Meta-Konzern:Deutsches Amt darf Zuckerberg weiter ärgern

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Das Verfahren könnte deutlich unangenehmer für Mark Zuckerberg werden als für ein paar Beamte aus Bonn. (Foto: Florian Gaertner/imago images/photothek)

Vor den Datensammlern im Facebook-Instagram-Reich gibt es für Menschen kaum ein Entkommen. Das Bundeskartellamt ging dagegen vor. Nun lässt das oberste Gericht der EU die kreative Rechtsauslegung zu.

Von Jannis Brühl

Unter vielen Juristen heißt er einfach "der Facebook-Fall". Der wagemutige - manche sagen: dreiste - Alleingang einer deutschen Behörde gegen einen der mächtigsten Konzerne. Der Fall dürfte Meta-Chef Mark Zuckerberg im weit entfernten Silicon Valley seit Jahren ärgern. Das Bundeskartellamt streitet mit dem Unternehmen hinter Facebook, Whatsapp und Instagram. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sinne der deutschen Behörde geurteilt.

Die Richter segnen den ungewöhnlichen Schritt des Amtes von 2019 ab. Damals untersagten die deutschen Kartellwächter Meta, Daten seiner Dienste Instagram, Facebook, Whatsapp und Messenger im Hintergrund zusammenzuführen. Aus den zusammengeführten Informationen über die Person und ihre Vorlieben erstellt Meta Profile, die Grundlage für das Ausspielen digitaler Werbung in den sozialen Netzwerken des Konzerns sind. Diese Werbung bringt dem Konzern Milliardenumsätze. Nutzer konnten dieses Zusammenführen von Daten nicht gezielt verhindern.

Das Kartellamt berief sich in seiner Verordnung auf den Datenschutz - der aber eigentlich gar nicht sein Beritt ist. Facebook klagte dagegen: Eine Kartellbehörde sei für Marktkonzentration zuständig und nicht für Datenschutz. Marktbeherrschend sei man angesichts vieler Konkurrenten ohnehin nicht.

Allerdings ist die Digitalökonomie eben so komplex geworden, dass Datenfragen auch Wettbewerbsfragen sind - und damit Machtfragen. Das erkennen auch die Richter an. Das Kartellamt dürfe sich auf das fremde Rechtsgebiet vorwagen - weil es sich mit den relevanten Datenschutzbehörden abgestimmt hat: dem Bundesdatenschutzbeauftragten, Hamburgs oberstem Datenschützer (Facebook hat ein Deutschland-Büro in Hamburg) und der irischen Aufsichtsbehörde (Metas Europasitz ist in Dublin). Das Kartellamt habe "seine Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den betreffenden nationalen Aufsichtsbehörden und der federführenden Aufsichtsbehörde erfüllt". Damit ist die Grenze zwischen Datenschutz und Kartellrecht höchstrichterlich eingerissen. Der für die Durchsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung zuständigen irischen Behörde wird vorgeworfen, nicht entschlossen gegen Verstöße der US-Techkonzerne vorzugehen, weil der Standort Irland sie braucht. Das könnte ein Grund sein, dass sich Kartellwächter anderer Länder berufen fühlen, gegen Facebook vorzugehen. Auch Metas Argument, man sei gezwungen, Nutzerdaten umfangreich zu erfassen, weil ohne Werbeeinnahmen gar kein Betrieb möglich sei, verwarf das Gericht.

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Nutzer sind Metas Ökosystem quasi ausgeliefert

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, sagte: "Das Urteil ist ein hervorragendes Signal für die Kartellrechtsdurchsetzung in der digitalen Wirtschaft. Daten sind dort ein entscheidender Faktor für die Begründung von Marktmacht." Meta erklärte, das Urteil zu prüfen und sich erst danach zu äußern.

Vor dem Hintergrund des Verfahrens hat Meta die Vorgaben aus der Verordnung des Amtes allerdings schon teilweise umgesetzt. Im Juni sagte der Konzern zu, eine neue Kontenübersicht einzuführen. In der können Nutzer einstellen, ob ihr Instagram- und ihr Facebook-Konto verknüpft sein sollen - wie es dem Konzern zur Profilbildung wohl recht wäre. Sie können aber auch auswählen, die Daten getrennt zu halten - eine Silo-Lösung nach Wünschen des Amtes.

Wer etwas auf Facebook angegeben hat, hatte seine Daten automatisch auch an Instagram gegeben. (Foto: Arun Sankar/AFP)

Metas Ökosystem, dem der Nutzer quasi ausgeliefert ist, während die Apps im Hintergrund Daten über ihn austauschen, bekommt nun Risse. Rupprecht Podszun, Professor für deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, beobachtet den Fall schon lange. Er sagt: "Es reicht nicht, dass Nutzer nur ahnen: 'Irgendwas passiert da schon im Hintergrund mit unseren Daten.'" Nun könnten "Nutzer mehr mitreden, das muss durch das Design der Anwendungen gesichert werden. Erfasst ein Unternehmen sensible Daten, muss es explizit darüber aufklären und Nutzern die Wahl lassen, bestimmte Dinge auszuschließen." Durch das Gesetz über digitale Märkte werden die Tech-Konzerne in diesem Herbst zudem ohnehin schärferen Regeln unterworfen, um Machtmissbrauch zu verhindern.

Bemerkenswert ist Podszun zufolge, dass die Richter in einer Randbemerkung eine Art Bezahl-Instagram ins Spiel bringen: Nutzern müsste demnach "gegebenenfalls gegen ein angemessenes Entgelt, eine gleichwertige Alternative angeboten werden, die nicht mit solchen Datenverarbeitungsvorgängen einhergeht". Es könnte also sein, dass sich Nutzer bald von Werbung freikaufen können, und dafür nicht mehr überwacht werden.

"Verbrauchern könnte Schadenersatz zustehen"

Unmittelbare Auswirkungen auf Nutzer hat das Urteil vorerst dennoch keine. Die Meinung der Luxemburger Richter dient dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Hilfe im eigentlichen Verfahren zwischen Meta und Kartellamt. Dieses wandert seit Jahren zwischen deutschen Gerichten hin und her, nun machte es Station beim EuGH. Das EuGH-Urteil geht nun wieder zurück zum Düsseldorfer Gericht, das die europäischen Richter angerufen hatte. Wann in Düsseldorf entschieden wird, ist unklar.

Richten sich die deutschen Richter nach der Entscheidung aus Luxemburg, könnte das ein Jackpot für Nutzer werden. Rechtsanwalt Sebastian Louven, der den Verbraucherzentrale Bundesverband im Verfahren als Vertreter der Konsumenten vertritt, sagte: "Verbrauchern könnte Schadenersatz zustehen, wenn die deutschen Gerichte im Sinne des EuGH urteilen und die Verfügung des Bundeskartellamts bestätigen." Da das Verfahren seit 2016 läuft, könnte dann Millionen Menschen in Deutschland Schadenersatz zustehen - was aber eben erst nach Ende des deutschen Verfahrens klarwerden wird. Ihre Daten wären dann über Jahre unbefugt zusammengeführt worden. Das könnte deutlich unangenehmer für Mark Zuckerberg werden als für ein paar Beamte aus Bonn.

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