Profil:Jolanda Spiess-Hegglin

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Im Kampf mit einem Medienkonzern: Jolanda Spiess-Hegglin vor dem Zuger Kantonsgericht, 2019. (Foto: URS FLUEELER/picture alliance/KEYSTONE)

Schweizer Ex-Politikerin, die mit ihrem Feldzug gegen Schmutzberichterstattung die Medienwelt verändert

Von Isabel Pfaff, Zug

Vor gut sieben Jahren hätte sich Jolanda Spiess-Hegglin nicht vorstellen können, dass sie einmal eine der bekanntesten Frauen der Schweiz sein würde. Sie war damals zwar eine aufstrebende Grünen-Politikerin, allerdings lediglich im Kanton Zug, Zentralschweiz. Die verheiratete Mutter dreier Kinder, zu diesem Zeitpunkt 34 Jahre alt, war gerade neu ins Kantonsparlament gewählt worden und angetreten, um die konservative politische Landschaft in Zug zu verändern.

Doch dazu kam es nicht. Ohne es geplant zu haben, mischt Spiess-Hegglin statt der Zuger Politik inzwischen die gesamte Schweizer Medienwelt auf. Am Mittwoch holte sie vor dem Kantonsgericht Zug zum neuesten Schlag aus: Es geht um Ringier, den mächtigen Schweizer Verlag und Herausgeber der Boulevardzeitung Blick. Und um viel Geld.

Die Geschichte nimmt an einem Abend Ende Dezember 2014 ihren Anfang. Das politische Zug trifft sich an jenem Samstag zur sogenannten Landammannfeier, auch Spiess-Hegglin ist dabei. Am nächsten Morgen erwacht die Politikerin ihren Angaben zufolge mit einem Filmriss - und Unterleibsschmerzen. Sie fährt ins Krankenhaus, äußert dort den Verdacht, K.-o.-Tropfen bekommen zu haben. Die Polizei nimmt Ermittlungen wegen eines Sexualdelikts auf. Ein Abgeordnetenkollege, Markus Hürlimann von der rechtskonservativen SVP, wird vorübergehend festgenommen.

Grenzen der Berichterstattung
:Mein Name gehört mir

Jolanda Spiess-Hegglin verteidigt ihre Persönlichkeitsrechte gegen den mächtigen Ringierverlag. Der Schweizer Boulevard-Berichterstattung werden enge Grenzen gesetzt - sie zahlt einen hohen Preis dafür.

Von Isabel Pfaff

Es ist eine Schlagzeile des Blicks, die an Heiligabend 2014 eine regelrechte mediale Lawine lostritt: "Hat er sie geschändet?", fragt die Zeitung, dazu Fotos von Spiess-Hegglin und Hürlimann und ihre vollen Namen. Von da an gibt es kein Halten mehr. Schweizer Medien berichten atemlos über jedes neue Detail, allein Ringier veröffentlicht mehr als 150 Texte. Jolanda Spiess-Hegglin, die in den Berichten mal Opfer, mal Verführerin, mal Täterin ist, ist 2015 die meistgegoogelte Frau des Landes.

Was wirklich in jener Dezembernacht geschah, konnte nicht geklärt werden. Das Verfahren gegen Hürlimann wurde 2015 mangels Beweisen eingestellt. Als er daraufhin Spiess-Hegglin wegen Falschbeschuldigung verklagte, einigten sich beide außergerichtlich. Fest steht: Für beide war an eine Rückkehr in ihr normales Leben nicht mehr zu denken. Doch während Hürlimann sich zurückzog, ging Spiess-Hegglin in die Offensive. Aus eigener Betroffenheit heraus wurde sie zu einer Kämpferin gegen Hassrede im Netz, ihr Verein "Netzcourage" bietet Betroffenen Soforthilfe an. Vor allem aber begann sie sich gerichtlich zu wehren: gegen einzelne Journalisten, aber eben auch gegen ganze Medienhäuser.

So kann man es fast schon Routine nennen, was sich am Mittwoch in Zug abspielte: Team Spiess-Hegglin gegen Team Ringier, dazu eine Menge Reporter. Es ist bereits das zweite Verfahren, das Spiess-Hegglin gegen den Verlag angestrengt hat. Das erste, bei dem es um die Frage ging, ob der Blick mit seiner identifizierenden Berichterstattung Persönlichkeitsrechte verletzte, hat die Ex-Politikerin 2020 gewonnen. Nun zielt sie auf das Geld, das Ringier mit den Artikeln über sie verdiente: Spiess-Hegglin will erreichen, dass Ringier den Gewinn herausgeben muss, den er mit fünf besonders reißerischen Texten erzielt hat - nach Berechnungen der Kläger-Seite: rund 350 000 Franken. "Ich möchte, dass ein Umdenken in den Redaktionen stattfindet", sagt Spiess-Hegglin, "dass man sich morgens in der Konferenz zwei Mal überlegt, ob es sich lohnt, jemanden fertigzumachen."

Ringier bestreitet die Persönlichkeitsverletzung durch die Texte sowie überhaupt den Gewinnherausgabeanspruch. Das war zu erwarten. Ein Urteil im Sinne von Jolanda Spiess-Hegglin käme schließlich einem Grundsatzentscheid gleich, der Ringier, aber auch allen anderen Schweizer Medien deutliche Grenzen setzen würde - einfach, weil Persönlichkeitsverletzungen künftig teuer werden könnten. Das Zuger Kantonsgericht will den Parteien schriftlich mitteilen, wie es nach der Hauptverhandlung vom Mittwoch weitergeht.

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