Online-Handel:Grüne fordern Verbot, Retouren wegzuschmeißen

Lesezeit: 3 Min.

  • Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt will Versandhändler dazu verpflichten, zurückgeschickte neuwertige Waren zu spenden oder anders zu verwerten.
  • Jährlich werden in Deutschland 280 Millionen Pakete retourniert. Davon werden einer aktuellen Schätzung zufolge rund elf Millionen entsorgt.
  • Häufig ist es für Händler betriebswirtschaftlich günstiger, Waren wegzuwerfen anstatt sie neu anzubieten.

Von Christoph von Eichhorn

Die Grünen möchten Online-Versandhändlern wie Amazon oder Zalando verbieten, neuwertige Waren zu vernichten, die von ihren Kunden zurückgeschickt werden. "Wir erleben eine Perversion der Wegwerfgesellschaft", schimpfte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gegenüber den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Hier sei der Staat gefordert.

Konkret schlägt Göring-Eckardt einen Drei-Punkte-Plan gegen die Verschwendung vor: "Erstens: Dem Online-Handel wird verboten, neuwertige Produkte, die zurückkommen, zu vernichten." Zweitens sollten zurückgeschickte Produkte, die nicht mehr in den Verkauf können, verschenkt werden - etwa über Sozialkaufhäuser. Drittens müssten die Rohstoffe zurück in den Wertstoffkreislauf.

Was ist über die Vernichtung von Retouren bekannt?

Vor rund einem Jahr hatten die ZDF-Sendung "Frontal 21" und die Wirtschaftswoche berichtet, dass Amazon retournierte Waren in großem Stil vernichte. Demnach gibt es in Amazon-Logistikzentren eigene Bereiche für "Destroy Paletten" - Ware, die zur Entsorgung in der Schrottpresse markiert sei. Eine ehemalige Mitarbeiterin gab an, täglich habe sie Produkte im Wert von etwa 23 000 Euro entsorgt. Die beiden Medien zitierten aus internen Unterlagen, wonach hunderte Artikel in "Vernichtungslisten" aufgeführt seien, "für einen einzigen Tag, in einem einzigen Lager". Darunter Kinderturnschuhe, elektrische Kaffeemühlen oder Bluetooth-Kopfhörer. Mitarbeiter hätten berichtet, häufig seien die entsorgten Produkte einwandfrei gewesen.

Leserdiskussion
:Wie sollten Online-Händler mit Retouren umgehen?

Online-Händler wie Amazon oder Zalando vernichten aus Kostengründen einen Teil der zurückgesendeten Ware, statt sie neu anzubieten. Die Grünen wollen Versandhändler nun dazu verpflichten, die Waren zu spenden oder anders zu verwerten.

Amazon ist nicht der einzige Online-Händler, der zurückgeschickte Waren teilweise entsorgt. Das belegen Untersuchungen der "Forschungsgruppe Retourenmanagement" der Universität Bamberg. Demnach schickten Verbraucher im vergangenen Jahr 280 Millionen Pakete mit insgesamt 487 Millionen Artikeln an Händler zurück - das ist etwa jedes sechste Paket. Bei Kleidung und Schuhen gehe sogar fast die Hälfte der Pakete zurück an den Absender, teilten die Forscher Ende April mit.

Allerdings widersprechen die Bamberger Wissenschaftler der Darstellung einer "massenhaften Vernichtung" von Retouren. Laut der Händlerbefragung werden nur 3,9 Prozent der zurückgeschickten Waren entsorgt oder verschrottet. Bei 280 Millionen Paketen würden also elf Millionen im Müll landen. Weitere 2,1 Prozent werden an "externe industrielle Verwerter" weiterverkauft.

