Abgasskandal:Städte sind sauer auf die Bundesregierung

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Immer mehr Städten drohen Diesel-Fahrverbote. (Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • Viele Kommunen fühlen sich mit dem Problem drohender Fahrverbote alleingelassen.
  • Es geht um fehlende Finanzmittel, aber auch um die Frage, wer eigentlich die Verantwortung trägt.
  • Am Montag treffen sich Vertreter der Kommunen im Kanzleramt mit Vertretern der Bundesregierung.

Von Markus Balser und Michael Bauchmüller, Berlin

Auf solche Post aus Berlin hätten Bürgermeister gern verzichtet. Vor ein paar Tagen lobte die Bundesregierung in Schreiben an Städte zwar, wie viele die Luft mit Projekten wie dem Umstieg auf Elektrobusse verbessern wollten. Nur seien es leider zu viele für das Förderprogramm "Saubere Luft", ließ Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wissen. Skizzen zu 40 Projekten mit einem Fördervolumen von 350 Millionen Euro hätten ihr Haus erreicht. Zur Verfügung stünden aber nur 92 Millionen Euro. Sie bedaure sehr, dass das Ministerium angesichts begrenzt verfügbaren Haushaltsmittel nur einen Teil der Projekte fördern könne, schrieb sie.

In Deutschlands Rathäusern wächst angesichts solcher Bescheide der Ärger über die Regierung in der Dieselkrise. Ausgerechnet kurz vor dem nächsten Gipfel zur Lösung des Dauerthemas an diesem Montag herrscht Streit zwischen Stadtoberhäuptern und Bundesregierung. Denn vielerorts fühlen sich Kommunen mit dem Problem drohender Fahrverbote alleingelassen. Es geht um fehlende Finanzmittel zum Umsteuern, aber auch um die Frage, wer eigentlich die Verantwortung trägt. Dabei ist der Topf, insgesamt eine Milliarde Euro schwer, noch nicht mal ausgeschöpft. Mehr als ein Drittel ist noch da - aber eben für andere Projekte als für Elektrobusse.

Die Luft ist dick, nicht nur im Wortsinn. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat vorige Woche die Kommunen vor den Kopf gestoßen. Er habe kein Verständnis dafür - so der Minister im Bundestag - dass sie "mit alten Luftreinhalteplänen vor Gericht scheitern" und dann Fahrverbote verhängt würden. Im Klartext: Die Städte sind selber Schuld am Stillstand.

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Das wollen Bürgermeister bundesweit nicht auf sich sitzen lassen. "Wie der Verkehrsminister den Städten den Schwarzen Peter zuschiebt, ist beschämend", sagt Michael Ebling, Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Kommunalverbands VKU. In Mainz droht von September 2019 an Stillstand. Die Regierung habe das Thema nicht ernst genug genommen und werde nun von den Folgen überrollt, klagt Ebling (SPD). Viel schlimmer, findet man in Mainz: "Die Bundesregierung unterschätzt das Thema noch immer. Sie hätte die Sorgen der Städte viel früher ernst nehmen müssen. Nun kommt ein Urteil nach dem anderen. In Dutzenden Städten drohen Fahrverbote und damit Stillstand. Ein Gipfel alle paar Monate ist einfach zu wenig", findet Oberbürgermeister Ebling. Der Verbandschef wird am Montag nach Berlin kommen.

Dort beginnt im Kanzleramt um 10 Uhr unter dem Titel "Besprechung der Bundeskanzlerin mit Kommunen und Ländern zur Luftqualität in Städten" ein Treffen im Internationalen Konferenzsaal, das es in sich haben wird. Denn die Probleme werden mit jedem Gipfel größer statt kleiner. In 65 Städten werden die Grenzwerte gerissen. In Hamburg ist die erste Straße für Dieselautos gesperrt, die nicht die neueste Abgasnorm erfüllen. In Köln dürfen ältere Fahrzeuge von April an weite Teile der Stadt nicht mehr befahren. Stuttgart muss sie von Anfang 2019 an aus dem Stadtgebiet aussperren. Auch in Frankfurt dürfen alte Diesel von Februar an nicht mehr den Bereich innerhalb des Autobahnrings befahren. Von September 2019 an soll das auch für jüngere Euro-5-Fahrzeuge gelten. In Essen ordneten Richter gar erstmals ein Fahrverbot für eine Autobahn an, in Berlin für stark belastete Hauptstraßen. Vielen weiteren Städten drohen Urteile. Als sei die Lage im städtischen Verkehr nicht schon dramatisch genug, sagt Ebling. "Wir kämpfen gegen den Kollaps. Die Städte wachsen weiter. Es wird immer enger auf den Straßen."

Städte und kommunale Verkehrsbetriebe machen vor dem Gipfel deshalb mobil und fordern mehr Geld - dauerhaft. "Die Mittel aus dem Diesel-Fonds werden knapp", sagt auch der neue Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, gleichzeitig Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft. "Wir benötigen eine Verstetigung dieser Mittel von jährlich einer Milliarde Euro. Und das für mindestens zehn bis 20 Jahre."

Der Bund schaffe Verbraucher erster und zweiter Klasse, sagen die Kommunen

Zudem sei ein Sonderprogramm für den Umbau des Verkehrs in größeren Städten erforderlich. Nicht nur beim Nahverkehr, sondern bei Verkehrsprojekten generell gehe es schließlich um Langfristplanung, sagt Wortmann. Nötig sei eine Fahrzeugförderung und eine Förderung für den Streckenausbau. "Allein der Sanierungsbedarf bei der vorhandenen Infrastruktur liegt bei derzeit vier Milliarden Euro", warnt er. Auch dafür sei eine Unterstützung wichtig.

Berechnungen des Verbands zufolge wächst mit den Städten auch der Transportbedarf. Zu jährlich elf Milliarden Fahrgästen des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland werde bis 2030 ein Drittel hinzukommen, sagt Wortmann voraus. Für Ärger sorgt in den betroffenen Städten auch, dass nur die Orte mit den schlechtesten Werten vom Diesel-Paket mit Nachrüstung und Umtauschaktionen profitieren sollen. "In Mainz haben Autofahrer keinen Anspruch auf eine Nachrüstung", sagt Ebling. "Im 50 Kilometer entfernten Limburg aber schon, weil dort die Grenzwerte um einige Mikrogramm mehr überschritten werden." Der Bund schaffe so Verbraucher erster und zweiter Klasse und mit dem Schutz der Autobranche vor härteren Sanktionen einen Vertrauensverlust in die Politik. "Wir erleben eine eklatante Verletzung des Rechtsempfindens in Deutschland", warnt Ebling.

Der Bundestag dagegen befasste sich am Freitag mit der Position von Messstellen. Deren ungünstige Lage, so fanden FDP und AfD, sorge für zu hohe Messwerte. "Fake News", erklärte Florian Pronold, Staatssekretär im Bundesumweltministerium. "Die Diskussion ist bewusste Irreführung." Für alle Fälle soll das aber nun auch eine unabhängige Prüfung bestätigen.

© SZ vom 01.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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