Birkenstock:Der Inbegriff von "Made in Germany"

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Ein Klassiker von Birkenstock: die Sandalen sind derzeit weltweit in. (Foto: Ina Fassbender/imago)

Es ist offiziell: Birkenstock geht an die Börse, und zwar in New York. Aus den unmodischen Gesundheitslatschen ist längst ein It-Piece geworden, mit dem sich viel Geld machen lässt. Und bald noch mehr.

Von Theo Harzer

Das Börsenkürzel steht immerhin schon fest: Unter BIRK soll demnächst die Aktie von Birkenstock an der Börse in New York notiert werden. Möglicherweise ist es schon im Oktober so weit. Jetzt zumindest hat das Unternehmen aus dem Westerwald, bekannt für seine ergonomischen Sandalen, Einzelheiten zu seinem geplanten Börsengang angekündigt. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Linz am Rhein in Rheinland-Pfalz soll dem Finanzdienst Bloomberg zufolge mit mindestens acht Milliarden Dollar bewertet werden, möglicherweise auch mehr. Offenbar hofft Birkenstock, in den USA mehr Anleger zu gewinnen als in Europa.

Vor zwei Jahren hatte die Birkenstock-Gründerfamilie die Mehrheit der Traditionsfirma an die Beteiligungsgesellschaft L Catterton verkauft. Die soll damals Medienberichten zufolge rund vier Milliarden Euro gezahlt haben. Rund 65 Prozent liegen seither bei dem Finanzinvestor, etwa 20 Prozent hält Bernard Arnault, der Gründer des Luxuskonzerns LVMH, zu dem Marken wie Louis Vuitton, Dior und Bulgari gehören. Anteile hat auch noch die Gründerfamilie. Arnault sei mit dem bisherigen Birkenstock-Investment so zufrieden, dass er seine Beteiligungsposition nicht reduzieren, sondern mittelfristig aufstocken wolle, hieß es zuletzt. Für Birkenstock ist der Börsengang auch ein Risiko. Das Unternehmen muss jetzt liefern und seine Anleger mit hohen Renditen überzeugen. Es wird sich zeigen, ob und wie das Unternehmen weiter wachsen kann.

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Derzeit beschäftigt Birkenstock nach eigenen Angaben rund 6000 Mitarbeiter, die vor allem in Deutschland arbeiten. Seit dem Jahr 2013 soll das Unternehmen mehr als 3000 Arbeitsplätze geschaffen haben, zuletzt wurde für 120 Millionen Euro ein neues Werk in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern gebaut. Die größte Produktionsstätte von Birkenstock ist in Görlitz, dort arbeiten mehr als 1000 Mitarbeiter. Außerdem produziert das Unternehmen an vier weiteren Standorten in Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen. "Made in Germany" ist bei Birkenstock ein Qualitätsversprechen, das Unternehmen wirbt damit, seine Produkte zu 95 Prozent in Deutschland zu "montieren".

In Deutschland hat Birkenstock 23 eigene Geschäfte und weitere 15 Vertriebspartner. In den meisten Schuhläden sind die Sandalen aber auch erhältlich, außerdem in diversen Online-Shops. Den Anteil des Direktvertriebs am Umsatz steigerte Birkenstock von 18 Prozent im Geschäftsjahr 2018 auf zuletzt 38 Prozent. In dem bei der US-Börsenaufsicht eingereichten Papier vom Dienstag legt Birkenstock offen, dass 54 Prozent der Birkenstock-Kunden aus Süd-, Mittel- und Nordamerika kommen und nur 36 Prozent aus Europa. Außerdem seien 72 Prozent der Kunden weiblich. Die meisten Käufer entstammen mit 31 Prozent Millennial-Generation, gefolgt von den Babyboomern (30 Prozent), der Gen X (27 Prozent) und der Gen Z (zwölf Prozent).

Birkenstock-Fan- und -Eigentümer: LVMH-Chef Bernard Arnault. (Foto: IMAGO/Lafargue Raphael/ABACA)

Die große Nachfrage nach den luftigen Latschen sorgte im Jahr 2022 für einen Umsatz von 1,24 Milliarden Euro und einen Gewinn von 187 Millionen Euro. Für dieses Jahr kann das Unternehmen nochmal mit einer deutlichen Steigerung rechnen: Nachdem der Schuh einen prominenten Auftritt im Barbie-Film hatte, dem erfolgreichsten Film des Jahres, gab es einen großen "Birki-Hype", manche Modelle waren im Nachgang sogar vergriffen. Im Börsenprospekt listet Birkenstock auch Risken für das Geschäft auf. So gibt es im Internet verkaufte Fälschungen sowie ähnlich aussehende Schuhe der Eigenmarken von Handelskonzernen, was dem Image schaden könnte. Einige Designs von Birkenstock seien auch nicht geschützt, so dass das Unternehmen rechtlich nicht gegen Nachahmungen unter anderen Namen vorgehen könne.

