Internet-Konzerne:So lobbyiert Amazon in Brüssel

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Amazon gab nach einer neuen Studie zuletzt besonders viel Geld für Lobbyaktivitäten in Europa aus. (Foto: Pascal Rossignol/Reuters)

Der Online-Händler verfolgt mit großem Aufwand seine politischen Interessen. Dass der Konzern dafür auch versteckte Wege geht, zeigt eine neue Studie.

Von Ann-Kathrin Nezik

Der Black Friday hat auch in Deutschland endgültig Einzug gehalten. Amazon zelebriert den Konsum schon Tage zuvor mit Sonderangeboten aller Art. Nicht nur deswegen steht der Konzern in der Kritik. Fast jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit streiken die Arbeiter in seinen Logistikzentren. Viele Händler, die auf der Plattform Waren verkaufen, klagen über den ruppigen Umgang des Unternehmens mit ihnen. Kein Wunder also, dass Amazon große Anstrengungen betreibt, um sein Image in der Öffentlichkeit und in der Politik aufzupolieren.

Eine neue Studie der Organisationen Lobbycontrol, Corporate Europe Observatory und Somo, die der SZ vorab vorliegt, zeichnet erstmals Amazons Lobbyaktivitäten in Europa nach. Demnach gab der Online-Händler in Brüssel im vergangenen Jahr knapp drei Millionen Euro für die Vertretung seiner politischen Interessen aus, fast doppelt so viel wie noch 2019. Amazon steht damit in der europäischen Hauptstadt auf Platz 14 der Unternehmen mit den höchsten Lobbybudgets. Seine Berliner Repräsentanz ließ sich der Konzern im vergangenen Jahr 2,4 Millionen Euro kosten.

Seit dem Amtsantritt von EU-Präsidentin Ursula von der Leyen Ende 2019 haben sich Amazon-Vertreter 46 Mal mit EU-Kommissaren oder deren Mitarbeitern getroffen. EU-Parlamentariern begegneten sie in diesem Zeitraum sogar 106 Mal.

Die Daten basieren auf der Auswertung öffentlich zugänglicher Transparenzregister, sind aber unvollständig. EU-Abgeordnete müssen ihre Treffen mit Unternehmen und Verbänden nicht offenlegen. Nur etwa die Hälfte gibt freiwillig Auskunft darüber.

Daneben kritisiert Lobbycontrol, dass Amazon einige seiner Verbindungen zu Denkfabriken nicht von sich aus preisgebe. Die Organisation will deshalb beim Transparenzregister der EU-Kommission Beschwerde einreichen. Auf eine Anfrage, ob alle Angaben korrekt und vollständig seien, antwortete der Konzern allgemein: "Wir treten für eine Reihe von Themen ein, die unseren Kunden, Händlern und Geschäftsbereichen wichtig sind." Man arbeite dabei auch mit Verbänden und Denkfabriken zusammen und komme seinen Pflichten zur Veröffentlichung nach.

Amazon hat seine Lobbyaktivitäten wohl auch deshalb ausgeweitet, weil die EU-Kommission zuletzt verschiedene Gesetze auf den Weg gebracht hat, die den Online-Händler betreffen. Mit dem Ende 2022 beschlossenen "Digital Markets Act" etwa geht die EU gegen die marktbeherrschende Stellung der großen Tech-Konzerne vor. EU-Kommissarin Margrethe Vestager rang Amazon parallel die Verpflichtung ab, seine eigenen Angebote nicht länger gegenüber denen von anderen Händlern auf der Plattform zu bevorzugen.

"Amazon sagt sehr deutlich, wenn dem Unternehmen etwas nicht passt."

"Google und Meta treten in Brüssel unglaublich freundlich auf. Amazon dagegen sagt sehr deutlich, wenn dem Unternehmen etwas nicht passt", sagt Max Bank, einer der Verfasser der Lobbycontrol-Studie. Dies habe er selbst beobachtet und aus EU-Kreisen erfahren.

Auffällig ist, dass Amazon nicht nur mit eigenen Repräsentanten für seine Interessen wirbt, sondern dabei auch Umwege nimmt, die von außen teilweise schwer durchschaubar sind. Das Unternehmen ist der Studie zufolge Mitglied in 60 europäischen Verbänden und arbeitet mit 15 Denkfabriken zusammen. Manche dieser Denkfabriken mischen sich in die politische Debatte ein, indem sie die Digitalgesetze der EU und eine zu strenge Regulierung in Einschätzungen und Studien kritisch bewerten.

Auch 13 Beratungs- und PR-Firmen lobbyieren in Brüssel für Amazon. Für sie gibt der Online-Händler mehr Geld aus als jeder andere Tech-Konzern mit Ausnahme von Apple. Sie liefern Amazon in Streitfällen Argumente. Als die EU-Kommission untersuchte, ob der Konzern seine Marktmacht gegenüber Händlern missbrauche, fertigte die Beratungsfirma Charles River Associates eine Studie an, die Amazons Position unterstützte.

Google und Meta nutzen die Strategie des verdeckten Lobbyismus schon seit einiger Zeit. Vor zwei Jahren etwa debattierte die EU über Einschränkungen für personenbezogene Online-Werbung, eine zentrale Einnahmequelle der Digitalindustrie. Damals spannten die Tech-Konzerne Start-up- und Kleinunternehmer-Verbände für sich ein und argumentierten, dass man dieselben Interessen habe.

Neben seinen politischen Anstrengungen versucht Amazon auch sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu verbessern. Immer wieder startet das Unternehmen in den Medien Image-Offensiven. Aktuell hat Amazon einen Videoclip geschaltet, in dem der Mitarbeiter eines Logistikzentrums erzählt, wie gern er dort arbeite. 2022 gab Amazon 19 Millionen Euro für eine einzelne Kampagne im deutschen und österreichischen Fernsehen aus, hat Lobbycontrol von einer Marktforschungsagentur schätzen lassen. Das war etwa siebenmal so viel, wie die Lobbyaktivitäten des Konzerns in Europa kosteten.

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