Autokonzerne:Die Drei von der Zapfsäule

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Neu an der Spitze: Der Niederländer Bram Schot (oben) führt Audi seit Mitte 2018, der Schwede Ola Källenius (rechts) ist bei Daimler seit Mai Chef, Oliver Zipse wird Mitte August BMW-Boss. (Foto: dpa, Bloomberg, Imago/Collage: SZ)
  • Innerhalb von zwölf Monaten haben alle drei sogenannten Premium-Autobauer - Daimler, BMW und Audi - eine neue Führung bekommen.
  • Der Job dieser neuen Generation von Automanagern ist um einiges komplizierter als der ihrer Vorgänger zu Zeiten Ferdinand Piëchs.
  • Milliardengewinne, an die man sich so sehr gewohnt hatte, schrumpfen, die Abgasregeln werden strenger, die Zölle steigen, die Konjunktur geht zurück und mit ihr die Nachfrage, der einstige Traummarkt China schwächelt

Von Thomas Fromm, Max Hägler und Stefan Mayr

Es ist noch gar nicht so lange her, aber heute klingt das Ganze wie eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Es war vor fünf Jahren, als der VW-Konzernpatriarch Ferdinand Piëch bei einer Automesse über den Elektroautobauer Tesla sprach und erklärte, dass er für so etwas nun wirklich "keinen Platz" in seiner Garage hätte. Man brauche keine "brennenden Autos", sagte der damalige VW-Aufsichtsratschef, den sie in den guten Jahren auch "das Orakel von Salzburg" nannten.

Es stimmt schon, seit jenen frühen Jahren der Elektromobilität passierte es schon mal, dass die Batterie-Fahrzeuge lichterloh brannten. Für Piëch, einen der letzten großen Vertreter der Benzin- und Dieselära, war das dann der ultimative Beleg dafür, dass man bei VW alles richtig machte: Benzintank statt Lithium-Ionen-Batterie, da weiß man, was man hat.

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Kommentar von Max Hägler

Es war die Zeit, in der die Garagen von Topmanagern voll waren mit Porsches und anderen PS-starken Boliden. Eine Zeit, in der man auch dachte, dass Dieselmotoren per se umweltfreundlich sind und in der Greta Thunberg noch jeden Tag in die Schule ging.

Mercedes auf dem ersten Platz, BMW in der Mitte, Audi hinten

Seit 2014 aber hat sich die Welt ziemlich verändert. Heute nimmt Tesla den etablierten deutschen Premiumherstellern ihre Premiumkunden weg, und längst ist jetzt auch bei denen Feuer unterm Dach, die jahrelang geglaubt hatten, dass es immer so weitergehen würde. Doch der Boom der Autoindustrie ist zu Ende, und jetzt fragen sich alle: Ist das jetzt die große Krise der etablierten Hersteller?

Statt Piëch ist eine neue Generation von Automanagern unterwegs, und - so viel lässt sich sagen: Ihr Job ist um einiges komplizierter als zu Zeiten Ferdinand Piëchs. Nach dem selbst gewählten Ausscheiden des bisherigen BMW-Chefs Harald Krüger bekommen die Münchner einen neuen Chef. Oliver Zipse, 55, soll aus BMW nun ein neues, moderneres Mobilitätsunternehmen machen. Interessant ist: Genau das sollen die anderen auch. Innerhalb von zwölf Monaten haben nämlich alle drei sogenannten Premium-Autobauer eine neue Führung bekommen: Zipse bei BMW, der 58-jährige Niederländer Bram Schot bei Audi und der Schwede Ola Källenius, 50, bei Daimler. Mit 60 Jahren ist Herbert Diess, seit vergangenem Jahr VW-Chef, schon etwas älter. Vier neue Manager, die Deutschlands wichtigste Industrie jetzt auf Kurs halten sollen.

Manche sagen sogar: sie retten.

Früher war es so, dass man sich als Feind wahrnahm - und sich nichts, aber auch gar nichts gönnte. Da hing bei Audi in Ingolstadt eine Vergleichstabelle mit den Rivalen aus München und Stuttgart an der Wand. Die Rangfolge lautet derzeit übrigens: Mercedes auf dem ersten Platz, BMW in der Mitte, Audi hinten. Heute sind neue Autofirmen dazugekommen, Tesla etwa oder chinesische Hersteller wie BYD. Auch ob und wann US-Konzerne wie Apple und Google als direkte Konkurrenten am Markt auftreten, bringt deutsche Automanager um den Schlaf.

