Schweiz:Großbank gegen Ein-Mann-Betrieb

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Lukas Hässig, Gründer des Schweizer Finanzblogs "Inside Paradeplatz". (Foto: WALTER BIERI/picture alliance/KEYSTONE)

Die Credit Suisse verklagt den Gründer des Schweizer Finanzblogs "Inside Paradeplatz" - er soll Manager der Bank "bloßgestellt" und "mit Beleidigungen überzogen" haben.

Von Isabel Pfaff, Bern

Man könnte sagen, der Name ist Programm. "Hässig", das ist Schweizerdeutsch für wütend, und was Lukas Hässig auf seinem Blog Inside Pardeplatz schreibt, ist in der Regel polemisch, provokant und zornig. Der 58-jährige Wirtschaftsjournalist aus Zürich ist bekannt in der Finanzwelt, nicht nur in der Schweiz. Seine Ein-Mann-Plattform wird von Bankerinnen, Analysten und natürlich anderen Medienleuten gelesen, denn Hässigs Texte über den Schweizer Finanzplatz sind nicht nur unterhaltsam zugespitzt, sondern in der Regel gut recherchiert. 2018 wählte ihn die Schweizer Medienbranche sogar zum "Journalisten des Jahres". Hässig hatte 2016 quasi im Alleingang die Affäre rund um den Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz losgetreten, 2022 musste sich der ehemalige Starbanker schließlich wegen Betrugs und anderer Vorwürfe vor Gericht verantworten.

Hässig ist also ein anerkannter Rechercheur, der mehrere Scoops auf dem Konto hat - aber eben auch einer, der in Wortwahl und Darstellung nicht gerade zimperlich ist. Die Rechtsstreits, die er am Hals hatte und hat, sind so zahlreich, dass er aufgehört habe zu zählen, sagt Hässig am Telefon. Und nicht immer drehen sich die Verfahren um Banken: Im Sommer musste sich Inside Paradeplatz bei der Wirtschaftsjournalistin und Unternehmerin Patrizia Laeri wegen Sexismus entschuldigen.

Die Bank fordert den Gewinn, den Hässig mit den Beiträgen gemacht hat, "nebst 5 Prozent Zins seit Publikationsdatum"

Bislang hat Lukas Hässig die Rechtsstreits finanziell und reputationsmäßig überstanden. Doch jetzt droht ihm ein Prozess, der die bisherigen juristischen Angriffe weit übertrifft. Wie er selbst am Montag auf seinem Blog publik machte, hat die Schweizer Großbank Credit Suisse Klage gegen Hässig und seinen Blog eingereicht. Es geht demnach um 52 Artikel und rund 200 Kommentare im Zeitraum vom 27. Juli bis 28. Oktober, die sich alle mit der Bank beschäftigen und bei denen die Credit Suisse die Persönlichkeitsrechte ihrer Manager verletzt sieht. "Die Führungsequipe und damit die Klägerinnen werden der Lächerlichkeit preisgegeben, mit Beleidigungen überzogen und bloßgestellt", zitiert Hässig aus den Klageunterlagen. Die Bankengruppe werde "verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben, Kunden und Mitarbeiter werden gar aktiv zum Verlassen der Bank animiert".

Inside Paradeplatz zufolge fordert die Bank einerseits die Löschung sämtlicher eingeklagter Text-Passagen und Kommentare. Andererseits will sie, dass Hässig den Gewinn herausgibt, den er seit Ende Juli mit den Beiträgen gemacht hat, "nebst 5 Prozent Zins seit Publikationsdatum".

Insbesondere letzteres ist interessant. Eine Gewinnherausgabe wegen Persönlichkeitsverletzung durch Medienberichte ist in der Schweiz zwar rechtlich möglich, aber noch kein Betroffener hat sie tatsächlich erstritten. Am weitesten gekommen ist bislang die ehemalige Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin, die wegen einer Schmutzkampagne gegen ihre Person im Blick gegen den Ringier-Verlag prozessiert. Im vergangenen Juni hat das Zuger Kantonsgericht entschieden, dass Ringier Kennzahlen zu mehreren Artikeln über Spiess-Hegglin veröffentlichen muss. Anhand dieser Zahlen soll dann der Gewinn aus den Artikeln berechnet werden, den Spiess-Hegglin als Entschädigung fordert.

Er sei sicher einer, der manchmal übertreibe, räumt Hässig ein

Nun versucht die Credit Suisse also etwas Ähnliches - nur dass sie eben keine Frau ist, die möglicherweise Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde und danach vom Boulevard durch den Schmutz gezogen wurde, sondern eine Skandalbank, die gerade durch die schwerste Krise seit Jahrzehnten geht. Sie findet trotzdem, so zitiert Lukas Hässig: "Skandalisierung und Sensationsjournalismus, permanente Verunglimpfung und komplette Desavouierung praktisch im Dreitagesrhythmus - dies müssen sich die Klägerinnen nicht gefallen lassen."

Die Bank hat die Klage gegenüber mehreren Medien bestätigt. Die rechtliche Überprüfung geschehe "zum Schutz unserer Mitarbeitenden, die auf dem Blog regelmäßig beschimpft und verunglimpft werden".

Nun erarbeitet Hässig zusammen mit seinem Anwalt eine Antwort und wird diese im Frühjahr beim Handelsgericht Zürich einreichen. "Ich habe eigentlich keine Angst", sagt der Journalist im Gespräch mit der SZ. Und das, obwohl der Streitwert seinen Angaben zufolge bei 300 000 Franken liegt. Beim ersten Prozess, den die Credit Suisse 2015 gegen ihn anstrengte und aus dem Hässig weitgehend als Sieger hervorging, ging es um 100 000 Franken und nur ein paar einzelne Artikel. Er sei sicher einer, der manchmal übertreibe, räumt Hässig ein. "Aber hier geht es schon darum, ein unliebsames Medium mit einer Klage mundtot zu machen."

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