Erdgas:Was das Pipeline-Leck in der Ostsee für die Gasversorgung bedeutet

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Die Pipeline von Estland nach Finnland durch die Ostsee heißt Balticconnector. (Foto: Elering/Reuters)

Die Gas-Pipeline von Estland nach Finnland wurde offenbar mutwillig beschädigt. Fehlt in Deutschland und in Europa jetzt bald Gas?

Von Nakissa Salavati

Finnland war früh dran, und nun muss man sagen: zum Glück. Das Land hat vorgesorgt, seit Anfang 2023 kann ein Terminal im Süden des Landes Flüssigerdgas, kurz LNG, verarbeiten und speichern. Inkoo heißt der Ort, an dessen Hafen das Terminal schwimmt, und es ist auch der Ort, an dem die Pipeline von Estland in Finnland endet. Es ist die "Balticconnector", jene Pipeline, die gerade mutmaßlich vorsätzlich beschädigt wurde. Finnlands Regierung und Sicherheitsapparat vermuten, dass Russland dahinter steckt. Wieder ein Leck also, ein Jahr nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines. Doch auch wenn der Sabotageverdacht Finnland und Europa nun politisch beunruhigen - wirtschaftlich lässt es sich verkraften, wenn kein Erdgas mehr durch die Pipeline läuft.

Denn die EU hat schon vor dem russischen Angriffskrieg und der Energiekrise den Ausbau von Pipelines und Terminals subventioniert, "das hilft jetzt", sagt Andreas Schröder vom Analyseunternehmen ICIS: "Europa hat einen Binnenmarkt für Erdgas geschaffen, in dem der Energieträger beinahe beliebig um- und weitergeleitet werden kann." Gestärkt wurde das System auch mithilfe von Interconnectoren-Pipelines wie zwischen Finnland und Estland, die in beide Richtungen Gas leiten können.

Allerdings spürt man in einem verbundenen System auch die Auswirkungen, wenn es an einer Stelle Probleme gibt. Deswegen ist Deutschland als Abnehmer im Markt indirekt betroffen. Schröder hält die Auswirkungen für die deutsche und europäische Versorgung aber für marginal: "Die Mengen sind im Verhältnis so gering, dass die Balance ungestört bleibt - es ist noch genug da." Deutschland hat drei LNG-Terminals, an denen vor allem LNG-Gas aus den USA und aus Katar landet, Norwegen liefert über Pipelines nach Mitteleuropa. In Belgien sichert das große LNG-Terminal in Zeebrügge die Versorgung nach Deutschland. Die Speicher für den Winter sind hierzulande zu etwa 97 Prozent gefüllt.

Sind die Pipelines aus Norwegen in Gefahr?

Finnland wiederum muss nun verstärkt auf Flüssigerdgas setzen. Große Gasspeicher hat das Land keine, aber das Terminal in Inkoo kann Flüssigerdgas von Tankschiffen nicht nur aufnehmen und verarbeiten, sondern auch speichern. "Die Kapazität liegt bei fünf Milliarden Kubikmeter LNG-Gas, das ist viel mehr, als Finnland selbst verbraucht", sagt Schröder. Das Land ist zwar kein Erdgasproduzent, "abhängig ist es aber nicht von den Importen, anders als Deutschland", meint der Energie-Experte. So liegt der Erdgasanteil am Energieverbrauch in Finnland bei etwa sechs Prozent, in Deutschland sind es etwa 25 Prozent, zeigen Daten der Internationalen Energieagentur.

Den Großteil seiner Energie bezieht Finnland aus Kernkraft, Wasserkraft und Wind. Immerhin meldete der finnische Radiosender Yle, dass Strom-Futures, also Langfristverträge, bereits deutlich teurer werden, als Folge der höheren Erdgaspreise. Ganz unabhängig von Erdgas sei Finnland nicht, meint Schröder: "Die Industrie in Finnland braucht Erdgas für ihre Prozesse." Es gehört aber zu jenen reichen Staaten, die sich auch den spontanen Einkauf von LNG-Gas am Weltmarkt leisten können. "Das ist ein logistischer Aufwand, weil die Schiffe kommen müssen, wenn man sie braucht. Aber grundsätzlich ist das möglich", sagt Schröder.

Dass die geopolitischen Folgen größer als die wirtschaftlichen sind, zeigt auch die Debatte in Finnland selbst, sie beschäftigt sich vor allem mit der Sicherheitsfrage und dem Verhältnis zu Russland. Die Energieversorgung sei nicht beeinträchtigt, hieß es in einem Statement zum jährlichen Sicherheitsbericht dann auch nur kurz.

Die Angriffe auf kritische Infrastruktur verdeutlichen allerdings, dass auch andere Leitungen nicht geschützt sind. Die Pipelines aus Norwegen, seit der Energiekrise einer der wichtigsten Erdgas-Lieferanten Europas, seien theoretisch angreifbar, weil sie teils in extraterritorialen Gewässern verlaufen, meint Schröder. "Das lässt sich schlecht alles kontrollieren."

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