Steuerbetrug:Auswüchse ohne Ende

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Der Bundesverband Deutscher Banken soll als Lobbyist der Finanzbranche entscheidend dazu beigetragen haben, dass strengere Maßnahmen gegen den Steuerdiebstahl jahrelang verzögert wurden. (Foto: Jürgen Ritter/imago images)

Der Staat bekommt die verantwortungslosen Teile der Finanzbranche nicht in den Griff. Das liegt vor allem daran, dass Lobbyisten zu viel Macht haben.

Kommentar von Klaus Ott

Erst konnten Großbanken, weil sie zu wenig kontrolliert wurden, Milliarden Euro verspekulieren - und mussten anschließend mit Steuergeld gerettet werden. Das ging nahtlos in den Cum-Ex-Skandal über, bei dem Großbanken und Kapitalanlagefonds mit Hilfe gerissener Anwälte den Fiskus um zig Milliarden betrogen. Dann zeigte sich, dass Geldwäsche viel zu lax bekämpft wird. Schließlich konnte Wirecard, ein Dax-Konzern, ein mutmaßliches Betrugssystem in Milliardenhöhe aufbauen. Jetzt kommt bei Cum-Ex noch ein schwerer Verdacht hinzu. Der Bundesverband Deutscher Banken soll als Lobbyist der Finanzbranche entscheidend dazu beigetragen haben, dass strengere Maßnahmen gegen den Steuerdiebstahl jahrelang verzögert wurden. Was es vielen Geldinstituten ermöglicht haben soll, sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne Dividende (Ex) einmal gezahlte Steuern mehrmals erstatten zu lassen.

All das zeigt, dass der Staat die verantwortungslos agierenden Teile der Finanzbranche nicht in den Griff bekommt, was kapitalistische Auswüchse fördert. Hinzu kommt: Lobbyisten haben zu viel Einfluss, haben zu viel Macht. So können sie schärfere Auflagen verhindern oder zumindest bremsen. Das wird möglich, weil sich diese Einflussnahmen oft im Verborgenen abspielen. Der Bundestag weiß manchmal gar nicht, unter welchen Einflüsterungen die Regierung Gesetze auf den Weg bringt. Die Bürger erfahren es erst recht nicht. Geht das so weiter, dann gefährdet das auf Dauer demokratische Spielregeln oder setzt diese sogar außer Kraft. Weil private Gewinnsucht dann weiter über dem Gemeinwohl steht.

Transparenz kann helfen

Damit das nicht geschieht, sollte der Bundestag zweierlei tun. Einen Sonderermittler einsetzen, der mit einem schlagkräftigen Team dem neuen Cum-Ex-Verdacht nachgeht. Und den Lobbyismus transparent machen. Transparenz trägt entscheidend dazu bei, Auswüchse zu verhindern. Der Sonderermittler könnte kurzfristig berufen werden und dann untersuchen, ob der Bankenverband mit seinen Einflüsterungen im Finanzministerium tatsächlich wirksame Maßnahmen gegen den Cum-Ex-Steuerskandal verzögert hat. Das war vor Jahren schon Thema in einem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss; aber damals war nur ein kleiner Teil dessen bekannt, was Staatsanwälte und Steuerfahnder inzwischen herausgefunden haben. Die Aufklärung des Skandals muss weitergehen, auch im Parlament - in dessen eigenem Interesse.

Das ist nur der Anfang. Das seit Jahren überfällige Lobbyistenregister muss nach einer für den Frühherbst geplanten Anhörung im Bundestag verabschiedet werden. Damit klar wird, wer da alles beim und im Parlament agiert, um seine Interessen durchzusetzen. Und es müssen weitere Schritte folgen. Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht Bürgern Akteneinsicht bei Regierung und Behörden. Das schafft zumindest in Teilen Transparenz beim Zustandekommen von Gesetzen. Aber in der Regel erst, und das ist ein entscheidender Nachteil, im Nachhinein. Was spricht dagegen, das Zustandekommen von Gesetzen von vornherein viel gläserner als bisher zu gestalten. Das würde nicht nur kriminelle Auswüchse wie Steuerdiebstahl großen Stils erschweren. Sondern es könnte auch weit darüber hinaus das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken. Gerade in diesen Zeiten.

© SZ vom 05.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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