Wohl selten wurde ein Minister auf Papier derart vorgeführt wie Andreas Scheuer zu Beginn dieser Woche. Auf 28 Seiten zog der Bundesrechnungshof für das deutsche Parlament eine so vernichtende Bilanz der Pkw-Maut, dass es selbst Parteifreunden die Sprache verschlug. Für nichts weniger als rechtswidrig hält das neutrale Kontrollorgan die Umsetzung des CSU-Prestigeprojekts. Gleich mehrere Verstöße gegen Gesetze listen die Prüfer auf - und pulverisieren die Argumentation des Ministers, es ginge bei der Kritik an seiner Amtsführung lediglich um eine böswillige Kampagne der Opposition.
Die Geschichte des größten deutschen Infrastrukturprojekts seit Jahren wird neu geschrieben. Dass es riskant war, die Verträge für die Pkw-Maut zu unterzeichnen, bevor mit einem EuGH-Urteil Rechtssicherheit bestand, ist seit Langem klar. Nun aber stehen ganz andere Vorwürfe im Raum: von versteckten Kosten, verletztem Recht und finanziellen Tricks bei der Realisierung ist die Rede. Von Kosten, die nicht weg waren, sondern nur woanders. Der Bundestag, der die Regierung kontrollieren soll, muss sich getäuscht fühlen. Denn die Parlamentarier erfuhren nichts von den Volten des Ministeriums, von den Versuchen, den gesteckten Kostenrahmen des Parlaments noch irgendwie zu dehnen. Alles nur, damit der Wahlkampfschlager der eigenen Partei nicht platzt.
Die Öffentlichkeit erlebt einen verantwortungslosen Minister
Zum Vorschein kommt mit immer neuen Enthüllungen eine Politik, die sich um Recht und Gesetz kaum schert. Dass das Verkehrsressort noch immer erklärt, bei der Pkw-Maut sei alles ordnungsgemäß gelaufen, ist äußerst bemerkenswert. Wenn selbst Geheimgespräche auf dem Höhepunkt des Vergabeverfahrens für ein öffentliches Milliardenprojekt, das Verstecken von Kosten, sogar der Vorwurf von Rechtsverstößen nur Schulterzucken in der Führung eines Bundesministeriums auslösen, dann läuft etwas gravierend falsch.
Andreas Scheuer hat das Projekt von seinem Vorgänger Alexander Dobrindt und Ex-CSU-Chef Horst Seehofer eigentlich nur geerbt. Doch längst ist das keine Entlastung mehr. Zu schwer wiegen die eigenen Fehler. Scheuer hat mit seinem Vorgehen bei der Pkw-Maut inzwischen vielen geschadet. Den Bürgern, weil Schadenersatzforderungen von einer halben Milliarde Euro drohen. Und der eigenen Regierung, weil ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht.
Scheuer zeichnet von sich gerne das Bild eines Politikers, der Verantwortung übernimmt. Beim Debakel um die Pkw-Maut kommt ein ganz anderer Amtsträger zum Vorschein. Die Öffentlichkeit erlebt einen verantwortungslosen Minister. Einen, der für die große Koalition nicht mehr lange zu halten sein wird.