Zurücklehnen und die Milliardengewinne zählen? Das war mal. Alles auf einmal: Die Champagnerlaune der vergangenen Jahre ist weg, die Milliardengewinne, an die man sich so sehr gewohnt hatte, schrumpfen, die Abgasregeln werden strenger, die Zölle steigen, die Konjunktur geht zurück und mit ihr die Nachfrage, der einstige Traummarkt China schwächelt - und zu all dem kommt auch noch der größte technologische Umbruch seit der Erfindung des Autos, der die Hersteller Milliarden kostet. Analysten und Berater schlagen Alarm. "Wir stehen vor einem schwierigen zweiten Halbjahr", sagt Peter Fuß, Partner bei EY. "Nach zehn fetten Jahren wird es nun karg", sagt August Joas, Autoexperte und Partner der Beratung Oliver Wyman. Die Beratung Alix Partners hat weltweit bereits einen deutlichen Rückgang der Margen festgestellt: Im Jahr 2017 verdienten Autobauer im Schnitt noch 5,7 Prozent vor Steuern, ein Jahr später liegt die Quote bei nur noch 4,6 Prozent. Drei Prozent betrug der Rückgang beim Autoabsatz in Europa von Januar bis Juni.

Und es wird nicht besser: Weil man immer weniger verkauft und immer mehr in neue Technologien investieren muss, heißt es bei Alix beinahe biblisch: "Das gleicht dann einem Marsch durch die Wüste." Wenn es so ist, dass die Karawane jetzt durch die Wüste marschiert, dann ist die Frage interessant: Wer marschiert eigentlich vorneweg? Oder, um im Bild zu bleiben: Ist es angesichts der vielen Probleme nicht schon ein Erfolg, wenn man es überhaupt lebendig durch diese Wüste schafft?

Die Antwort: Sie werden es schaffen. Aber die Zeiten der alten Wettläufe sind vorbei.

Alle haben sie die gleichen Probleme, aber die Typen, die sie lösen sollen, sind ziemlich verschieden. Bei Daimler zum Beispiel ist Kehrwoche angesagt, seitdem Ola Källenius vor zwei Monaten den Vorstandsvorsitz übernommen hat. Zwei Gewinnwarnungen hat der Schwede bereits veröffentlicht, der 50-Jährige räumt gründlich auf.

Die Liste der hausgemachten Probleme ist lang: Ganz oben steht das leidige Diesel-Thema. Schlimmstenfalls droht ein rechtskräftiges Urteil, das dem Konzern einen Betrug bei der Abgasbehandlung attestiert. Das würde teuer werden und zusätzlich den Ruf massiv beschädigen. Daimler selbst beteuert nach wie vor, man habe nicht getrickst. Andererseits hat das Unternehmen seine Rückstellungen um weitere 1,6 Milliarden Euro auf nun 18 Milliarden Euro aufgestockt. Rechnet der Konzern selbst nicht mehr mit einem Happy End?

"Daimler hat den Dieselskandal extrem schlecht gemanagt"

Noch macht man zwar Gewinne, im Gegensatz etwa zu Tesla. Dennoch ist der Aktienkurs jüngst auf ein Sechs-Jahres-Tief gesunken: 46 Euro. Vor vier Jahren war das Papier noch das Doppelte wert. Kommenden Mittwoch wird Källenius erstmals die Quartalszahlen verkünden, aus der Konzernzentrale in Untertürkheim ist zu hören, er werde dabei zum großen Befreiungsschlag ausholen. Gut möglich, dass er die Produktpalette kräftig abspeckt. So wird damit gerechnet, dass er den wuchtigen und teuren Pritschen-Wagen X-Klasse einstellt. Natürlich wird es auch Fragen zum Diesel-Thema geben.

"Daimler hat den Dieselskandal extrem schlecht gemanagt", sagt Jürgen Pieper, Autoanalyst des Frankfurter Bankhauses Metzler. "Es fehlt eine Kultur der Selbstkritik." " Källenius hielt sich in der Öffentlichkeit bislang ziemlich zurück. "Wir müssen noch schwäbischer werden", sagte der Schwede neulich in Berlin. Die 300 000 Mitarbeiter finden das eher unlustig, sie müssen sich auf ein knallhartes Sparprogramm gefasst machen. Von dem ist bisher nur der Namen bekannt: "Move". Es soll den Konzern wieder beweglich machen. Um bei den Themen Autonomes Fahren und digitale Mobilitätsdienste nicht abgehängt zu werden, hat Källenius eine Kooperation mit BMW entschlossen mitangetrieben. Weitere gemeinsame Projekte sind möglich, heißt es.

