Tarifstreit:Bahn stemmt sich mit Notfall-Fahrplan gegen Streik

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Die Lichter stehen auf Rot: Wenn ein Gericht das nicht verhindert, kommt es zu einem dreitägigen Bahnstreik. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der Arbeitskampf der Lokführer wird den Zugverkehr in Deutschland für drei Tage weitgehend lahmlegen. Mit einem Eilantrag gegen den Streik ist die Deutsche Bahn vorerst gescheitert. Am Dienstag soll es ein weiteres Urteil geben.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters, München

Die Deutsche Bahn versucht, die schlimmsten Folgen des angekündigten dreitägigen Bahnstreiks abzufedern. Wie schon bei den beiden Warnstreiks vergangenes Jahr gibt es von Mittwoch bis Freitag einen Notfahrplan, wie das Unternehmen mitteilt. Allerdings rechnet die Bahn damit, dass Millionen Zugreisende vom Streik der Lokführergewerkschaft GDL betroffen sein werden. Dies würde sich nur ändern, falls sich der Konzern bis Dienstag mit seinem Eilantrag gegen den Arbeitskampf vor Gericht durchsetzt. In der ersten Instanz ist die Bahn damit aber am Montagabend vor dem Arbeitsgericht Frankfurt gescheitert. "Die GDL ist nicht offenkundig tarifunfähig", sagte die Vorsitzende Richterin zur Begründung.

Bei einem Notfahrplan werden deutlich weniger Züge verkehren. Der Konzern will auf den verbleibenden Verbindungen zwar längere Züge mit mehr Sitzplätzen einsetzen, damit möglichst viele Menschen an ihr Ziel kommen. Eine Mitfahrt kann die Bahn aber nicht garantieren. Die Auswirkungen des Streiks dürften daher einschneidend sein. Bei den bisherigen Warnstreiks fielen im Fernverkehr 80 Prozent der Züge aus. Auch im Regionalverkehr dürfte es massive Einschränkungen geben. Die Bahn rät, nicht notwendige Fahrten zu verschieben, und will bei den Tickets kulant sein.

"Für unseren Geschmack könnte man häufiger verhandeln, bevor man mit Streiks beginnt", sagt der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Detlef Neuß, der Süddeutschen Zeitung. Er forderte, die Fahrgäste stärker zu schonen: "In Italien und Frankreich werden mit den Gewerkschaften Streikfahrpläne vereinbart, um ein Mindestangebot an Verbindungen aufrechtzuerhalten. Das wäre auch in Deutschland gut." Dann würden weniger Züge ausfallen, sagt Neuß. Immerhin sei die GDL anders als bei den Warnstreiks 2023 der Aufforderung gefolgt, den aktuellen Streik nicht nur einen, sondern gut zwei Tage vorher anzukündigen. "So können Arbeitnehmer leichter Home-Office vereinbaren oder mit Kollegen eine Fahrgemeinschaft bilden."

Die Bahn versucht seit Montag, den 64-stündigen Streik von der Nacht auf Mittwoch bis Freitagabend 18 Uhr noch juristisch zu stoppen. Sie reichte beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main einen Eilantrag auf einstweilige Verfügung ein, um den Arbeitskampf zu verhindern. "Dieser Streik ist nicht nur absolut überflüssig, sondern wir halten ihn auch rechtlich für nicht zulässig", erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Die Lokführergewerkschaft habe ihre Tarif-Fähigkeit verloren, weil sie eine Leiharbeiter-Genossenschaft gegründet hat. Mit dieser Genossenschaft Fair Train will der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky Lokführer von der Bahn abwerben und sie dann zu eigenen Löhnen an den Konzern zurück verleihen. Damit tritt sie aus Sicht der Bahn wie ein Arbeitgeber auf.

Klage wird wohl erst am Dienstag endgültig entschieden

Gewerkschaftschef Weselsky gab sich dazu zunächst entspannt. Genossenschaft und Gewerkschaft seien sauber voneinander getrennt. Die Bahn verbinde diese Frage unzulässigerweise mit ihrer Klage gegen den Streik und werde scheitern. In der Klage wegen der Genossenschaft zeige sich "erneut die Verzweiflung eines sozialfremden Arbeitgebers", der kein noch so abwegiges Mittel scheue, um die starke Gewerkschaft zu eliminieren.

"Wir setzen darauf, dass das Recht auf unserer Seite ist", sagte Weselsky. "Wir haben rechtmäßig Forderungen erhoben, rechtmäßig alle Tarifverträge gekündigt und sind der festen Überzeugung, dass wir auch dieses Mal vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen." Ein dreitägiger Streik sei bestimmt nicht unverhältnismäßig.