Der Börsengang ist in jedem Fall der vorläufige Höhepunkt einer Unternehmensgeschichte, die bereits im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm. Birkenstock wirbt in Imagefilmen mit mehr als 240 Jahren Erfahrung mit Schuhen und zeichnet die Geschichte des Unternehmens auf seiner Webseite nach. Die Anfänge des heutigen Konzerns liegen demnach im Jahr 1774. Johannes Birkenstock wurde damals urkundlich als Schuhmachermeister erwähnt und gilt als Gründervater des Sandalenverkäufers.

Das Schuhmachen hielt sich in der Familie, knapp 150 Jahre später, im Jahr 1913, entwickelte ein Nachkomme von Johannes, Konrad Birkenstock, das orthopädische Fußbett, für das Birkenstock heute bekannt ist. Er ließ die Einlagensohle offiziell registrieren, dank ihrer Beschaffenheit aus Kork und Latex sollte sie besonders gesund sein und Fußleiden für ihre Träger vorbeugen. Obwohl die Idee eines gesunden Schuhs revolutionär war, gelang es Konrad nicht, sie an eine große Kundschaft zu verkaufen. Erst Konrads Enkel Karl Birkenstock formte aus den Ideen seiner Vorfahren einen Schuh für die Massenproduktion.

Birkenstock hat auch eigene Geschäfte, hier eine Filiale in Frankfurt. (Foto: Jan Huebner/imago)

Die erste Birkenstock-Sandale kam im Jahr 1963 auf den Markt. Und sie sieht man noch heute an den Füßen dieser Welt, im Grundsatz unverändert: Ein größenverstellbarer Riemen aus Leder, das charakteristische Fußbett. Anfangs konnte Birkenstock mit der neuen Sandale allerdings kaum Händler überzeugen, der Schuh galt als zu hässlich, klobig, unsexy. Dafür fand Karl Birkenstock Käufer, die weniger Wert auf Ästhetik legten: Ärzte und Pfleger, die die Sandalen als Arbeitsschuhe schätzen lernten. In den darauffolgenden Jahren stieg auch das öffentliche Interesse an gesundheitsfördernden und bequemen Schuhen: Neben Hippies und Alternativen in den USA, zogen sich bald auch Stubenhocker und Ökos in Deutschland den Schuh an. Der Birkenstock avancierte zum Inbegriff des Spießertums und wurde vor allem deshalb gekauft, weil er praktisch war. Im Laufe der 70er- und 80er-Jahre kamen neue Modelle auf den Markt, besondere Bekanntheit erlangte der "Arizona". Der Schuh mit den zwei Riemen prägt wie kein anderes Birkenstock-Modell das Image der Marke und kostet ungefähr 80 Euro oder mehr.

Das Unternehmen bezahlte lange Frauen schlechter als Männer

Während die Firma wuchs und auf eine erfolgreiche Zukunft zusteuerte, waren die Unternehmensstrukturen über Jahrzehnte rückständig. Birkenstock wehrte sich gegen Arbeitnehmervertretungen. Am Standort Görlitz wurde erst im Jahr 2019 ein Betriebsrat gewählt. Außerdem bezahlte Birkenstock Frauen lange schlechter als Männer. Bis ins Jahr 2013 sollen Frauen ungefähr einen Euro weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen verdient haben. Als diese Ungerechtigkeit an die Öffentlichkeit kam, folgten Klagen und Entschädigungszahlungen. Im gleichen Jahr wurde die Firma umstrukturiert. Externe Manager übernahmen die Führung von Birkenstock, die patriarchale Unternehmenskultur - bis dahin war die Firma immer von Managern aus dem Kreis der Familie Birkenstock geleitet worden - sollte abgeschafft werden.

Beliebt auch bei jungen Menschen: Birkenstock-Sandalen. (Foto: Matthias Nareyek)

Zu diesem Zeitpunkt war der Birkenstock schon lange vom schrulligen Gesundheitsschuh zu einem regelmäßigen Gast auf Laufstegen und Galas avanciert. Während die Sandalen in den 70er- und 80er-Jahren nichts mit Mode am Hut hatten, gar eine Gegenkultur der Modewelt symbolisierten, tauchten die Schuhe ab den 90er-Jahren an den Füßen von Models wie Kate Moss oder Heidi Klum auf. In den Folgejahren kooperierte die Firma mit weltberühmten Designern, zum Beispiel Rick Owens oder Maison Valentino, und verkaufte die Produkte für mehr als 200 Euro. Das Bild der Sandale hatte sich gewandelt. Sie war, in all ihrer Hässlichkeit, zu einem Fashion Icon geworden.

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