An seinem ersten Arbeitstag im Mai hatte Källenius eine Audio-Botschaft an die Mitarbeiter verschickt. "Hallo, hier ist Ola Källenius", sprach er, um sogleich zur Sache zu kommen: "Wir müssen uns verändern." Seitdem wissen die Schwaben, woran sie sind.

"Vorsprung durch Technik" - von wegen!

Das wissen sie auch in Ingolstadt, seit der Niederländer Bram Schot im Sommer 2018, zunächst kommissarisch, den Chefjob bei Audi übernahm. Da musste die amtierende Nummer eins, Rupert Stadler, wegen der Dieselaffäre gerade eine Untersuchungshaft antreten. Ein Chef wegen Verdunkelungsgefahr im Gefängnis, das war irgendwie die ganz große Ironie bei einem Konzern, der jahrelang mit dem Werbeslogan "Vorsprung durch Technik" durchs Land gezogen war. Von wegen Vorsprung: Audi ist so etwas wie die Mutter des Diesel-skandals, hier wurden die Betrügereien wohl vor allem erdacht und entwickelt. Die juristische Aufarbeitung macht jetzt zu schaffen und frustriert die Leute. Wenn es also in einem dieser Konzerne gerade eine Kulturrevolution gibt, dann hier: Früher war der spätere VW-Boss Martin Winterkorn hier der Chef, inzwischen ist er im Dieselskandal angeklagt. Das System Winterkorn sah so aus: Gehorsam, Treue, Erfolg - und dazu eine Detailversessenheit, bei der zwar jede zu große Fuge in der Karosserie entdeckt wurde, anscheinend aber wohl nicht die Details der Dieselmanipulation.

Der Niederländer Bram Schot, der den Fußballklub Feyenoord Rotterdam und Pathos mag, hat ein Gespür für Befindlichkeiten, deshalb war er in Ingolstadt angetreten mit dem Satz: "Die Leute müssen sich wieder frei fühlen!" Doch so einfach ist das nicht, die Abteilungen müssen erst wieder lernen, wie das ist, selbst Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Die Krise sei deshalb so schlecht nicht, sagte Schot zum offiziellen Amtsantritt beim Jahreswechsel: "Wir haben die Gelegenheit, alles auf den Prüfstand zu stellen und die Dinge zu verändern." Man habe sich verzettelt, sei zu langsam geworden. Audi müsse sich mehr fokussieren: "Wir machen gerade zu viel!" Noch warten sie bei Audi, dass den richtigen Ansagen wirklich harte Entscheidungen folgen.

Zipse soll mit BMW Daimler einholen

So wie man jetzt auch bei BMW wartet. Man werde mit dem neuen Chef Oliver Zipse jetzt nicht alles auf den Kopf stellen, sagt ein hochrangiger Manager. Aber natürlich braucht man neue Botschaften, warum sonst ist der bisherige Chef Harald Krüger, 53, gegangen? Zipse soll mit BMW unter anderem wieder Daimler einholen - obwohl es künftig auf ganze andere Dinge ankommen wird.

Man muss es nicht so machen wie VW-Chef Diess, der nun alles auf reine Elektroautos setzt. Man kann es auch so machen wie Daimler und BMW und gleichzeitig auch über andere Antriebe nachdenken wie Hybrid oder Brennstoffzellen. Eines aber ist schon heute klar: Die Hersteller, einst Feinde und Technologie-Rivalen, werden künftig immer mehr zusammen machen. So wie VW und Ford künftig gemeinsam Elektro- und Roboter-Autos entwickeln - und sogar die alten Dauerrivalen aus dem Süden, Daimler und BMW, beim automatisierten Fahren kooperieren. Früher wäre so etwas unmöglich gewesen, da war es schon eine halbe Kulturrevolution, wenn man gemeinsam Gurtstraffer einkaufte. Mit neuen, jüngeren Managern aber ändert sich das. Es ist, so viel kann man sagen, nicht mehr die Autowelt von Leuten wie Ferdinand Piëch.

© SZ vom 20.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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