Wirecard-Pleite:Die Bafin, eine zahnlose Finanzaufsicht

Bafin-Chef Felix Hufeld 2015 in Frankfurt

Als einer der wenigen hat Felix Hufeld, der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, immerhin eingeräumt, mitverantwortlich zu sein für das "Desaster".

(Foto: Sepp Spiegl/imago images)

Immer wieder gab es nach Pleiten, Pannen und Bilanzskandalen den Vorwurf, die Bafin habe zu schlafmützig agiert. Nun muss sich Chef Hufeld unbequemen Fragen stellen.

Von Markus Zydra und Meike Schreiber, Frankfurt

Jahrelang, im Grunde Jahrzehnte, konnte der Zahlungsdienstleister Wirecard wachsen und gedeihen, nahezu unbehelligt von Aufsicht und Kontrollfunktionen - nur einige Hedgefonds und Journalisten meldeten Zweifel an; allein, auf sie hörte man nicht. Jetzt, da die Bilanz des Dax-Konzerns wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen ist, überschlagen sich die Nachrichten, und alle Verantwortlichen müssen sich die Frage gefallen lassen: Warum erst jetzt?

Allen voran der Aufsichtsrat der Firma, die Wirtschaftsprüfer, die kreditgebenden Banken, die Ratingagentur Moodys, die Wirecard noch bis Juni eine ausreichend gute Bonität (Investmentgrade) bescheinigt hatte. Und natürlich steht Felix Hufeld, der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, nun mächtig unter Druck, weil seine Behörde lieber Journalisten anzeigte, als Wirecard ins Visier zu nehmen. Als einer der wenigen hat Hufeld immerhin eingeräumt, mitverantwortlich zu sein für das "Desaster". Weil Wirecard keine Bank ist, war die Bafin formal nicht zuständig. Hufeld räumt aber ein, dass es möglich gewesen wäre, die Aufsicht über den Konzern an sich zu ziehen.

Diesen Montag muss sich Hufeld nun den Fragen seines Verwaltungsrates stellen, am Mittwoch den Mitgliedern des Finanzausschusses des Bundestags. Derweil machen bereits Vorschläge die Runde, wie die Bafin und andere Institutionen reformiert werden könnten. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies sagte der Financial Times, dass künftig die Bafin bei Bilanzunstimmigkeiten direkt selbst ermitteln solle, anstatt die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zu beauftragen. Die Bundesregierung will die Zusammenarbeit mit der DPR kündigen. Auch die Selbstkontrolle der Wirtschaftsprüfer habe nicht funktioniert. Daher müsse es Änderungen bei der Kontrolle geben. Die Verbraucher-Lobby Finanzwende fordert indes, dass bedeutende Zahlungsdienstleister, wie Wirecard es war, so wie die Großbanken direkt von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt werden sollten.

Immer wieder gab es nach Pannen, Pleiten und Bilanzskandalen den Vorwurf, die Bafin habe vorher zu schlafmützig agiert. In den ersten Jahren ihrer Existenz ab 2002 pflegten die Kontrolleure eine selbsterklärte "Aufsicht mit Augenmaß", man wollte dem Finanzplatz Deutschland nicht über Gebühr schaden durch allzu große Strenge. Diese Sorglosigkeit unterstützte auch das Bundesfinanzministerium, dem die Bafin unterstellt ist, höchstselbst. Der damalige Abteilungsleiter und spätere Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen sprach sich zum Beispiel öffentlich für eine Deregulierung des Verbriefungsmarktes aus - mithin jenes Sektors, der maßgeblich zur globalen Finanzkrise beigetragen hat.

In dieser Phase machte die Bafin keine gute Figur, vor allem, als es im Herbst 2007 mit der Sachsen-LB die erste Landesbank erwischte. Es folgten weitere, dann auch die Hypo Real Estate (HRE) und später Dresdner und Commerzbank: Überall entstanden riesige Löcher in den Bilanzen, obwohl die Bafin die Banken beaufsichtigt hatte. Im Fall der IKB äußerte dann sogar der Bundesrechnungshof Verwunderung, dass der damalige Bafin-Chef Jochen Sanio über die Jahre nichts zu beanstanden gehabt habe. Sanio berief sich auf die Rechtslage. Für die Prüfung der irischen Tochter der HRE, wo sich das Loch aufgetan hatte, war die Bafin irgendwie nicht zuständig. Das war Aufgabe der irischen Bankenaufsicht. Sanio konnte offenbar nur den Mutterkonzern beaufsichtigen.

Es scheint so zu sein, dass die Wirecard Bank Betrügerbanden angezogen hat

Auch nach der Finanzkrise, als allen voran die US-Behörden die internationalen Großbanken zu Milliardenstrafen verdonnerten, wirkte die Bafin lange eher zahnlos. Hufeld und seine Kollegen ließen durchblicken, dass sie gerne höhere Strafen verteilen würden, alleine die Gesetze in Deutschland erlauben nur vergleichsweise überschaubare Bußgelder. Immerhin sorgte die Behörde 2015 dafür, dass die Deutsche-Bank-Spitze um Anshu Jain nach diversen Skandalen ausgetauscht wurde. Treiberin war die damalige Großbankenaufseherin Frauke Menke, die sich gegen Widerstände darangemacht hatte, bei der Deutschen Bank auszumisten. In Frankfurt musste sie dafür üble Nachrede ertragen, in der Bafin machte sie daraufhin keine wirkliche Karriere mehr. Das mag auch andere Gründe gehabt haben, aber der Eindruck war: Es lohnt sich in Deutschland nicht, sich mit den Mächtigen anzulegen.

In den letzten Jahren hat die EZB die Hauptverantwortung für die Kontrolle der Großbanken in Europa übernommen, denn eine Lehre aus der Finanzkrise war, dass nationale Aufseher ihre heimischen Banken oft nicht hart rannehmen. Nach Meinung vieler in der Branche hat sich damit zumindest die Aufsicht über Europas Großbanken sehr verbessert. Und tatsächlich sind viele Geldhäuser stabiler in die Corona-Krise gegangen als noch vor zehn Jahren in die Finanzkrise. Doch die Bafin ist neben der Aufsicht über die mittelgroßen Banken auch dafür zuständig, die Geldwäscheprävention der Institute zu prüfen. Hier zeigte sich etwa im Danske-Bank-Geldwäscheskandal 2018, dass die Aufseher erneut die Rolle der Deutschen Bank in diesem Krimi unterschätzt hatten.

Auch Wirecard sah sich immer wieder Geldwäschevorwürfen ausgesetzt, was der Konzern stets dementierte. Es scheint jedoch so zu sein, dass die Wirecard Bank Betrügerbanden angezogen hat. Finanzkriminelle, die ihren Sitz in Offshore-Oasen hatten, konnten bei der Wirecard Bank in München ihre Konten offenbar ohne große Kontrollen eröffnen. "Unser Eindruck ist, dass diese Banden bei den meisten Banken in Deutschland abgeblitzt waren, bei der Wirecard Bank erhielten sie jedoch ein Konto, Verdachtsanzeigen unterblieben", sagt der Münchner Fachanwalt Peter Mattil, der geschädigte Kunden vertritt. Er plant nun Schadenersatzklagen gegen das Institut.

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