Künstliche Intelligenz:Erlebt der neue Chatbot bald seinen Tesla-Moment?

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Gutes Timing für die Konferenz "AI Bay" über künstliche Intelligenz in München: Alle reden momentan über einen neuen Chatbot. (Foto: baiosphere - the bavarian ai net)

Mitten im Hype um Chat GPT lädt ein digital berauschter Markus Söder Fachleute ein. Die loben die Chancen der Technik - aber warnen vor "Pandoras Büchse", ähnlich wie beim Autohersteller.

Von Jannis Brühl

Die dritte digitale Revolution hat begonnen. Zumindest, wenn es nach Hinrich Schütze geht: "Man kann es gut mit dem Internet oder dem Smartphone vergleichen", sagt der Professor für Computerlinguistik von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Ähnlich wie diese Errungenschaften habe auch die künstliche Intelligenz (KI) Chat GPT Licht- und Schattenseiten. Er spricht von sogenannten Sprachmodellen, die derzeit nicht nur Technik-Fans elektrisieren. Chatbots wie Chat GPT oder Bard wirken auf Menschen wie ebenbürtige Gesprächspartner, die über alle Themen parlieren können. Die Menschheit geht ins Jahr 2023 mit dem Gefühl, mit einer fremden Intelligenzform Kontakt aufgenommen zu haben.

Gutes Timing für die KI-Konferenz AI Bay der bayerischen Staatsregierung im Deutschen Museum in München. Schütze sitzt mit zwei Fachfrauen auf der Bühne des Planetariums und analysiert die Revolution. In einem ist er sich mit den Computerlinguistinnen Barbara Plank von der LMU und Verena Rieser von der Heriot-Watt-Universität Edinburgh einig: Gefragt, ob Chat GPT und Konsorten ein Bewusstsein hätten, lachen alle drei und schütteln den Kopf. Sie widmen sich aber der biblischen Frage, ob die neuen künstlichen Intelligenzen "Golems oder Leviathan" seien - hilfreiche Assistenten oder unkontrollierbare Monster. Antwort: beides. "Die Art, wie wir schreiben, wird sich ändern. Wir werden immer einen Assistenten haben", sagt Schulze.

Verena Rieser baut selbst Sprach-Programme und mahnt zur Vorsicht: "Wir könnten einen Tesla-Moment erleben. Auch fürs autonome Fahren hatten wir vor Jahren große Hoffnungen. Aber dann kamen so viele Ethik- und Sicherheitsfragen auf." Dasselbe dürfte ihr zufolge dem neuen Chatbot passieren: "Ich halte es für Pandoras Büchse." Schon jetzt dürften Internet-Trolle mit politischen Motiven Sprach-KIs einsetzen, um automatisiert Propaganda zu erzeugen. Solche Gefahren müssten Gesetze unter Kontrolle bringen. Barbara Plank warnt allerdings, KI nicht aus Furcht tot zu regulieren. Ähnlich hat sich Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach auf der Konferenz geäußert. Geplante EU-Regeln würden zu viele Anwendungen als "hochriskant" einstufen.

Forscher in Europa müssten mehr kooperieren, sagt eine Expertin

Die Konferenz soll zeigen, dass es Ministerpräsident Markus Söder ernst ist mit seiner Hightech-Agenda. Bayerns Ministerpräsident lässt 3,5 Milliarden Euro in Forschung und Unternehmen investieren, das soll unter anderem 1000 Technologie-Professuren schaffen. Seine Agenda macht Söder gute Laune. Und zwar dermaßen, dass er bei der Eröffnung der Konferenz im Überschwang seinen Gesprächspartner, den Roboter-Experten Sami Haddadin, fragt, ob sich nicht seine Minister durch Roboter ersetzen ließen. Ist natürlich nur Spaß. Und umso lustiger, weil drei dieser Minister direkt vor Söder in der ersten Reihe sitzen.

Die KI-Fachleute treibt weniger die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze um als die Machtfrage: Open AI, das Unternehmen hinter Chat GPT, agiert intransparent, Konkurrent Google ebenso. Man habe keinen Einblick in den Programmcode, sagt Barbara Plank: "Wir müssen den Prozess demokratisieren, damit Wissenschaftler wenigstens auf einen Bruchteil der Technik-Infrastruktur zugreifen können, der den großen Unternehmen zur Verfügung steht." Wenn man den Amerikanern allein nicht gewachsen sei, müssten Forscher in Europa mehr kooperieren, so Rieser.

Das Aufsehenerregendste in der Konferenz präsentierte dann auch ein Amerikaner. Marc Raibert von Boston Dynamics führte einen Roboter-Hund seiner Firma vor. Der stampfte im Planetarium derart auf, dass der europäische Boden vibrierte.

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