Eilantrag abgelehnt:Klage der Bahn scheitert - GDL-Streik wie geplant am Dienstag angelaufen

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Die Deutsche Bahn wollte den Streik noch kurzfristig aufhalten - ohne Erfolg. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Der Konzern ist mit einem Eilantrag vor Gericht gescheitert. Der bundesweite Streik der Lokführer im Fern- und Nahverkehr hat wie geplant in der Nacht zum Dienstag begonnen. Auch Lufthansa-Passagiere müssen mit Einschränkungen rechnen.

Von Benedikt Peters und Vivien Timmler, Berlin

Die Deutsche Bahn ist bei dem Versuch gescheitert, den ersten "Wellenstreik" der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu unterbinden. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies am späten Montagabend den Antrag des Konzerns auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den GDL-Streik zurück. Der Ausstand sei nicht unverhältnismäßig, sagte Richterin Stephanie Lenze.

Der Streik im Personenverkehr begann in der Nacht zum Dienstag wie geplant um 2.00 Uhr und soll 24 Stunden dauern, wie eine Bahnsprecherin am Morgen bestätigte. Fahrgäste müssen mit großen Einschränkungen rechnen. Die Bahn hat einen Notfahrplan organisiert. "Es ist uns gelungen, im Fernverkehr trotz der kurzfristigen Streikankündigung der GDL wieder ein Grundangebot von rund 20 Prozent des üblichen Fahrplans anzubieten", sagte eine Bahnsprecherin am Dienstagmorgen. Im Regionalverkehr ist das Angebot je nach Region unterschiedlich. Fahrgäste müssen den ganzen Tag über erneut mit großen Einschränkungen im Personenverkehr rechnen. Sie sind gebeten, sich über die Auskunftskanäle der Bahn über ihre Fahrt zu informieren. Der Güterverkehr wird bereits seit 18 Uhr am Montagabend bestreikt.

Auch Zehntausende Lufthansa-Passagiere müssen mit Einschränkungen rechnen: Am Dienstagmorgen um 4.00 Uhr trat das von der Gewerkschaft Ufo organisierte Kabinenpersonal am Frankfurter Flughafen in den Ausstand. Bis 23.00 Uhr sollen an Deutschlands größtem Flughafen alle Lufthansa-Abflüge bestreikt werden, wie eine Sprecherin der Gewerkschaft bestätigte. Die Lufthansa ging am Montag davon aus, dass wegen des Ausstands 600 Flüge in Frankfurt ausfallen werden, 70 000 Passagiere seien davon betroffen. Für diesen Mittwoch (13.03.) hat Ufo dann das Lufthansa-Kabinenpersonal am Flughafen München von 4.00 Uhr bis 23.00 Uhr zum Streik aufgerufen. Dort werden nach Einschätzung der Lufthansa 400 Flüge mit 50 000 Fluggästen nicht abheben können.

Bahn legt Berufung ein

"Das Gericht hat es zum wiederholten Male bestätigt: Die Streiks der GDL sind verhältnismäßig, zulässig, rechtmäßig", sagte der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky. Die Bahn sieht das freilich anders: Sie geht nach der Entscheidung des Gerichts in Berufung und wird das Urteil nach eigener Aussage in der zweiten Instanz vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht überprüfen lassen. Wann genau die Entscheidung im Berufungsverfahren fällt, war am Montagabend noch nicht absehbar.

Der Konzern hatte sich in seiner Argumentation vor Gericht insbesondere auf die Kurzfristigkeit des neuerlichen Ausstands gestützt. Der Vorlauf von nur 22 Stunden im Güterverkehr ("und das an einem Sonntagabend") sei "eine blanke Zumutung", sagte Bahn‑Personalvorstand Martin Seiler. Im Personenverkehr beträgt die Zeit zwischen Ankündigung und Streik etwas weniger als 30 Stunden. Weselsky hatte diese Art von Arbeitskämpfen - er spricht von "Wellenstreiks" - bereits vor einer Woche angedeutet. Bisher hatte die GDL ihre Streiks meist mit mindestens 48 Stunden Vorlauf angekündigt. Damit soll nun Schluss sein. Statt mit mehrtägigen Streiks will Weselsky die Bahn nun mit vielen kleinen, vergleichsweise kurzfristigen Streiks lahmlegen. Er weiß: Je kürzer die Ankündigungsfrist, desto schwerer dürfte es der Bahn fallen, noch einen Notfahrplan aufzustellen. Die "Unplanbarkeit des Zugverkehrs", die sich aus diesen neuen Streiks ergebe, sei jedoch nicht hinnehmbar, so Seiler. "Wir halten diese Wellenstreiks für unverhältnismäßig." Sie gefährdeten die Versorgung im Land.