Hingegen böten Händler 79 Prozent der Retouren als A-Ware wieder an, 13 Prozent als B-Ware. Das deckt sich grob mit Daten des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI. Bei einer Umfrage der Kölner gaben aber immerhin zehn Prozent der befragten Online-Händler an, gar keine oder nur vereinzelt Artikel aus Retouren wiederzuverkaufen. Von 92 Unternehmen, die zum Thema Entsorgung Angaben machten, teilten 55 Prozent mit, sie würden "nicht mehr verwendbare Ware" vernichten, entsorgen oder recyceln. Zalando gab gegenüber der dpa an, "etwa 0,05 Prozent aller Artikel" zu vernichten, falls dies etwa aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei. Unabhängig überprüfen lässt sich die Zahl nicht.

Was sind die Gründe für die Vernichtung neuer Waren?

Eine einzelne Retourensendung kostet einen Händler laut dem "Retourentacho" der Universität Bamberg im Durchschnitt 20 Euro, eine Hälfte davon für den Versand, die andere für die Bearbeitung. In vielen Fällen lohnt sich die Wiederaufbereitung wirtschaftlich nicht, es ist dann aus Sicht des Händlers günstiger, die Waren wegzuwerfen. Bestimmte Waren können aus hygienischen Gründen nicht wiederverkauft werden, etwa nicht mehr versiegelte Matratzen. Oder es handelt sich, wie häufig bei Modeartikeln, um Saisonware, die der Händler nicht mehr ins Sortiment nehmen will.

Bei Amazon liegt ein Grund für die Vernichtung vermutlich in "Amazon Marketplace". Über dieses Programm bieten andere Händler auf der Amazon-Plattform ihre Waren an. Bei Bedarf können sie ihre komplette Logistik über den Konzern abwickeln lassen - auch die Entsorgung wird als Dienstleistung angeboten. Denn für die Lagerung in den Logistikzentren Amazons fallen teilweise hohe Kosten an. So verlangt Amazon laut einer aktuellen Preisaufstellung für Waren, die länger als 365 Tage gelagert werden, ab diesem August eine monatliche Langzeitgebühr von mindestens 170 Euro pro Kubikmeter - zusätzlich zur regulären Lagergebühr. Die Entsorgung kostet hingegen nur zwischen 10 und 20 Cent pro Einheit. Stellen sich Produkte als Ladenhüter heraus, kann es somit für einen Händler günstiger sein, seine Waren verschrotten zu lassen, als weiter hohe Gebühren zu zahlen.

Amazon teilte im Hinblick auf die aktuelle Diskussion mit, der "überwiegende Teil der retournierten Waren" werde weiterverkauft, an Hersteller zurückgegeben oder an gemeinnützige Organisationen wie "Innatura" gespendet. In bestimmten Fällen sei dies nicht möglich, etwa aus Sicherheits- oder Hygienegründen. "Wir arbeiten intensiv daran, die Anzahl dieser Produkte immer weiter zu senken."

Welche Alternativen gibt es zur Vernichtung?

Bereits heute spenden Online-Händler rund ein Prozent der zurückgeschickten Waren, etwa an soziale Einrichtungen. Dass der Wert nicht höher liegt, hat auch mit dem deutschen Steuerrecht zu tun. Denn die Finanzbehörden bewerten Sachspenden häufig wie Umsatz, auf den damit auch Umsatzsteuer anfällt. Ein vernichtetes Produkt gilt hingegen als wertlos, damit ist Wegwerfen betriebswirtschaftlich günstiger.

Zugleich haben sich neue Anbieter auf den Umgang mit Retouren spezialisiert, etwa liquidation.com. Das US-amerikanische Unternehmen kauft Rücksendungen großer Online-Händler günstig auf und verkauft sie palettenweise weiter. In Deutschland schlägt etwa der niedersächsische Anbieter Avides in großem Stil Retouren um - beispielsweise auf Ebay, aber auch wieder auf Amazon.

Hinweis: Dieser Artikel wurde am Montag 11.06.2019 mit einem Statement von Amazon aktualisiert.

© SZ.de/Mit Material von Reuters und dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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