Apple und China:Die Legende vom sauberen Apfel

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Apple-Kunden in China müssen damit rechnen, überwacht zu werden: Mitarbeiter einer chinesischen Staatsfirma arbeiten direkt an den Servern mit den privaten Daten. (Foto: imago images/ZUMA Press)

Apple geht bei der Verschlüsselung von Nutzerdaten in China Kompromisse mit dem Regime ein. Konzernchef Tim Cook macht sich als Schützer der Privatsphäre unglaubwürdig.

Kommentar von Jannis Brühl

Steve Jobs ist für den Macintosh, den iPod und das iPhone verantwortlich. Tim Cook, sein Nachfolger an der Spitze von Apple, kann keine besondere technische Innovation vorweisen. Dafür hat er die richtige Erfindung für das Zeitalter aus dem Hut gezaubert, in dem Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung zumindest simulieren müssen: Simsalabim, Apple ist ein Menschenrechtskonzern! "Privatsphäre ist ein fundamentales Menschenrecht", wirbt Apple auf seiner Webseite. Auf den Handys des Unternehmens seien die Geheimnisse der Menschen sicher. Als Cook jüngst Facebooks Datensauger auf iPhones ausbremste, gerierte er sich als Anwalt totalüberwachter Nutzer. Im Wettlauf um die gründlichste "Ethik-Wäsche" sah Apple als einer der wenigen Konzerne blitzsauber aus.

Die Erzählung vom sauberen Apfel hat diese Woche deutliche Risse bekommen. Eine Recherche der New York Times verdeutlicht, wie stark Apple beim Schutz der Daten seiner chinesischen Nutzer Kompromisse eingegangen ist, um sich das Wohlwollen der Diktatur zu sichern. Mitarbeiter einer chinesischen Staatsfirma arbeiten direkt an den Servern mit den privaten Daten. Apple hat nicht nur seine digitalen Schlüssel, mit denen die Nachrichten, Bilder und Dokumente geschützt sind, nach China transportiert. Auf Druck der Staatsführung hat Apple auch auf die etablierten Hochsicherheitsgeräte verzichtet, in denen die Schlüssel gelagert werden. Das widerspricht dem Menschenrechtsmanifest des Konzerns vom vergangenen Jahr: Man wolle "Menschlichkeit" in die Geräte einbauen. Sollte es Ärger mit lokalen Gesetzen geben, stehe man auf Seiten der Nutzer. Solche Heldengeschichten für westliche Konsumenten beißen sich mit der zynischen Realität in China.

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Von Felix Petruschke

Apple hat wenig Spielraum, der Konzern ist in zweifacher Hinsicht von China abhängig. Das Land ist wichtigstes Glied in der komplexen Lieferkette. Auf andere Produktionsländer umzusteigen, ist möglich, aber aufwendig. Wieder einmal wird deutlich, dass das Outsourcing-Modell der Weltwirtschaft einen moralischen Preis hat. Hinzu kommt, dass Apple ohne die Nachfrage nach iPhones in China kaum einer der wertvollsten Konzern der Erde geworden wäre. Verweigert Apple sich Chinas Regeln, könnte es Zugang zu dem Riesenmarkt verlieren. So weit, so rational. Den Schaden haben chinesische Nutzer.

Überall auf der Welt vertrauen sich Dissidenten dem iPhone an

Das ist tragisch, weil Apples Technik tatsächlich vergleichsweise sicher ist. Dissidenten in aller Welt setzen auf das iPhone, weil Apple weniger Daten seiner Nutzer abschöpft als Handys der Android-Konkurrenz und Sicherheitslücken schneller schließt. So hält man sich Geheimdienstler und andere Regime-Schergen vom Hals.

Apple ist natürlich nicht das einzige Unternehmen, das in China die behaupteten Unternehmenswerte über Bord wirft. Doch in diesem Fall klaffen Pathos und Realität besonders weit auseinander. Cook hat sich zum Verbündeten derer gemacht, die ihre Privatsphäre schützen wollen oder müssen. So legte er sich mit dem FBI an, als Ermittler ihn zwingen wollten, für den Staat eine Geheimtür in alle iPhones einzubauen. Nun stellt sich die Frage: Kann dem, der sich chinesischen Regeln fügt, noch anderswo vertraut werden?

Dass Apple beim Schutz chinesischer Nutzer solche Kompromisse eingeht, ist nämlich kein Problem am anderen Ende der Welt. Auch in Deutschland und den USA drängen Sicherheitspolitiker IT-Unternehmen, ihre Verschlüsselung zu schwächen, um Nutzer leichter überwachen zu können, sei es in iPhones oder Whatsapp. Apple sendet nun das Signal: Wenn der Druck nur hoch genug ist, ist vom Bürgerrechtler Cook nichts mehr zu sehen. Dann bleiben nur ein paar Slogans für Menschenrechte auf der Unternehmenswebseite.

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