Christian Lindner geizte nicht mit großen Worten, als er vor genau einem Jahr die Gründung eines Bundesfinanzkriminalamtes ankündigte. Finanzkriminalität, so der Minister, sei "kein Kavaliersdelikt", auch dürfe die Bundesrepublik nicht das "Paradies für Geldwäsche" bleiben, als die manche Kritiker sie sähen. Er, Lindner, plane deshalb einen "großen Wurf" und einen echten "Paradigmenwechsel", um die Probleme in den Griff zu bekommen.
Mittlerweile liegt der entsprechende Gesetzentwurf auf dem Tisch - und glaubt man den Experten der Bürgerbewegung Finanzwende, dann bleibt er alles schuldig, was der Finanzminister versprochen hatte. "Lindner schafft es nicht zu liefern", sagte Konrad Duffy, zuständiger Referent des Vereins, der sich als überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby versteht. Weder werde eine schlagkräftige neue Bundesbehörde geschaffen, noch löse man die zahlreichen Detailprobleme im Kampf gegen Finanzkriminalität.
Hintergrund der Reformpläne ist die massive Kritik, die unter anderem das internationale Anti-Geldwäschegremium FATF jahrelang an Deutschland geübt hatte. So musste etwa die zuständige deutsche Zentralstelle, die sogenannte FIU, vor Jahresfrist einräumen, dass man im Haus rund 100 000 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen gefunden habe, die nie händisch bearbeitet worden seien, ohne dass dies irgendjemandem aufgefallen wäre. Ein weiteres Problem ist, dass der Kampf gegen die Geldwäsche außerhalb des Banksektors auf 300 Aufsichtsstellen in ganz Deutschland verteilt ist. Hier gehen immer wieder Informationen verloren.
Bereits im Juli hatte das Finanzministerium (BMF) einen Gesetzentwurf ins Internet gestellt, der jedoch wenig später nicht mehr auffindbar war. Die neue Version erscheint nun sehr viel zahnloser. "Die erste Fassung des Gesetzes hatte schon viele Unzulänglichkeiten", sagte Michael Findeisen, Unterstützer der Bürgerbewegung und ehemaliger Referatsleiter für Geldwäsche und Zahlungsverkehr im BMF. Immerhin seien aber noch gute Ansätze erkennbar gewesen. "Die fehlen im neuen Entwurf komplett, das Gesetz wurde völlig entkernt."
Fachleute fordern, potenziell illegale Vermögen zu beschlagnahmen
Konkret werfen die Fachleute Lindner vor, sich bei seiner Reform zwar mit Geldwäsche zu befassen, andere Teilbereiche der Finanzkriminalität, etwa Steuerdelikte, aber völlig auszuklammern. "Skandale wie Cum-Ex, Cum-Cum oder Wirecard hätte die neue Behörde so nicht verhindert", so die Experten. Auch verzichte der Minister auf "das schärfste Schwert der Geldwäschebekämpfung", nämlich die Abschöpfung verdächtiger Vermögen per Verwaltungsanordnung. Diese Möglichkeit war im ersten Entwurf noch enthalten gewesen, nun fehlt sie komplett. "Wer Kriminellen wirklich weh tun will, muss sie beim illegal erworbenen Vermögen treffen", sagte Findeisen. Potenzielle Geldwäscher müssten in einem solchen Fall nachweisen, dass die Mittel auf ihren Konten kein Produkt krimineller Machenschaften sind.
Weitere Kritikpunkte sind, dass der Minister "den Flickenteppich aus 300 Aufsichtsstellen bundesweit" unangetastet lassen wolle. So solle in der künftigen Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) mitnichten eine echte Bündelung der Kompetenzen stattfinden. Stattdessen werde das BBF als zusätzliche Stelle neben bereits existierenden Behörden wie dem Bundeskriminalamt (BKA) eingerichtet und solle lediglich koordinierende Funktion haben. Zudem bleibe das BKA erster Ansprechpartner für internationale Behörden wie Europol und Interpol. Das neue Bundesfinanzkriminalamt werde also nur auf Umwegen von Delikten erfahren. Damit seien Kompetenzgerangel und Informationsverluste von Beginn an vorprogrammiert.
Sollte das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Form beschließen, sei der Bundestag gefragt, die Reform so zu überarbeiten, dass sie "den großspurigen Ankündigungen des Ministers gerecht wird", sagte Duffy. "Eine neue Behörde mit einem derart schwachen Gesetz aufzubauen, wäre Zeit- und Geldverschwendung."