In Deutschland gibt es ein populäres Gesellschaftsspiel - ausgetragen wird es vorwiegend an Werktagen. Als mitunter ziemlich triste Schauplätze fungieren die knapp 15 000 Tankstellen der Republik. Die Mitspieler sind, jedenfalls gefühlt, überwiegend Männer. Sie alle machen mit bei der Jagd nach den günstigsten Spritpreisen. Ihren Höhepunkt erreichen die Aktivitäten deutlich nach Feierabend, etwa von 19 Uhr an. Die Regeln aber, nach denen gespielt wird, bestimmen die Mineralölkonzerne des Landes.
Doch neuerdings, so informierte jetzt das Bundeskartellamt, haben die Spritlieferanten ohne Ankündigung und für viele kaum merklich ihre Spieregeln ein wenig geändert. Zwar gelte weiterhin, so verkündeten die Wettbewerbshüter in ihrem "Jahresbericht der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe", dass die Preise für Benzin und Diesel "meist morgens" von etwa 5 bis 8 Uhr am höchsten und abends zwischen 18 und 22 Uhr am niedrigsten sind. Wobei es aber auch abends zu kleinen Preisanhebungen komme. Ganz neu sei jedoch: Während es noch "bis vor Kurzem meist fünf tägliche Preisspitzen gab, zeigten sich in den letzten Wochen vermehrt Veränderungen des typischen Tagesverlaufs". So sei es Ende März und Anfang April bei "mehreren großen Marken" zweitweise zu "sechs Preisspitzen" gekommen (siehe Grafik). Und auffällig dabei ist: Etwa gegen 19.30 Uhr, zu einer Zeit also, zu der bereits viele vermeintlich erfahrene Spritpreisjäger unterwegs sind, drehen die Konzerne neuerdings ein bisschen stärker an der Preisschraube.
Natürlich ist den Wettbewerbshütern auch nicht entgangen, dass die Kraftstoffpreise im Trend zuletzt teils deutlich gestiegen sind. Während sie im Frühjahr 2020 mit einem pandemiebedingt sehr niedrigen Rohölpreis ein Tief erreichten, lagen sie Ende Februar 2021 wieder ähnlich hoch wie Anfang 2020. Als Gründe nennt das Kartellamt auch die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer sowie die vom Staat seit Jahresanfang erhobene Abgabe auf Kohlendioxid.
Es gibt viele Apps für den Preisvergleich
Die Empfehlung der Wettbewerbshüter an die Autofahrer lautet, sich vor dem Tanken über die aktuellen Spritpreise zu informieren - was mit Online-Diensten und Apps leicht möglich ist, man muss nur das Wort "tanken" eingeben, um eine Vielzahl von Angeboten zu finden. Das Kartellamt erteilt aber auch Ratschläge, um "mit wenig Aufwand viel Geld" zu sparen. So gebe es an ein und derselben Tankstelle im Schnitt Preisunterschiede von etwa zwölf Cent pro Tag. Und wer alle Tankstellen in seiner Stadt vergleiche, stoße binnen 24 Stunden sogar auf Preisunterschiede von bis zu 22 Cent pro Liter. Wer also 50 Liter tankt, kann locker bis zu elf Euro sparen - oder verschwenden. Tankausflüge von der Stadt ins Umland, so das Amt, lohnten eher weniger. Ein teures Pflaster seien aber die Autobahntankstellen, gerade hier empfehle es sich, günstige Alternativen zu suchen.
Kann man dem Sprit-Roulette nicht entrinnen? Steffen Bock, Chef des Preisinformationsdienstes "Clever tanken", der auch eine Tank-App anbietet, verspricht Linderung. Bocks Firma kooperiert mit bundesweit rund 400 HEM-Tankstellen, die zur libyschen Tamoil-Gruppe gehören. Ohne die App zahlt man auch an diesen Stationen den regulär angezeigten Preis. Mit App bekommt man als "clever deal" zu jeder Tageszeit einen reduzierten Spritpreis - dazu muss man aus der App einen Barcode aufs Mobiltelefon herunterladen und vor dem Bezahlen an der Kasse präsentieren. Laut Bock wird der Dienst, der sich über Werbung finanziert, "22 Millionen mal pro Monat" aufgerufen. Den Rabatt, sagt er, nutzten derzeit "100 000 plus x" Autofahrer. Was er taugt, muss natürlich jeder selber testen.