Autonomes Fahren:Daimler und Bosch bauen doch keine Robotaxis

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Geplatzte Vision des automatisierten Taxis: So haben Daimler und Bosch ihre großen Plänen vor drei Jahren illustriert. (Foto: oh)

Autonomes Fahren ist ein großer Hype, hier locken die Gewinne der Zukunft. Warum Daimler und Bosch trotzdem nun ihr Robo-Projekt beenden.

Von Christina Kunkel

Daimler und Bosch werden vorerst nicht mehr gemeinsam an der Entwicklung von Robotaxis für den Stadtverkehr arbeiten. Das bestätigten beide Unternehmen der Süddeutschen Zeitung. Seit 2018 hatten der weltgrößte Automobilzulieferer und der Stuttgarter Autobauer in einem gemeinsamen Projekt Software und Hardware für fahrerlose Wagen entwickelt, die in wenigen Jahren in Städten unterwegs sein sollten. Doch jetzt steht die Zusammenarbeit vor dem Ende. Ein serienreifes Robotaxi gibt es nicht.

Ein genaues Datum für das Aus des einstigen Vorzeigeprojekts nennen Daimler und Bosch noch nicht. Vom Autobauer heißt es, es würden derzeit Gespräche geführt, um die Entwicklungskooperation zum vollautomatisierten und fahrerlosen Fahren in der Stadt zum Abschluss zu bringen. Dass man jedoch bei diesem Thema getrennte Wege gehen wird, ist beschlossene Sache. Von Daimler-Seite heißt es dazu: Nach "intensiver Prüfung und im besten partnerschaftlichen Einvernehmen" hätten sich die Unternehmen darauf verständigt, sich "in Zukunft in dem hochkomplexen Entwicklungsumfeld des vollautomatisierten und fahrerlosen Fahrens im urbanen Umfeld auf ihre individuellen Entwicklungspfade zu fokussieren". Auch Bosch bestätigt, dass Gespräche über das Ende des Projekts geführt werden: "Zeitpunkt und weitere Details werden derzeit besprochen", so eine Unternehmenssprecherin.

Mit dem Projekt Vertraute sagten jedoch schon vor Wochen, dass die Kooperation "tot" sei. So seien etwa bei Daimler bereits Mitarbeiter aus dem Robotaxi-Bündnis an andere Teams angedockt worden und würden dort an neuen Aufgaben arbeiten. Dabei hatten Daimler und Bosch vor drei Jahren mit großen Plänen die Zusammenarbeit begonnen, an deren Ende ein Auto stehen sollte, das Menschen ganz ohne Fahrer durch Städte pilotiert. "Athena" tauften sie das gemeinsame Projekt, benannt nach der griechischen Göttin der Weisheit, der Kunst und der Kriegslist.

Der schwäbische Zusammenschluss klang perfekt: hier der weltweit bekannte Premium-Hersteller mit dem Stern, dort der größte Autozulieferer der Welt. In Stuttgart-Vaihingen sollten Ingenieure und Programmiererinnen beider Firmen gemeinsam daran tüfteln, den Vorsprung amerikanischer Tech-Konzerne wie Waymo oder Apple aufzuholen und sich nicht wie bei der E-Mobilität von Elon Musk und Tesla abhängen zu lassen. Doch auch die deutsche Konkurrenz macht forsche Ansagen: VW verkündete zuletzt, zusammen mit dem amerikanischen Software-Unternehmen Argo schon 2025 erste Robotaxis in deutschen Städten fahren zu lassen.

Denn eines gilt als sicher: Die Transformation von einem reinen Autobauer hin zu einem Mobilitätsanbieter wird für einen Hersteller nur dann rentabel sein, wenn es gelingt, Fahrzeuge ohne Fahrer im großen Stil auf die Straße zu bringen. Doch dort, wo diese Technik vor allem gefragt sein wird - im städtischen Umfeld - ist es technisch auch besonders schwierig.

Bei Bosch ist man sicher, dass erst andere autonome Fahrfunktionen in Serie gehen werden

Bosch als Zulieferer, der auch andere Autokonzerne mit Software und Hardware versorgt, könnte das Ende von Athena weniger schmerzen als den Autobauer Daimler. "Für uns ist das nur ein Übergang in die nächste Phase. Wir werden weiter unvermindert Gas beim hochautomatisierten Fahren geben", sagt Bosch-Geschäftsführer Harald Kröger. Er räumt ein, dass die Herausforderung, Robotaxis für den Stadtverkehr zu entwickeln, doch "größer ist, als es viele gedacht hätten". Bei Bosch ist man sicher, dass zunächst in anderen Bereichen autonome Fahrfunktionen in Serie gehen werden - etwa in der Logistik oder im Zusammenspiel mit der Ausstattung von Parkhäusern, in denen Autos bald alleine einparken können. Auch in diesem Bereich läuft ein Pilotprojekt von Bosch mit Daimler, die Technik soll noch dieses Jahr am Stuttgarter Flughafen in Serie gehen.

Für den Autobauer Daimler ist es schon das zweite Projekt zum autonomen Fahren, das er mit einem Partner aus der deutschen Industrie gestartet hat, bei dem aber das ursprünglich ausgegebene Ziel nicht erreicht wurde. Auch mit BMW hatten die Stuttgarter einst große Pläne, gemeinsam eine Software zu entwickeln, die zumindest in bestimmten Fahrsituationen die Kontrolle übernimmt, während sich der Fahrer anderen Tätigkeiten widmen kann. Dabei ging es jedoch nicht ums hochautomatisierte Fahren in der Stadt wie im Bosch-Projekt (Level 4/5), sondern um Systeme auf Level 3, bei denen der Computer nur zeitweise das Auto alleine steuert. Doch auch die Kooperation mit BMW wurde vergangenes Jahr überraschend beendet.

Zumindest das Ende dieser Zusammenarbeit scheinen die Schwaben besser verkraftet zu haben als die bayerische Konkurrenz: Noch im Herbst dieses Jahres soll in der S-Klasse eine Funktion in Deutschland zugelassen werden, mit der der Fahrer auf der Autobahn bis 60 km/h die Kontrolle an das Auto abgeben kann. Ist das System aktiv, muss der Fahrer nicht mehr auf den Verkehr achten und kann in dieser Zeit zum Beispiel E-Mails beantworten oder Videos schauen. Kein anderer Hersteller - auch nicht die hochgelobte Konkurrenz aus dem Silicon Valley - hat bisher die Zulassung in einem Serienauto für ein derartiges Assistenzsystem erhalten.

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