Pipeline "Balticconnector":Schon wieder ein Leck

Lesezeit: 3 min

Plötzlich war der Druck weg: die Kompressorstation der Pipeline Balticconnector im finnischen Inkoo. (Foto: Lehtikuva/Reuters)

Ein Jahr nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Leitungen in der Ostsee taucht der nächste Schaden an einer Gaspipeline auf - diesmal trifft es die "Balticconnector" zwischen Finnland und Estland. Die beiden Regierungen vermuten Fremdeinwirkung dahinter.

Von Alex Rühle

Am Sonntagmorgen meldete die finnische Firma Gasgrid einen ungewöhnlichen Druckabfall in der Gaspipeline zwischen Finnland und Estland. Um zwei Uhr morgens war in der Unternehmenszentrale und beim estnischen Gasnetzbetreiber Elering Alarm ausgelöst worden, weil die Überwachungsanzeige Unregelmäßigkeiten in der Leitung entdeckt hatte. Daraufhin wurden die zentralen Ventile der 77 Kilometer langen Pipeline geschlossen, sodass kein Gas entweichen konnte. "Finnlands Gasversorgung ist gesichert", hieß es in der kurzen Unternehmensmitteilung, "Gasgrid Finnland untersucht den Vorfall".

Dann war nichts mehr zu hören - die Kriminalpolizei schickte Boote aus, gab aber keine Meldung heraus - bis am Dienstagnachmittag das finnische Präsidialamt eine Meldung verschickte, die das ganze Land aufrüttelte: Es sei wahrscheinlich, dass die Beschädigung an Balticconnector - so der Name der Pipeline - sowie an einem großen Datenkabel, das neben der Pipeline entlangführt, auf "externe Aktivitäten" zurückzuführen sei: "Es ist wahrscheinlich, dass es bei den Schäden an der Gaspipeline und dem Kommunikationskabel um Mitwirkung von Dritten handelt." Die genaue Ursache sei unklar, Finnland setze seine gemeinsame Untersuchung mit den estnischen Behörden fort.

Nach Angaben des estnischen Verteidigungsministers Hanno Pevkur sind die Schäden durch schwere Gewalteinwirkung entstanden. "Es ist deutlich zu erkennen, dass diese Schäden durch eine ziemlich starke Kraft verursacht wurden", sagte Pevkur. "Was es also genau ist, müssen wir noch präzisieren, aber im Moment sieht es eher danach aus, dass es sich um mechanische Einwirkungen beziehungsweise mechanische Zerstörung handelt."

Stoltenberg sichert Unterstützung der Nato zu

Die Nachricht aus Finnland kommt fast genau ein Jahr nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines auf dem Grund der Ostsee; trotz monatelanger Ermittlungen in mehreren Staaten konnte bislang nicht abschließend geklärt werden, wer hinter der damaligen Sabotage steckt. Die 2020 eröffnete Erdgaspipeline Balticconnector verläuft zwischen dem finnischen Inkoo/Ingå und Paldiski in Estland durch die Ostsee und kreuzt die Nord-Stream-Leitungen.

Als im September 2022 die beiden Nord-Stream-Pipelines zwischen Dänemark, Schweden und Deutschland durch Explosionen beschädigt wurden, schlugen seismische Messinstrumente aus. Finnische und estnische Seismologen konnten zum Zeitpunkt des Druckabfalls in der Nacht zum Sonntag zunächst keine seismischen Aktivitäten feststellen. Das norwegische Seismologie-Institut Norsar sprach allerdings anhand von Daten, die an seismischen Stationen entlang der finnischen Küste gesammelt wurden, am Dienstag von einer "wahrscheinlichen Explosion" in der Nähe des Standorts der Pipeline. Zugleich verwies das Institut aber darauf, dass weitere Analysen nötig seien.

Der finnische Präsident Sauli Niinistö sagte zu dem nun entdeckten Schaden in einer Ansprache im finnischen Fernsehen, das Land sei im Austausch mit seinen "Alliierten und Partnern", er selbst habe mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesprochen. Stoltenberg schrieb danach auf dem Nachrichtendienst X, ehemals Twitter: "Die Nato steht bereit, die betroffenen Alliierten zu unterstützen." Am Mittwoch drohte Stoltenberg mit einer Antwort des Verteidigungsbündnisses: "Wenn sich herausstellt, dass es sich um einen Angriff auf kritische Nato-Infrastrukturen handelt, wird die Nato geschlossen und entschlossen darauf reagieren."

Die finnische Tageszeitung Iltalehti schreibt, laut Quellen im Sicherheitsapparat vermuteten sowohl die Regierung als auch das Militär Russland hinter dem Leck. Iltalehti berichtet außerdem, dass sich Mitte September in der Nähe der Pipeline die russische Sibirjakow aufgehalten habe, ein ozeanografisches Forschungsschiff, das laut BBC vor den Anschlägen auf Nord Stream auch in der Nähe dieser Pipelines gesichtet worden war. Die deutschen Ermittler verfolgen im Fall Nord Stream allerdings stattdessen Spuren, die bisher in Richtung Ukraine weisen.

Eine Sprengung? Erschütterungen wurden jedenfalls nicht festgestellt

Finnlands Präsident Niinistö äußerte sich weder in einer Pressekonferenz noch in einem Interview mit der Tageszeitung Helsingin Sanomat zur Urheberschaft. Auf die Frage, ob er Russland hinter dem Anschlag vermute, sagte er: "Jetzt wollen wir zunächst herausfinden, wie es zu diesen Schäden kam."

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alles, was Sie heute wissen müssen: Die wichtigsten Nachrichten des Tages, zusammengefasst und eingeordnet von der SZ-Redaktion. Hier kostenlos anmelden.

Premierminister Petteri Orpo betonte in einer kurzen Pressekonferenz, Finnlands Versorgungssicherheit sei gewährleistet, aber man habe "die allgemeine Bereitschaft erhöht". Das Leck liege im Gebiet der finnischen Wirtschaftszone, wohingegen das Datenkabel auf estnischem Gebiet beschädigt worden sei. Estlands Präsident Alar Karis sprach von "sehr beunruhigenden Nachrichten".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusExklusivNord-Stream-Sprengung
:Explosive Ermittlung

Vor einem Jahr zerstörten Sprengladungen die Ostsee-Pipelines von Russland nach Deutschland. Neue Hinweise legen nahe, dass tatsächlich ein ukrainisches Kommando den Anschlag verübt haben könnte. Rekonstruktion eines verhängnisvollen Segeltörns.

Von Jörg Schmitt, Lea Weinmann und Ralf Wiegand

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: