Industriepolitik:Covestros Verkauf geht in Ordnung

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Covestro-Fabrik in Krefeld: Araber wollen den Chemiekonzern kaufen. (Foto: BMS/BMS)

Ein arabischer Staatsbetrieb möchte den Dax-Konzern, einen Kunststoffhersteller, übernehmen. Die Politik sollte das nicht blockieren. Es gab in der Vergangenheit andere Fälle, bei denen mehr Vorsicht dringend angebracht gewesen wäre.

Kommentar von Björn Finke, Düsseldorf

Der Konzern ging aus dem altehrwürdigen Bayer-Konglomerat hervor. Er beschäftigt 18 000 Menschen weltweit, davon fast 8000 in Deutschland. Und seine Aktien sind seit fünfeinhalb Jahren im wichtigsten hiesigen Börsenindex Dax notiert: Der Kunststoffhersteller Covestro ist ein Schwergewicht der deutschen Wirtschaft. Trotzdem könnte das Unternehmen bald einem arabischen Öl- und Gaskonzern gehören. Denn die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) möchte Covestro kaufen; das Management der Leverkusener beginnt nun Verhandlungen mit dem Staatsbetrieb aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Führen die Gespräche zu einem Abschluss, werden sich einige Politiker empören, das ist so erwartbar wie Sonnenschein in der Wüste Abu Dhabis: Ein arabisches Staatsunternehmen, eng verwoben mit der autokratischen Regierung dort, greift sich einen Dax-Konzern - dies sei ein Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, brandgefährlich und am besten zu stoppen, bevor es zu spät ist. Deutschland dürfe nicht naiv sein. So oder ähnlich wird die Kritik lauten.

Die Besorgnis und Vorsicht solcher Skeptiker ist per se begrüßenswert. Sie schießt aber im Falle von Covestro weit über das Ziel hinaus.

Dagegen hätte es in der Vergangenheit andere Fälle gegeben, bei denen mehr Vorsicht dringend angebracht gewesen wäre. Zum Beispiel als ein chinesischer Konzern 2016 den Augsburger Roboterbauer Kuka gekauft hat. Dadurch ist strategisch wichtige Technologie made in Germany in die Hände des Rivalen China gefallen. Doch seitdem hat sich der Wind gedreht, sowohl in Berlin als auch in der EU-Hauptstadt Brüssel: Naivität ist gesundem Misstrauen gewichen.

Brüssel und Berlin haben aufgerüstet

So hat die Bundesregierung das Außenwirtschaftsgesetz verschärft und damit die Prüfung, ob Übernahmen durch ausländische Konzerne die Interessen des Landes gefährden. Vor einem Jahr untersagte Berlin etwa den Kauf einer Chipfabrik in Dortmund durch Chinesen. Und in der EU trat in diesem Jahr die Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten in Kraft. Die Regelung erlaubt es der EU-Kommission, Übernahmen zu verbieten, wenn der Erwerber von der heimischen Regierung mit Beihilfen gepäppelt wurde. Das dürfte chinesische und wohl auch arabische Staatsfirmen treffen.

Politik und Behörden schauen also nicht tatenlos zu, wenn Übernahmen zu strategischen Risiken führen. Es gibt aber gute Gründe zur Annahme, dass dies bei Covestro nicht der Fall wäre. Der Konzern stellt zum Beispiel Schaumstoffe für Autositze her oder Spezialharze für Rotorblätter von Windkraftanlagen. Er ist ein unverzichtbarer Lieferant für nachgelagerte Industrien. Die Leverkusener investieren zudem in innovative Technologien, sie wollen ihre Produkte künftig ohne den Einsatz von klimaschädlichem Öl und Erdgas fertigen und setzen auf Recycling.

Das ist alles sehr wichtig, aber zugleich ist klar, dass es eben nicht um Fabriken für knappe Computerchips oder um den Betrieb von Stromnetzen geht. Würde die Politik argumentieren, Covestro sei strategisch zu bedeutend für einen Kauf durch Araber, müssten nahezu alle großen Industriekonzerne genauso unter Schutz gestellt werden.

Habeck ist extra nach Abu Dhabi gereist

Doch das wäre fatal. Deutschlands exportabhängige Industrie ist auf offene Weltmärkte angewiesen. Hiesige Unternehmen investieren und kaufen viel im Ausland, zugleich profitiert auch der Standort Deutschland von Investitionen aus der Fremde. Deshalb sollten Verbote von Übernahmen die Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden.

Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, dass Covestro von einem Eigentümerwechsel profitieren würde. Dem Vernehmen nach verspricht der Staatskonzern aus Abu Dhabi, dass die Leverkusener nicht mit anderen Firmen verschmolzen würden, sondern eigenständig blieben. Zudem wollen die Araber Geld für Investitionen zur Verfügung stellen und künftig klimafreundlich erzeugten - sogenannten grünen - Wasserstoff liefern, damit sich Covestro von Öl und Gas verabschieden kann.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reiste vor einem Jahr extra nach Abu Dhabi, um die Emirate als Lieferant von grünem Wasserstoff zu gewinnen. Man könnte sogar argumentieren, dass ein Kauf Covestros diese Partnerschaft festigen würde.

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