In der Abgasaffäre bei Volkswagen wird nun auch gegen Rupert Stadler ermittelt, den Vorstandschef der Ingolstädter VW-Tochter Audi. Die Staatsanwaltschaft München II durchsuchte am Montag die Privatwohnungen von Stadler und einem weiteren Vorstandsmitglied, gegen das nun ebenfalls ein Verfahren läuft. Die Staatsanwaltschaft wirft beiden Managern Betrug von Autokäufern vor. Sie hätten in Kauf genommen, dass in Europa Dieselfahrzeuge mit manipulierter Abgasreinigung auf den Markt gebracht worden seien. Bislang hatten die Strafverfolger nur ehemalige Audi-Vorstände in Verdacht, in die Affäre verwickelt zu sein.
Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wird Stadler durch einen Audi-Mitarbeiter, der kürzlich bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge ausgesagt hat, und eine beim Unternehmen sichergestellte Mail schwer belastet. Der Audi-Chef soll nach Beginn der Abgasaffäre im Herbst 2015 im eigenen Unternehmen Hinweise bekommen haben, dass außer bei Volkswagen auch bei der Ingolstädter VW-Tochter Autos mit manipuliertem Abgassystem gebaut und verkauft würden.
Bei dem Verdacht gegen Stadler geht es nicht um den von VW längst zugegebenen Betrug in den USA
Trotz dieser Hinweise soll Audi solche Fahrzeuge weiterhin bei der für Europa zuständigen Zulassungsbehörde in Luxemburg angemeldet und auf den Markt gebracht haben. Der Zulassungsbehörde sei, so der Verdacht, die in den Motoren enthaltene Manipulationssoftware verschwiegen worden. Diese Software namens Defeat Device sorgt dafür, dass die Abgasreinigung bei den Messungen der Behörden auf einem Prüfstand bestens funktioniert und gesundheitsschädliche Stickoxide optimal herausgefiltert werden. Im Straßenverkehr wird die Schadstoffreinigung dann aber, um Kosten und Wartungsintervalle zu verringern, weitgehend ausgeschaltet.
Bei dem Verdacht gegen Stadler geht es also nicht um den von VW auch im Namen von Audi längst zugegebenen Betrug in den USA. Und auch nicht um die von US-Behörden enthüllten Verstöße in den Vereinigten Staaten bis 2015, sondern um eine mutmaßlich mangelnde Aufklärung danach bei Audi, wofür Stadler verantwortlich sein soll. Der Audi-Chef hat wiederholt bestritten, in die Abgasaffäre verwickelt zu sein, und hält daran fest. Audi erklärte am Montag auf die Frage, ob Stadler im Amt bleibe, es gelte "unverändert die Unschuldsvermutung". Audi teilte zudem mit, dass das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bislang den Rückruf von 200 000 Autos angeordnet habe.
Unter immer größeren Druck der Bundesregierung gerät auch Daimler. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte Vorstandschef Dieter Zetsche Montagabend einbestellt. Zetsche hatte seit Beginn der Affäre erklärt, Daimler betrüge nicht. Das KBA prüft nach Angaben aus Ministeriumskreisen, ob Abschalteinrichtungen in mehr als 700 000 Fahrzeugen eingebaut sind. Die Behörde lässt bereits 5000 Mercedes-Transporter Vito zurückrufen. Daimler widerspricht den Vorwürfen und will den Streit notfalls vor Gericht klären lassen.