Banken-Stresstest:Italiens Banken in der Krise: Bankrott kommt von Bank

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Seit 1472 besteht das Bankhaus Monte dei Paschi in Siena - es ist das älteste der Welt. Nun aber steht es vor dem Kollaps. (Foto: dpa)
  • Vor dem Stresstest ringen Italiens Banken um mehr Kapital - und ihre Stabilität.
  • Besonders düster sieht es für die Monte dei Paschi di Siena aus, das älteste Kreditinstitut der Welt.
  • Aber auch der Bankenkonzern Unicredit, zu dem auch die Münchner Hypo-Vereinsbank gehört, muss unter ihrem neuen Chef schleunigst frisches Geld beschaffen.
  • Scheitert die Rettung, könnte von Italien eine neue europäische Bankenkrise ausgehen, befürchten Beobachter.

Von Ulrike Sauer, Rom

Für Bankprobleme hat Jean-Pierre Mustier am kommenden Freitagabend keine Zeit. Wenn die europäische Aufsichtsbehörde EBA um 22 Uhr die Ergebnisse ihres Stresstests vorlegt, sitzt der neue Unicredit-Chef mit Freunden beim Essen. Bereits vor zwei Wochen erzählte der Franzose gelassen: "Ich bin zu dem Termin schon fest verabredet." Um das Resultat des Frankfurter Bilanz-TÜV bei den 53 größten Banken Europas schert er sich offenbar nicht.

Mustier, 55, trat in Mailand so zackig an, wie das von ihm erwartet wurde. Seit Mitte des Monats ist die Konzernmutter der Münchner Hypo-Vereinsbank (HVB) in einer neuen Gangart unterwegs: Mit Blitzverkäufen von Beteiligungen an der polnischen Bank Pekao und der italienischen Onlinebank Fineco sammelte sie innerhalb von 24 Stunden eine Milliarde Euro ein. Am Dienstag legte Mustier auf einer überraschend einberufenen Aufsichtsratssitzung Hand an die Struktur der Bank an und straffte das Führungsteam. Die Botschaft ist klar: Es gibt keine Zeit zu verlieren beim angeschlagenen Geldkonzern.

Weniger Manager mit deutlich mehr Verantwortung, Einfachheit und Transparenz - so lautet die Maxime seiner Personalentscheidungen. Der Nachfolger des geschassten Federico Ghizzoni nahm sich damit die umständlichen Entscheidungsprozesse vor, die schon lange als Problem der in 17 Ländern operierenden Bank angesehen werden. Die wichtigste Veränderung: Gianni Franco Papa steigt zum starken Mann bei Unicredit auf. Als General Manager wird er allein für sämtliche Geschäftstätigkeiten zuständig sein. Mustier selbst will sich ganz auf Strategie, Risikomanagement und Kosteneinsparungen konzentrieren. Als nächsten Schritt kündigte er "eine tief greifende Revision der Konzernstrategie" noch in diesem Jahr an. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge prüft der Unicredit-Chef nun einen Komplettausstieg aus Polen und aus Fineco und erwägt eine Kapitalerhöhung um fünf Milliarden Euro.

Ganz Europa schaut nach Italien - vor allem nach Siena

Der energische Antritt Mustiers ging allerdings ein wenig unter. In ganz Europa verfolgt man gerade vor allem die dramatischen Rettungsversuche für die taumelnde, drittgrößte Bank des Landes: Monte dei Paschi di Siena (MPS), das älteste Kreditinstitut der Welt. Seit Wochen wird zwischen Siena, Frankfurt, Brüssel und Rom um die Zukunft des Instituts gerungen. Und auch hier drängt die Zeit: Bis zur Veröffentlichung der Stresstest-Ergebnisse am Freitagabend muss eine Lösung parat liegen, denn die MPS wird auch bei der diesjährigen Prüfung miserabel abschneiden.

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Vom weiteren Schicksal des Instituts aus der Toskana hängt die Entschärfung der Bankenkrise in Italien ab. In den vergangenen 15 Jahren haben fatale Fehler der MPS-Manager 15 Milliarden Euro Kapital vernichtet. Zum Verhängnis wurde den stolzen Bankern aus Siena eine Mischung aus Dilettantismus und dauerhafter Klientelwirtschaft: Siena wurde zum Schauplatz eines abgründigen Finanzskandals, ruinöser Finanzwetten und hanebüchenen Bilanzbetrugs. Dreieinhalb Jahre räumte dann der ehemalige Unicredit-Chef Alessandro Profumo bei der 1472 gegründeten Traditionsbank auf und sanierte ihr laufendes Geschäft. Die Altlasten aber wurde er nicht los.

