Bundestagswahl 2009:Was geschehen muss

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Von jenen in der Mitte wurde im Wahlkampf viel geredet. Doch gedacht wird in der Politik vor allem von den Rändern her. In der Mitte wird dann abkassiert - das muss sich ändern.

Marc Beise

Deutschland ist eine Demokratie, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes. Am spektakulärsten äußert sich der Souverän bei Bundestagswahlen, aber er darf nur Kreuzchen machen und keine weiteren Handlungsanweisungen geben. Also wäre es schön, wenn er Alternativen hätte. Das ist am Sonntag in einer Woche eindeutig der Fall - dank der Linkspartei.

Damit die Deutschen kräftig Geld ausgeben und das Wachstum ankurbeln, brauchen sie mehr Geld in der Tasche - durch niedrigere Steuern. (Foto: Foto: Reuters)

Sie bietet sich als Begleiter in ein anderes Deutschland an, eines, das Geld übrig hat für fast alle. Für Arbeitslose, Geringverdiener, Rentner, Kinder, Ökofirmen soll ein Nachschlag drin sein. Nur nicht für die Besserverdiener, Erben, Unternehmer: Die müssten das alles nämlich bezahlen.

Schätzungen beziffern das Wunschkonzert der Linken auf 300 Milliarden Euro; so viel wie der jährliche Bundeshaushalt. Woran man schon erkennt, von den Kollateralschäden in der Wirtschaft ganz abgesehen, dass wir uns bei aller erfrischenden Exklusivität der Gedanken von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi fernab der Realität bewegen.

Am Ende richtet sich der Blick dann doch wieder auf die Kandidaten der Volksparteien, Angela Merkel (CDU) und Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die freilich versprechen in aller Eintracht ein "Weiter so", womöglich gar in der großen Koalition. Das könnte beruhigend wirken - wenn, ja wenn einer tatsächlich mit der bisherigen Politik zufrieden wäre.

Nicht einmal dann aber wird es für die Zukunft reichen. Was von vier Jahren schwarz-rote große Koalition bleibt, ist das reibungslose Reagieren auf die Finanzkrise. Selbst da aber konzentrierte sich die Koalition aufs Spendieren von Rettungsmilliarden, Bürgschaften und Konjunkturprogrammen: Strukturelle Entscheidungen, gar unbequeme Maßnahmen zur Sicherung der Zukunft waren Fehlanzeige. Das gibt wenig Hoffnung für die kommenden vier Jahre.

Die neue Regierung wird die Krise erben. Selbst wenn die Banken aus dem Gröbsten raus wären (was niemand zuverlässig weiß), wird die Realwirtschaft weiter darben. Die Arbeitslosigkeit wird deutlich steigen, die Zahl der Pleiten nach oben schnellen. Die Gefahr einer Kreditklemme ist groß.

Heute schon gäbe es Möglichkeiten, das zu verhindern, etwa den vorübergehenden beherzten Einstieg des Staates bei den Banken, wie ihn ausgerechnet Großbritannien und die USA, die beiden Referenzländer des Kapitalismus, vorgemacht haben. Es wird ferner eine neue und umfassende Regulierung der Banken gebraucht.

Die Kunst dabei wird sein, einen ausreichend konkreten Ordnungsrahmen zu schaffen, ohne das Prinzip einer Marktwirtschaft zu zerstören, in der sich viele Einzelinteressen zu einem guten Ganzen formen. Ähnlich weitblickend müsste die Finanzpolitik sein: erst durch eine treffsichere Ausgabenpolitik (Steuersenkungen!) Wachstum ankurbeln, dann heftig sparen, um das Defizit abzubauen. Warum nur sollte das in einer großen Koalition gelingen, die sich bei Streitfragen finanziell regelmäßig nach oben einigt?

Nötig sind Strukturreformen - vor allem am Arbeitsmarkt, ähnlich der Schröder'schen Agenda 2010, die 1,6 Millionen Arbeitsplätze geschaffen hat, aber auch bei den Steuern und im Sozialversicherungssystem. Über solche Systemreformen denken interessanterweise eher die drei kleineren Parteien nach: CSU, FDP und in Teilen auch die Grünen.

Sie sind es auch, die sich vor allem um die Mittelschicht sorgen: jene Hälfte der Bevölkerung, der es nicht wirklich schlecht, aber auch nicht sorgenlos gut geht, die aber das Wachstum des kommenden Aufschwungs tragen muss.

Von jenen in der Mitte wurde im Wahlkampf viel geredet, aber selten konkret und glaubwürdig. Stattdessen wird Politik vor allem von den Rändern her gedacht. Große Diskussionen gehen über Maßnahmen für die Armen und Abgehängten oder gegen die Reichen.

Beides hat seine Notwendigkeit - nur leider wird gleichzeitig über Steuern und Abgaben in der Mitte abkassiert, seit Jahren schon und immer dreister. Hier helfend einzugreifen durch Steuerentlastungen, weniger Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen - das wäre die vornehmste Aufgabe der neuen Regierung.

© SZ vom 19.09.2009/afi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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