Schlussverkauf:Adidas verdient fast halbe Milliarde Euro mit Yeezy-Sneakern

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Ye, bekennender Trump-Fan, gab auch schon zu Protokoll, er finde Nazis und Hitler ganz gut. (Foto: Saul Loeb/AFP)

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Kanye West scheinen viele Kunden nicht zu stören: Der Verkauf der letzten Adidas-Kollektion des Rappers läuft deutlich besser als erwartet - und das Geld ist auch schon verplant.

Von Max Muth

Der Verkauf der letzten Schuhe der beendeten Zusammenarbeit von Adidas mit dem Rapper und Designer Ye (ehemals Kanye West) ist offenbar ein kommerzieller Erfolg. Adidas hatte nach wiederholten antisemitischen Äußerungen wie "I like Hitler" oder "I love Nazis" eines immer erratischeren Partners im vergangenen Oktober die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Seitdem lagerte die letzte Kollektion - Schuhe im Warenwert von rund 1,2 Milliarden Euro - in Adidas-Warenhäusern in aller Welt. Eine kleine Zeitbombe für die Adidas-Bilanzen.

Dieser Sprengsatz darf offenbar als weitgehend entschärft gelten, wenn man einem aktuellen Bericht der Financial Times glauben mag. Diese berichtet unter Berufung auf Adidas-Insider, dass der erste Schwung an Yeezys - so hieß die Marke unter denen die Ye-Treter verkauft wurden - offenbar recht erfolgreich unter die Leute gebracht wurde. Auf Anfrage der SZ wollte Adidas den Bericht nicht bestätigen: "Da wir uns in der "Quiet period" vor der Veröffentlichung unserer Quartalsergebnisse am 3. August befinden, möchten wir aktuell von einer Stellungnahme absehen."

Schlussverkauf lief über Adidas-App

Von 31. Mai bis 2. Juni hatte Adidas 15 Modelle aus der Kollektion verkauft, ausschließlich über die eigene "Confirmed"-App. Den Insidern zufolge verkauften sich die Schuhe deutlich besser als erwartet. Innerhalb von nur drei Tagen gingen bei Adidas demnach Bestellungen im Wert von mehr als 500 Millionen Euro ein. Wie gewöhnlich war die Nachfrage bei unterschiedlichen Modellen und Größen unterschiedlich stark, insgesamt jedoch scheint der Verkauf überraschend gut gelaufen zu sein.

Adidas-Chef Björn Gulden hatte im März angekündigt, das Unternehmen werde mit der letzten Kollektion des Rappers vermutlich keinen Gewinn erzielen. Bis zu 700 Millionen Euro Verlust hatte Adidas für den Fall angekündigt, dass überhaupt keine Produkte der Kollektion verkauft werden könnten. Inwieweit diese Prognose jetzt kassiert werden kann, ist unklar. Einen genaueren Überblick dürfte es bei der Präsentation der Halbjahreszahlen am 3. August geben.

Gut möglich, dass einige Menschen die Schuhe gerade wegen der Kontroverse erwerben wollten. (Foto: Keith Ewenson/Adidas)

Ein Teil der Erlöse aus dem Abverkauf soll der FT zufolge dazu verwendet werden, die Partnerschaft endgültig aufzulösen. Es müssen Abfindungen und Anwälte gezahlt und Produktionsstätten geschlossen werden. Zudem bekommt Kanye West auch für die aktuelle Kollektion Tantiemen, also eine Vergütung, die von dessen Erfolg abhängig ist. Das Unternehmen hatte außerdem angekündigt, einen "signifikanten Anteil der Einnahmen" an Organisationen zu spenden, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus engagieren.

Verlockend: Turnschuhe mit dunkler Geschichte

Schreddern oder verkaufen? Ob diese Frage, also ob man die Schuhe eines Trump-unterstützenden, sich wieder und wieder antisemitisch äußernden Designers überhaupt verkaufen will, jemals tatsächlich gestellt wurde, dürfte ein Geheimnis der Adidas-Führungsriege bleiben. Vielleicht hat man in der Firmenzentrale auch nur gewartet, bis genug Gras über die Sache gewachsen war.

Das Unternehmen hatte lange öffentlichkeitswirksam darüber gegrübelt, was mit dem kontroversen Schuhwerk zu tun sei, um dann das einzig betriebswirtschaftlich Sinnvolle zu tun: sie zu verkaufen. Gut möglich, dass es Sneaker-Fans gab, die aufgrund der Kontroverse um die Äußerungen des Rappers darauf verzichteten, die aktuellen Modelle zu erwerben. Ebenso gut möglich ist aber, dass es Käufer gab, die die Skandal-Schuhe gerade deswegen erwerben wollten. Denn Turnschuhe sind heute deutlich mehr als Kleidung, sie sind Statussymbol und Sammlerstücke. Während antisemitische Sprüche für Ersteres nur bei einer sehr kleinen Zielgruppe ein Verkaufsargument sein dürften, helfen Kontroversen bei Letzterem auf jeden Fall. Die Schuhe haben eine Geschichte, wenn auch eine dunkle.

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