20 Generationen lang mehrte die Bank den Reichtum ihrer Stadt. Heute aber notiert die Aktie bei nur noch 29 Cent, sie ist nun weniger als 900 Millionen Euro wert - nur noch ein Zehntel ihres Buchwerts und 85 Prozent weniger als vor Jahresfrist. 47 Milliarden Euro an faulen Krediten erdrücken die Bank.

Premier Renzi ist tief involviert

Siena ist damit zum Symbol der Krise Italiens geworden. Monte dei Paschi ist kein lokales Problem. Ihr Niedergang hat längst eine nationale und sogar europäische Dimension. Die italienische Regierung setzt alles daran, eine weitere Infizierung des gesamten Systems zu verhindern. Es geht nicht allein um das Schicksal der MPS, es geht ihr um die Stabilität der Branche. Premier Matteo Renzi befasst sich täglich mit dem brisanten Fall. Laufend trifft er Finanzminister Pier Carlo Padoan zu Lagebesprechungen und zitiert die Bosse der Finanzbranche ins Regierungsamt, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Um jeden Preis will er eine wie auch immer geartete staatliche Rettung vermeiden. "Renzi weiß, dass eine öffentliche Hilfe die Bank und die Regierung in eine Sackgasse führen würde", schreibt der Mailänder Corriere della Sera.

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Dann nahm der Notplan endlich Gestalt an: Die Aufseher in Frankfurt hatten von MPS-Chef Fabrizio Viola verlangt, die notleidenden Kredite in drei Jahren um die Hälfte zu reduzieren. Leichtfertigerweise taten sie das just 24 Stunden vor dem Brexit-Votum, als die Nerven an der Börse ohnehin blank lagen und die MPS so erneut von Spekulationen erfasst wurde. Nun antwortete Viola. Er will faule Forderungen im Volumen von 27 Milliarden Euro losschlagen, und zwar unverzüglich. Sie stehen nach Abschreibungen noch mit knapp zehn Milliarden Euro in der Bilanz. Es wäre die größte Verbriefung von Krediten, die je in Italien gewagt wurde. Die schlechtesten Forderungen soll ihm der private Abwicklungsfonds Atlas abnehmen, der Rest am Markt verkauft werden.

Für den Feuerwehreinsatz muss der Bankenhilfsfonds Atlas jedoch erst aufgestockt werden. Dieser war im Mai auf Initiative der Regierung mit 4,25 Milliarden Euro an privaten Mitteln ins Leben gerufen worden, um Druck von den wackeligen Banken zu nehmen. Mehr als die Hälfte davon ist bereits verbraucht, weil der Fonds bei den Kapitalerhöhungen der strauchelnden Volksbanken Popolare Vicenza und Veneto Banca einspringen musste. Um die Bilanzen von faulen Krediten zu säubern, fehlen Atlas nun die Mittel. Deshalb sammelt Renzi bei Banken, Versicherungen und Pensionskassen nun erneut drei bis vier Milliarden Euro ein.

Private Investoren scheuen das staatliche Engagement

Zugleich hofft Viola, der Hiobsbotschaft aus Frankfurt am Freitagabend auf einer Pressekonferenz zuvorzukommen. Der zweite und lebenswichtige Punkt seines Plans sieht eine Aufstockung des MPS-Kapitals um fünf Milliarden Euro vor. Bei dem gewagten Versuch soll ihm ein Helfer vom Kaliber JP Morgan, der größten amerikanischen Bank, zur Seite stehen. Sie machte aber zur Bedingung, dass die Operation ohne Staatsgarantie über die Bühne geht. Denn die würde die privaten Investoren fernhalten.

Einfach wird es aber nicht. MPS hat in den vergangenen Jahren bereits acht Milliarden Euro bei Investoren eingesammelt. Alles hängt nun davon ab, wie die europäische Bankenaufsicht den Plan beurteilt.

Vom Stresstest erwarten die Italiener am Freitag aber auch beruhigende Nachrichten. Unter den fünf Instituten im Land, deren Bilanzen von der EBA geprüft wurden, wird wohl nur Monte dei Paschi Schwächen aufweisen und eine strukturelle Kapitallücke in einer Situation extremer Marktturbulenzen offenbaren. Die Regierung wird das nutzen, um der pauschalen Auffassung entgegenzutreten, Italiens Banken seien die neue Achillesferse Europas. Finanzminister Padoan spricht schon von "wenigen, isolierten Einzelfällen". Auf dem G-20-Gipfel in China sagte er am Wochenende: "Es besteht keine Gefahr, denn das italienische Bankensystem ist solide."

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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