Niedrige Arbeitslosigkeit:Die SPD hat für Arbeit gesorgt - nicht Merkel

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Die SPD verliert immer mehr Stimmen. Dabei hat sie viel für einen funktionierenden Arbeitsmarkt getan. (Foto: picture alliance/dpa)

Um die Arbeitslosenquote dauerhaft niedrig zu halten, muss sich aber einiges an der deutschen Wirtschaftspolitik ändern.

Kommentar von Alexander Hagelüken

Manchmal verschläft man einen historischen Moment, weil er sich anfühlt wie der Alltag. Das passiert jedem leicht, der die dröge Nachricht vom "üblichen Herbstaufschwung am Arbeitsmarkt" liest. Doch üblich ist in diesem Oktober 2018 gar nichts. Es gilt, einen historischen Moment zu feiern: Das wiedervereinigte Deutschland zählt erstmals überhaupt weniger als fünf Prozent Arbeitslose. Und erstmals mehr als 45 Millionen Bürger mit Beschäftigung.

Der goldene Oktober erinnert daran, wie traurig die 1990er- und Nullerjahre verliefen. Die Arbeitslosenrate stand die längste Zeit bei zehn Prozent. Oder darüber. Bis zu fünf Millionen Deutsche suchten eine Stelle. Heute suchen Firmen Fachkräfte. Diese radikale Verbesserung verdankt sich radikalem Handeln. Noch um die Jahrtausendwende galt Deutschland als Europas kranker Mann. Da schmiedeten Gewerkschafter und Arbeitgeber Bündnisse, um die Firmen wieder wettbewerbsfähig zu machen. Und der SPD-Kanzler Gerhard Schröder orientierte das Land um. Seine Rentenreform reduzierte die Lohnkosten. Die bessere Vermittlung von Stellensuchern reduzierte mit anderen Anstrengungen die Arbeitslosigkeit.

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Wer dem Jobrekord 2018 eine Kerze anzündet, darf den Namen der Partei eingravieren, die heute mit Schröder hadert und vielleicht auch deshalb orientierungslos abwärts taumelt: SPD. Es war Angela Merkel, die lange Zeit die Früchte der Schröder-Reformen erntete, zu denen sie wenig hinzufügte.

Die erneuerte Bundesrepublik suchte ihr Glück im vergangenen Jahrzehnt im Export, der heute die Hälfte der Wirtschaftsleistung stellt. Das beschreibt auch gleich die Gefahren für den Jobboom. US-Präsident Donald Trump stieß am Dienstag neue Drohungen gegen China aus. Eskaliert der Handelsstreit weiter, wird das exportabhängige Deutschland zu den großen Verlierern zählen.

Arbeitsmarktpolitik, die den Jobboom 2018 erhalten will, muss deshalb vieles gleichzeitig sein. Sicher Handelspolitik, mit dem Versuch, mit einem wie Trump Kompromisse auszuhandeln. Aber auch Ausgabenpolitik, die in die marode Infrastruktur des Landes investiert, in Schulen und Internetze, um ein Schwächeln der Exporte abzufedern - statt sich an einer schwarzen Null zu berauschen.

Angesichts des Fachkräftemangels, der das Wachstum bedroht, wäre auch Familienpolitik gefragt. Noch immer stecken viele hoch qualifizierte Mütter in B-Teilzeitjobs fest oder bleiben ganz Zuhause. Ein Industrieland, dessen Bevölkerung schrumpft, sollte sein Potenzial nicht vergeuden. Doch die Bundesrepublik gibt sich im internationalen Vergleich wenig Mühe, Frauen Karrierechancen und finanzielle Anreize zum Arbeiten zu geben. Fast nirgends werden Zweitverdienern in der Ehe so viel Steuern und Abgaben vom Lohn abgezogen.

Gute Arbeitsmarktpolitik besteht auch aus Bildungspolitik. Es fehlen ja nicht nur Fachkräfte in Universitätsberufen, sondern zunehmend auch in Lehrberufen. Da ist jeder Jugendliche, der ohne Schul- und Berufsabschluss ins Erwachsenenleben stolpert, einer zuviel. Die Bildungsdebatte in Deutschland aber dominieren die Wehwehchen der Akademikereltern, nicht die Startnachteile von Kindern sozial schwacher Familien. Diese Schieflage lässt befürchten, die Gesellschaft könnte auch die nächste große Herausforderung verschlafen: Lebenslange Fortbildung als Standard zu etablieren, um Jobs in der Digital-Ära zu sichern.

Der goldene Oktober 2018 darf ein Grund zum Feiern sein, ja. Er mahnt aber auch, wie sehr ein Jobrekord radikale Reformpolitik braucht. Zu den traurigen 90er- und Nullerjahren möchte hoffentlich keiner zurück.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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