Bei Klagen gegen Arbeitskämpfe gewinnen vor Gericht häufiger die Gewerkschaften. Allerdings kann das auch mal anders laufen. Vergangenes Jahr stoppte die weitaus größere GDL-Konkurrenzgewerkschaft EVG einen geplanten Streik, nachdem die Bahn vor Gericht gezogen war und es zu einem Vergleich gekommen war.

Bei der aktuellen Auseinandersetzung ist die Bahn am Montagabend der GDL zunächst unterlegen. Das Arbeitsgericht Frankfurt lehnte am Montag eine einstweilige Verfügung gegen den Streikaufruf der Gewerkschaft GDL ab. Gegen die Entscheidung ist eine Berufung beim Hessischen Landesarbeitsgericht möglich. Die Bahn erklärte sogleich, dass sie in Berufung geht. Damit wird über die Klage voraussichtlich erst am Dienstag endgültig entschieden - weniger als einen Tag vor dem geplanten Streik. Wie die Bahn hat auch der ebenfalls bestreikte regionale Zugbetreiber Transdev gegen die Gewerkschaft geklagt. Transdev scheiterte am Montag ebenfalls in erster Instanz mit der Klage. Die bloße Behauptung einer wirtschaftlichen Überforderung seitens des Unternehmens genüge nicht, um einen Streik zu untersagen, erklärte die Vorsitzende Richterin zur Begründung.

Die Gewerkschaft der Lokführer hatte am Sonntagabend angekündigt, den Zugverkehr in Deutschland diese Woche erstmals in dieser Tarifrunde mehrere Tage am Stück lahmzulegen. Dadurch sind noch weit mehr Zugausfälle zu erwarten als bei den Warnstreiks im November und Dezember, die jeweils einen Tag andauerten. Die Ankündigung am Sonntag beendete den Versuch der Bahn, den von der GDL schon länger anvisierten Großstreik durch ein neues Angebot zu verhindern.

Bahn-Personalvorstand Seiler will der Gewerkschaft dabei zum ersten Mal in dieser Tarifrunde bei ihrer Kernforderung entgegenkommen, kürzere Arbeitszeiten durchzusetzen. So sollen Schichtarbeiter statt bisher 38 Stunden die Woche frei wählen können, ob sie 35 Stunden arbeiten. Durch bestimmte Apps sollen die Beschäftigten zudem 80 Prozent ihrer Schichtwünsche realisieren können.

Allerdings klafft da noch ein großer Unterschied. GDL-Chef Claus Weselsky verlangt, die Arbeitszeit auf 35 Stunden abzusenken, ohne dass die Beschäftigten einen Cent weniger Gehalt bekommen. Diesen vollen Lohnausgleich hat die Bahn bisher völlig abgelehnt. Nun erklärte Personalvorstand Seiler zum Lohnausgleich immerhin, er wolle mit der GDL darüber reden, "was sich umsetzen lasse".

Das ist der Gewerkschaft viel zu wenig. Das neue Angebot sei "substanzlos und vergiftet". Weselsky verweist auf jüngste Tarifabschlüsse mit den regionalen Bahnbetreibern Netinera und Go-Ahead. Diese hätten erkannt, welchen Belastungen ihre Beschäftigten ausgesetzt seien und dass es dringend Anreize brauche, um die jahrelang vernachlässigten Berufe wieder attraktiv zu machen. Die erwähnten Firmen gewährten nicht nur Lohnerhöhungen, sondern wollten die Arbeitszeit von 2025 an ohne Lohnkürzung schrittweise auf 35 Stunden reduzieren. Sie zeigten dadurch, "dass Mitarbeitermotivation nicht nur eine hohle Phrase ist und haben damit Arbeitskämpfe überflüssig gemacht", erklärt die GDL.

Fahrgäste können beim Streik Tickets später nutzen

Die GDL hatte sich bei ihren Mitgliedern bereits vor Weihnachten die Zustimmung für unbefristete Streiks bei der Bahn geholt. Wenn dabei ein Zug gar nicht fährt oder absehbar mindestens eine Stunde zu spät ankommt, kann ein Bahnreisender den Ticketpreis zurückverlangen. Alle Fahrgäste, die für den Streikzeitraum geplante Reisen verschieben möchten, können ihr Ticket laut Bahn zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Die Zugbindung ist aufgehoben. Das Ticket gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort, auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.

Fahrgäste können ihre Reise auch auf Dienstag vorverlegen, so die Kulanzregelung des Konzerns. Informationen über die Rechte von Bahnreisenden gibt es unter anderem bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr.

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