte die Bundesregierung erkennen, was sie an Europa hat - und Europas Wirtschaft stärken. Mit der neuen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bietet sich die Chance, den Binnenmarkt um Digitales, Finanzen und Dienstleistungen zu erweitern. Das würde zuverlässig Wachstum liefern, für das die Weltwirtschaft derzeit nicht mehr sorgt. Um andere EU-Staaten für eine solche Großreform zu gewinnen, sollte Deutschland seine Rolle im Euro überdenken. Weg vom Sparmeister der schwarzen Null. Hin zum Anreger, der sich zum aktuellen Nullzins verschuldet, um mit Investitionen anderen Staaten Impulse zu verleihen. Solche Investitionen würden außerdem deutsche Schulgebäude, Verkehrswege und Mobilnetze auf das Niveau heben, das man von einem entwickelten Industrieland erwarten darf.

Diese Maßnahmen wirken auf die Konjunktur erst später, in diesem Punkt haben die Skeptiker recht. Kurzfristig braucht die Volkswirtschaft an der Grenze zur Rezession anderes: weitere Entlastungen für die breite Masse, nach dem Vorbild des Soli-Abbaus, um den Konsum zu stabilisieren. Und sie sollte ein Konjunkturpaket mit mehr Kurzarbeitergeld und Erleichterungen für die Firmen fertig in der Schublade haben. Falls es doch schlimmer kommt als erhofft.

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