Christian Lindner:"Wir nähern uns sehr viel schneller als gedacht dem Vorkrisenniveau"

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"Ich gebe nichts", scherzte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin. (Foto: Johannes Simon/Johannes Simon)

Viel investieren, noch mehr sparen - auch wenn seine Kollegen unzufrieden sind: Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt seine Politik. Über die Wahl 2025 sagt er: "Ich habe keine Wunschkoalition."

Von Henrike Roßbach, Berlin

Als Christian Lindner am Dienstagmittag im Hotel Adlon ankommt, wird er beim schnellen Fototermin vor seinem Auftritt um eine "Geste" gebeten. Der FDP-Chef und Bundesfinanzminister muss nicht lange überlegen und verschränkt seine Arme. "Ich gebe nichts", sagt er und lacht.

Damit ist der Ton gesetzt. Es geht ums Geld, bei Lindners Auftritt beim SZ-Wirtschaftsgipfel und auch sonst. Der Minister erinnert gleich zu Beginn an die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die an diesem Donnerstag im parlamentarischen Kalender steht. Um ebendiesen Haushalt wurde hart gerungen in diesem Jahr. So hart, dass Lindner seine Terminplanung mehrmals ändern musste, weil seine Kabinettskollegen ihren Widerstand gegen seinen Kurs lange nicht aufgeben wollten.

"Moderat-restriktiv" nennt er diesen Kurs am Dienstag. Die Schuldenbremse stehe nicht zur Disposition, und die Ausgaben seien verringert worden, was auch ein Gebot der Inflationsbekämpfung sei. Ohnehin sieht der Minister die Trendwende nach den Krisenhaushalten der Corona-Zeit geschafft. Er verweist darauf, dass das Defizit dieses Jahr mit 2,5 Prozent niedriger ausfallen werde als ursprünglich prognostiziert, "wohlgemerkt inklusive aller Nebenhaushalte und Sondervermögen". Auch die Schuldenquote werde laut Sachverständigenrat kommendes Jahr auf unter 64 Prozent sinken. "Wir nähern uns schneller als gedacht dem Vorkrisenniveau."

Lindner weiß natürlich, dass seine Haushaltspolitik von Teilen der Ampel eher hingenommen als geteilt wird. Auch deshalb will er das mit den Spar-Erfolgen nicht alleine stehen lassen. Rekordinvestitionen seien im Haushalt 2024 vorgesehen, sagt er, die Investitionsquote steige. Und das schon ohne den Klima- und Transformationsfonds, mit dem die Regierung Investitionen in Klimaschutz und Zukunftstechnologien fördern will. Hinzu kämen auch noch sein Wachstumschancen- und sein Zukunftsfinanzierungsgesetz, um die schwächelnde Wirtschaft wieder zu stärken.

Ein paar Spitzen kann Lindner sich dann doch nicht verkneifen. Vergangene Woche hat die Regierung sich darauf geeinigt, die Wirtschaft bei den Energiekosten nicht über einen Industriestrompreis zu entlasten - ein Lieblingsprojekt des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck -, sondern über eine Senkung der Stromsteuern. Das wertet Lindner als Punkt für sich und seine Partei. Einen zweiten Gruß sendet er, zumindest im Subtext, in Richtung der Grünen: "Wir müssen einen in Deutschland seit längerer Zeit praktizierten Sport beenden", nämlich "immer schneller, immer ambitionierter bei Ausstiegsdaten zu sein". Sein Vorschlag: "Ausstieg, aus welcher Technologie auch immer, sollten wir uns erst dann erlauben, wenn der Ersatz, das, worin wir einsteigen wollen, abschließend geklärt ist."

Auch wenn Lindner der Meinung ist, dass die Regierung den "Exit" aus immer weiter steigenden Schulden geschafft hat - gewisse Defizite sieht er noch. In den Ansprüchen der anderen nämlich ist die Wende aus seiner Sicht noch nicht geglückt. Persönlich hat er das dieses Jahr in den zähen Haushaltsverhandlungen erleben können, als seine Kollegen Milliardenwünsche äußerten, die selbst erfahrene Haushaltsexperten in seinem Ministerium verblüfften. Doch Lindner geht es nicht nur um die Wünsche seiner Mit-Minister. "Alle Ansprüche und Wünsche richten sich gegen den Staatshaushalt", sagt er. Es werde aber weder möglich sein, den allgemeinen Kaufkraftverlust für die Bürger auszugleichen, noch alle Wünsche der Wirtschaft zu erfüllen, wie etwa den nach einem Industriestrompreis.

Und: Die Zeiten werden nicht leichter, auch nicht aus haushaltspolitischer Sicht. 2028 muss der Bund mit dem Tilgen der Corona-Kredite beginnen. Außerdem wird dann das Sondervermögen für die Bundeswehr aufgebraucht sein, weshalb die notwendigen Verteidigungsausgaben für das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus dem normalen Kernhaushalt bestritten werden müssen.

Dennoch gibt Lindner sich am Dienstag zuversichtlich. Sein Rezept: Keine zusätzlichen strukturellen Mehrausgaben, "einfach mal keine dauerhaften strukturellen Haushaltsbelastungen, dann wird uns die wirtschaftliche Prosperität die Mittel bereitstellen, die wir 2028 brauchen". Diese Aussichten dürften seine Koalitionspartner nicht wirklich begeistern, was den Minister aber erkennbar nicht schreckt. Auf die Frage nach seiner Wunschkoalition nach der Bundestagswahl 2025 sagt er lediglich: "Ich habe keine Wunschkoalition." Die FDP mache ihre Arbeit, und die Bürger würden dann 2025 ihr Urteil darüber fällen. "Und dann nehmen wir dieses Urteil entgegen und schauen, was für die Zeit 2025 bis 2029 für Regierungen gebildet werden können."

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