Protektionismus:Trumps Abschottungs-Plan bedroht die westlichen Werte

Republican presidential nominee Donald Trump attends a campaign event in Hershey

Mit Trump zieht das Freund-Feind-Denken ins Weiße Haus ein. Die Abkehr von der Globalisierung kann nicht im Sinne der westlichen Werte sein.

(Foto: REUTERS)

Protektionismus ist wieder schick geworden. Und mit Donald Trump zieht dieses Freund-Feind-Denken ins Weiße Haus ein. Deutschland hat besonders viel zu verlieren.

Kommentar von Nikolaus Piper

"Made in Germany", darauf ist eine Republik stolz, die im Übrigen und zum Glück dem lärmenden Nationalismus abgeschworen hat. In diesen Tagen lohnt es sich, wieder einmal daran zu erinnern, woher dieses "Made in Germany" eigentlich kommt. Es war im Jahre 1887, als das britische Parlament den "Merchandise Marks Act" verabschiedete, ein Gesetz, das ausländischen Waren eine Kennzeichnung vorschrieb, in der erklärten Absicht, sie zu brandmarken: Das Zeug kommt nicht aus heimischer Produktion, wie man heute sagen würde, lasst die Finger davon. Wie bekannt, ist das Gegenteil dabei herausgekommen; die Deutschen bekamen eine wunderbare Marke geschenkt und freuen sich bis heute darüber.

Das Gesetz war eine etwas skurrile Ausprägung jener Protektionismus-Welle, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in fast allen Industrieländern der damaligen Zeit einsetze und schließlich im Ersten Weltkrieg gipfelte. Der Protektionismus war sicher nicht Ursache des Krieges, aber er war Teil eines immer wilderen Nationalismus, der schließlich das alte Europa zerstören sollte.

Auch heute ist Protektionismus wieder schick geworden. Er ist noch nicht so ungezügelt wie damals, aber doch so mächtig, dass man von einer breiten Bewegung gegen die Globalisierung sprechen kann. Der gewählte Präsident der einstigen Schutzmacht des freien Welthandels USA warnt vor dem "falschen Lied des Globalismus", das aufstrebende China tritt zunehmend aggressiv und zunehmend nationalistisch auf, in Großbritannien macht sich eine gehässige Anti-EU-Stimmung breit. Und in Deutschland, der Exportnation, bringt ein Freihandelsabkommen mit Kanada mehr als 100 000 Demonstranten auf die Straße.

Die Parallele zum 19. Jahrhundert ist augenfällig. Wie damals rollt eine große Welle der Globalisierung über die Welt, neue Technologien stürzen die Art des Wirtschaftens um. Was seinerzeit Dampfmaschine, Elektrizität und Telegraf waren, das sind heute Roboter, das Internet der Dinge und das Smartphone. Heute wie damals machen sich Millionen Menschen auf, um aus ihrem Elend auszuwandern. Auch damals versuchten Staaten ihre Bürger (oder Untertanen) vor den disruptiven Folgen der Globalisierung zu schützen. Manches davon war sinnvoll (Bismarcks Sozialversicherung), manches nachvollziehbar (der Schutz der Bauern), anderes schlimm (die Diskriminierung chinesischer Eisenarbeiter in den USA).

Das Freund-Feind-Denken zieht ins Weiße Haus ein

Das eigentlich Schlimme aber passierte in den Köpfen. Immer mehr Intellektuelle, Politiker und Wirtschaftsführer begannen den Welthandel als Nullsummenspiel zu sehen: Was England schadet, das nützt Deutschland und umgekehrt. Das Denken in Freund-Feind-Kategorien führte in die Protektionismus-Orgien der Zwischenkriegszeit und schließlich in den fast völligen Zusammenbruch des Welthandels.

Mit dem Regierungswechsel im Januar wird dieses Freund-Feind-Denken ins Weiße Haus einziehen. Das ist ein Einschnitt, auch und gerade für Deutschland. Nach China hat kein Land auf der Welt so sehr von der Globalisierung profitiert wie die Bundesrepublik. Kaum ein Land hat also so viel zu verlieren wie Deutschland, wenn der Handelskrieg erst einmal als normales Mittel der Politik gilt.

Globalisierung ist kein Naturgesetz. Sie wird von Menschen gemacht und kann von ihnen ebenso gestaltet wie zerstört werden. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Preis für die Umkehrung der Globalisierung extrem hoch ist. Die Erhaltung einer Weltwirtschaftsordnung muss daher ein zentrales Ziel der deutschen Politik werden. Auch das hat mit den westlichen Werten zu tun, die Angela Merkel in ihrem Glückwunsch an Trump erwähnte.

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