Früher luden die Manager und Managerinnen der ehrwürdigen Credit Suisse noch zur Pressekonferenz nach Zürich, um ihr Jahresergebnis zu präsentieren. Bei Häppchen konnte man hinterher die Zahlen noch mit der Führungsriege diskutieren. Doch die Zeiten sind andere geworden, nicht nur wegen der Pandemie. Credit-Suisse-Chef Ulrich Körner, im Amt seit einem knappen halben Jahr, hält seine Beobachter lieber auf Distanz. Schon seinen großen Umbauplan vom Oktober stellte Körner lediglich am Telefon vor. Im Dezember dann wurde bekannt, dass die Bank die wirtschaftsjournalistische Plattform Inside Paradeplatz wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte ihrer Manager verklagt hat. Und am Donnerstag präsentiert Körner auch die Bilanz für 2022 per Mediencall, knappe 38 Minuten dauert die rein virtuelle Veranstaltung.
Angesichts der desaströsen Zahlen hätte er sich vielleicht ein bisschen mehr ins Zeug legen können: 7,3 Milliarden Franken Verlust vermeldet die Bank für 2022, das ist das höchste Minus seit der Finanzkrise 2008. Zwar hatten Analysten erwartet, dass die Bilanz schlecht ausfällt, immerhin hatte die Bank im November schon gewarnt, die Zahlen im vierten Quartal würden eher enttäuschen. Doch die Höhe des Verlusts fällt dann doch beeindruckend aus, ebenso der Abfluss von Geld: 123 Milliarden Franken zogen Kundinnen und Kunden im vergangenen Jahr ab, allein 110 Milliarden im vierten Quartal.
Enormer Vertrauensverlust
Auch im Investmentbanking brachen die Erträge, also die gesamten Einnahmen, zum Jahresende stark ein. Das zeugt von einem enormen Vertrauensverlust, den die Bank nach den zahlreichen Krisen der vergangenen Jahre hinnehmen muss. Und tatsächlich verlor der Aktienkurs, der ohnehin in den vergangenen Monaten stark nachgegeben hatte, auch am Donnerstag zeitweise acht Prozent auf knapp drei Franken. Kurz vor der Finanzkrise waren die Anteilsscheine noch 80 Franken wert - der Niedergang lässt sich in Zahlen greifen.
Konzernchef Körner versucht trotzdem, möglichst wenig Krisenstimmung aufkommen zu lassen. Man habe die Ziele vom Oktober noch einmal bekräftigt, und was die dringend nötigen Einsparmaßnahmen betrifft, sei die Bank auf Kurs. Das Geldhaus werde bald weniger komplex und weniger riskant sein. Bis 2024 soll die Credit Suisse wieder Gewinn machen. "2023 wird ein Wendejahr sein, und dann werden wir besser und besser", sagte der frühere McKinsey-Berater. Er hoffe, dass die Bank einen beträchtlichen Teil des abgeflossenen Geldes der Anleger im Jahr 2023 zurückholen könne.
Die Konkurrenz steht besser da
Die Credit Suisse sticht derzeit auch gegenüber der Konkurrenz negativ heraus: Fast alle anderen europäischen Großbanken profitierten 2022 von den steigenden Leitzinsen und der überraschend guten Konjunktur, verbuchten teilweise die höchsten Gewinne seit Jahrzehnten. Die Credit Suisse hingegen hat sich nach zahlreichen Management-Fehlern und Skandalen in eine existenzielle Krise manövriert. Ein einziger Tweet eines australischen Journalisten reichte im Herbst aus, eine schwelende Vertrauenskrise noch einmal deutlich zu verschärfen. Der Aktienkurs fiel weiter und immer mehr Kunden zogen ihre Vermögen ab. Als Befreiungsschlag musste eine neue Strategie her, finanziert von zwei staatsnahen Investoren aus Saudi-Arabien und Katar, die zum Jahresende erneut Milliarden frisches Kapital in die Bank schossen. Dabei will die Bank nun große Teile des Investmentbankings aufgeben, die Kosten um 15 Prozent senken und bis 2025 rund 9000 der 52 000 Stellen streichen.
Die Katarer hatten die traditionsreiche Bank bereits einmal mehr oder weniger gerettet, nach großen Verlusten in der Finanzkrise, und waren ihr über die Jahre treu geblieben. Zusammen gehören den Aktionären von der arabischen Halbinsel inzwischen mehr als zwanzig Prozent der Credit Suisse. Ob sie ernsthaft an eine Wende der Schweizer Bank glauben oder mit ihrem Investment eher politische Absichten verfolgen? Das bleibt derweil unklar.