Rechtsfrage:Darf man an seinem Haus eine Kamera installieren?

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Wenn ein Vermieter eine Videokamera im oder am Mehrparteienhaus anbringt, ohne dass seine Mieter damit einverstanden sind, wird er sie bald wieder entfernen müssen. (Foto: Imago/Blickwinkel)

Überwachungsvideos am oder im Wohngebäude aufzuzeichnen, ist eine heikle Sache. Das gilt insbesondere für Vermieter, aber auch für Mieter und Eigenheimbesitzer. Worauf es ankommt.

Von Stephanie Schmidt

Manche finden so großen Gefallen daran, Filmchen zu drehen und sie zu verbreiten, dass sie diese Vorliebe zu ihrem Beruf machen: So gibt es Influencer, die sich selbst in ihrer Wohnung zeigen und Einrichtungstipps geben. Doch was ist, wenn ein Hausbesitzer herausfindet, dass ihn der Eigentümer des Nachbarhauses beim Grillen auf der Terrasse gefilmt hat? Fälle wie diese können schnell vor Gericht landen.

Ihr Einfamilienhaus oder Grundstück per Kamera zu überwachen, ist Eigentümern grundsätzlich gestattet. Schließlich kann es gute Gründe dafür geben - etwa den Schutz vor Einbrechern oder Graffiti-Sprayern, die lediglich darauf aus sind, ein Gebäude zu verunstalten. Doch sollte man darauf achten, dass die Kamera nur das eigene Terrain erfasst. Wege oder Einfahrten, die Passanten oder Nachbarn nutzen dürfen, sollten dabei außen vor bleiben. Die Sache kann anders aussehen, wenn bereits mehrere Male Fahrräder in der unmittelbaren Umgebung gestohlen wurden. Aber man sollte mit den Nachbarn sprechen, bevor man Videos macht.

Videoaufnahmen können im Widerspruch zum Persönlichkeitsrecht und zum Datenschutz stehen

Reinhold Okon, der bundesweit als Datenschutzbeauftragter für Fachverbände der Wohnungswirtschaft, Hausverwaltungen und Kanzleien tätig ist, gibt zu bedenken, dass in der Regel "bei Videoüberwachung in das Recht am eigenen Bild eingegriffen wird". Jeder habe das Recht, frei zu entscheiden, was mit Bildnissen und Aufzeichnungen seiner Person geschehen darf und was nicht (Kunsturhebergesetz, Paragraf 22). "Diese freie Entscheidung ist bei einer Videoüberwachung nahezu nicht möglich", führt Okon zum Thema allgemeines Persönlichkeitsrecht aus. Außerdem kann Videoüberwachung einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (Artikel sechs) bedeuten.

In jedem Fall sollte die Kamera fest installiert sein, damit beim Nachbarn nicht der Eindruck entsteht, man wolle ihn überwachen. Allein schon die Möglichkeit, dass man eine Kamera drehen und den Nachbarn beobachten könnte, kann dazu führen, dass ein Hauseigentümer sie entfernen muss (Landgericht Frankenthal, Az. 2 S 95/19). Oft hängt es stark von den individuellen Umständen ab, ob Videotechnik demontiert werden muss, das zeigt auch folgender Fall: Eine Schildkrötenhalterin hatte eine Kamera installiert, um ihre Tiere im Garten besser beobachten zu können. Ihre Nachbarin behauptete, auch sie werde observiert. Ein Gutachter widerlegte das aber. Die Schildkrötenliebhaberin darf ihre Kriechtiere weiterhin per Videotechnik ins Visier nehmen (Az. 104 C 82/17).

Wenn man eine Kamera im Mehrfamilienhaus anbringen will, braucht man gute Gründe dafür

Und welche Regeln gelten für Eigentümer von Mehrparteienhäusern? Auf keinen Fall sollten sie in Eigenregie eine Videokamera im Eingangsbereich installieren. Dafür braucht der Vermieter die schriftliche Erlaubnis sämtlicher Mieter. Ansonsten sind Videoaufnahmen des Hauseingangs oder im Treppenhaus tabu. Wer sich nicht daran hält, muss nicht nur die Kamera abbauen, sondern womöglich Schadenersatz und Schmerzensgeld bezahlen.

Für eine Videoüberwachung im Mehrfamilienhaus braucht es überzeugende Gründe, zum Beispiel wiederholte schwere Sachbeschädigung. Dass Bewohner schlampig in Sachen Mülltrennung sind oder dass gelegentlich ein kleinerer Diebstahl im Bereich des Anwesens bekannt wurde, reicht als Begründung nicht aus, bekräftigte das Landgericht München I im Juni vergangenen Jahres (Az. 14 S 2185/22).

Der Eigentümer muss ein für alle sichtbares Schild mit dem Hinweis auf Videoüberwachung im Haus anbringen. Die Aufnahmen dürfen maximal 72 Stunden gespeichert werden; in Ausnahmefällen länger. Abgesehen davon darf das Sichtfeld der Kamera im Eingangsbereich eines Mietshauses nicht die Wohnungstür eines Mieters erfassen: Das Argument einer Vermieterin in diesem Kontext, die Überwachung sei vorbeugend nötig - wegen Brandgefahr durch im Treppenhaus abgelegte Zeitungen -, ließ das Amtsgericht Köln nicht gelten (Az. 210 C 24/21). Auch Mieter und einzelne Wohnungseigentümer dürfen eine Kamera im Mehrparteienhaus nicht so platzieren, dass sie andere Bewohner beim Betreten ihrer Wohnungen oder anderen Aktivitäten im Treppenhaus aufzeichnet.

Und wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beschließt, ihre Wohnanlage per Videokamera zu observieren? Der Bundesgerichtshof stellte klar: Eigentümer brauchen dafür einen Anlass (BGH, V ZR 220/12). Ein Beispiel: Unbekannte haben die Grünflächen der Wohnanlage verwüstet. Der BGH mahnte an, das Bundesdatenschutzgesetz müsse eingehalten werden und zur Überwachung bedürfe es fester Regeln.

Reinhold Okon, der Seminare zur Videoüberwachung hält, rät dazu, die Vorfälle, die den Anlass dafür bilden, präzise zu dokumentieren. Er hat ein detailliertes Betriebskonzept für die Video-Überwachung in der WEG entwickelt. Was genau gefilmt wird und mit welcher Art von Technik wird demnach genau aufgeschrieben. Sehr wichtig bei dem Reglement sind auch Antworten auf diese Fragen: Welchem Zweck dienen die Aufzeichnungen? Wer hat Zugriff auf sie? Und wer kümmert sich zu guter Letzt darum, dass sie gelöscht werden?

Die Autorin saß gern auf ihrem Balkon - solange bis neben ihm ein Außenaufzug installiert wurde. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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