"Nicht das ganze Land lahmlegen"

In der laufenden Tarifrunde hat der Konzern schon einmal versucht, einen Arbeitskampf der GDL per Klage zu verhindern, hatte dabei aber in zwei Instanzen keinen Erfolg. Nun ist er erneut gescheitert. Den Richtern geht es bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Streiks immer um die Verhältnismäßigkeit. Wo genau jedoch die Grenze verläuft, also wie viele Stunden zwischen Ankündigung und Streik liegen müssen, ist bislang gerichtlich nicht eindeutig geklärt - bei 22 beziehungsweise 30 Stunden scheint die Grenze jedenfalls offenbar nicht zu liegen.

Die GDL hatte sich ohnehin auf den Standpunkt gestellt, "die Arbeitskampfmaßnahme rechtzeitig vorher" angekündigt zu haben und die nötige Verhältnismäßigkeit somit zu wahren. Die Richter sind dieser Argumentation gefolgt. "Da der DB-Vorstand seit dem 19. Januar 2024 bis einschließlich heute kein neues Angebot unterbreitet hat, führt dies unweigerlich in den Arbeitskampf", argumentiert Weselsky.

Die Deutsche Bahn sieht das freilich anders. Der neuerliche Streik der GDL sei auch deswegen grundlos, weil der Konzern mehrfach betont habe, die Verhandlungen auf Grundlage des Gesamtvorschlags der Moderatoren - inklusive 36‑Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich - zu Ende führen zu wollen. "Wer eine Arbeitszeitreduzierung von 38 auf 35 Stunden fordert und in einem Gesamtpaket 36 Stunden bekommen könnte, der darf nicht das ganze Land lahmlegen", so Seiler.

Immerhin: Der Notfahrplan steht

Auch unabhängig von der nun gefallenen Entscheidung der Richter ist der Konflikt zwischen der GDL und der Bahn bei Weitem noch nicht gelöst. In mehreren Punkten liegen die beiden Seiten noch über Kreuz, nicht nur in Sachen 35-Stunden-Woche. Bei anderen Zugunternehmen hat die GDL eine Gehaltserhöhung von 420 Euro monatlich durchgesetzt; die Bahn biete aber de facto nur gut 380 Euro, kritisiert die GDL. Uneins ist man sich außerdem über Urlaubsregelungen, Teilzeitmodelle und die Frage, wie lang und für wen der Tarifvertrag der GDL bei der Bahn gelten soll.

Nachdem die beiden Seiten zuletzt vier Wochen am Stück verhandelt hatten, hatte die GDL deshalb die Gespräche abgebrochen und will sie nur wiederaufnehmen, wenn die Bahn ihr ein neues, verbessertes Angebot macht. Dieses solle die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und eine monatliche Gehaltserhöhung von etwa 420 Euro umfassen, forderte GDL-Chef Weselsky. Die Bahn verweigert dieses neue Angebot bisher, weshalb die erste Welle nicht die letzte bleiben dürfte.

Die Deutsche Bahn wird am Dienstag eigenen Angaben zufolge ein Grundangebot von etwa 20 Prozent des üblichen Fahrplans im Fernverkehr anbieten. Der Konzern weist jedoch darauf hin, dass das Einstellen und Wiederhochfahren des Betriebs hochkomplex sei: 23 000 Zugfahrten des Fern- und Regional- sowie S‑Bahnverkehrs müssen neu geplant, der Einsatz von Hunderten Zügen und Tausenden Mitarbeitenden neu disponiert werden. Dazu sei ein entsprechender Vorlauf notwendig. Das sieht das Gericht prinzipiell auch so, sieht ihn im aktuellen Streikfall jedoch als ausreichend an.

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