Energie:Warum der Gaspreis plötzlich so stark steigt

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Die Tamar-Gasplattform liegt nur 20 Kilometer vom Gazastreifen entfernt im Mittelmeer. (Foto: Getty Images)

In nur drei Tagen hat sich der Preis für Erdgas um 40 Prozent erhöht, auch wegen des Krieges in Israel. Über kurz oder lang kommt das auch bei den Verbrauchern an.

Von Harald Freiberger

Der Preis für Erdgas ist in den vergangenen Tagen besorgniserregend gestiegen - und der Grund dafür ist unter anderem der Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas. Eine Megawattstunde des maßgeblichen Terminkontrakts TTF kostete am Mittwoch fast 50 Euro, ein Plus von rund 40 Prozent innerhalb von nur drei Handelstagen. Der abrupte Preisanstieg war Folge einer Serie schlechter Nachrichten. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Israel wegen Sicherheitsbedenken den US-Energiekonzern Chevron anwies, ein großes Gasfeld im Mittelmeer zeitweise stillzulegen. Die Tamar-Offshore-Plattform liegt nur etwa 20 Kilometer vom entfernten Gazastreifen im Meer.

"Es handelt sich um kein allzu großes Gasfeld, aber die Schließung wirkte sich vor allem psychologisch auf den Gaspreis aus", sagt Andreas Schröder vom Analysehaus ICIS. Denn kurz zuvor hatte es Meldungen über einen abrupten Druckabfall in einer Gaspipeline zwischen Finnland und Estland gegeben. Am Mittwoch bestätigte die finnische Regierung, dass dies durch Gewalteinwirkung entstanden sei. Die Pipeline dürfte über den Winter geschlossen bleiben. Der Fall erinnert an den Anschläge auf die Gaspipelines Nord-Stream 1 und 2 vor gut einem Jahr, die immer noch nicht aufgeklärt sind. Er zeigt erneut, wie anfällig die Gasversorgung gegenüber Gewalt und Terror ist. Das verunsichert den Markt.

Zudem kam aus Australien noch die Nachricht, dass die Arbeiter von zwei großen Flüssigerdgas-Projekten ihre Streiks wieder aufnehmen wollen. Indirekt könnte dies auch die europäische Gasversorgung negativ beeinflussen, wenn asiatische Versorger - die Abnehmer des Flüssigerdgases aus Australien - sich vermehrt nach Alternativen umsehen müssen.

Kurz vor dem Winter sind negative Nachrichten besonders kritisch

"Die Serie dieser negativen Nachrichten hat zu der starken Preisreaktion geführt", sagt Analyst Schröder. In den vergangenen Monaten hatte sich die Situation entspannt. Der Füllstand der deutschen Gaslager liegt gegenwärtig bei rund 95 Prozent, einem historischen Höchststand. Das ist auch eine Folge der Panik, die nach Ausbruch des Ukraine-Krieges entstand, als Russland die Gasversorgung nach Europa kappte. Besonders Deutschland war abhängig vom russischen Erdgas. Regierung und Gasindustrie mussten binnen kurzer Zeit nach Alternativen suchen. Der Preis stieg damals auf bis auf 350 Euro pro Megawattstunde.

Die Versorger in Deutschland haben daraus gelernt und die Lager gefüllt. Der wieder gefallene Gaspreis half ihnen dabei. "Vielleicht hat man sich zuletzt in falscher Sicherheit gewiegt", sagt der Experte. Denn der Preis sei auf ein fast schon zu niedriges Niveau gesunken angesichts der weltweiten Risiken, die nach wie vor bestehen. Zu diesen Risiken ist nun noch der Krieg in Israel dazugekommen. "Das führt allen vor Augen, wie angespannt die Situation nach wie vor ist - und deshalb jetzt die starke Preisreaktion."

Analyst Schröder erwartet, dass der Gaspreis erst einmal auf dem hohen Niveau bleibt, zumal Verkäufer in der kalten Jahreszeit Erdgas teurer handeln können. Es könne in den nächsten Wochen auch zu starken Preisschwankungen kommen.

Ob und wie sich der zuletzt gestiegene Gaspreis auf Endkunden auswirkt, ist indes noch nicht absehbar. Viele Versorger haben nach Einschätzung von Marktexperten noch nicht einmal den Preisrutsch in den vergangenen Monaten an ihre Kunden weitergegeben. Bewegungen auf dem Markt zeigen sich immer erst mit der Verzögerung von einigen Monaten auf den Rechnungen der Gaskunden. "Eine pauschale Aussage dazu ist nicht möglich, da jeder Versorger eine eigene Einkaufsstrategie verfolgt und eigene Abrechnungszeiträume hat", sagt Schröder. Aber eines sei auch klar: "Jede Preiserhöhung kommt über kurz oder lang beim Verbraucher an."

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